Wo ist die nächsten Systemkrise?

Liquidität an den Finanzmärkten: Seit dem Ausbruch der Finanzkrise forsten Aufsichtsorgane den Finanzsektor nach möglichen Systemrisiken durch. Grosses Kopfzerbrechen bereitet eine geringere Liquidität.

Gerald Hosp berichtet:  Innert kurzer Zeit schwankten im letzten Oktober die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen um 37 Basispunkte – was zunächst nicht spektakulär klingt. Man muss sich aber vor Augen führen, dass die prozentualen Preisveränderungen nach dem Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 geringer ausgefallen waren. Im Nachgang dieses «flash crash» wurden viele Theorien herumgereicht, warum es zu den schroffen Marktbewegungen gekommen war, obwohl die Nachrichtenlage nicht als besonders schwerwiegend galt. Für viele Kommentatoren und Regulierungsbehörden sind die Vorgänge im Oktober ein Beleg schwindender Liquidität am Anleihemarkt. Vor kurzem reihte sich Jamie Dimon, der Chef der amerikanischen Grossbank JP Morgan, in den Reigen der Warner ein.

Weniger Marktmacher
Märkte sind liquide, wenn Investoren ohne grosse Verzögerungen, zu niedrigen Kosten und zu einem Preis nahe dem Marktwert Wertpapiere kaufen und verkaufen können. Trifft dies nicht zu, steckt Sand im Getriebe. Der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, hatte 2014 darauf hingewiesen, dass beim Obligationenhandel die Zeitdauer, um eine Handelsposition abzuwickeln, heute sieben Mal länger sei als 2008. Unter solchen Bedingungen stellt sich die Frage nach der Effizienz der Märkte.

Starke Preiskorrekturen sind in erster Linie Ausdruck eines normalen Marktverhaltens. So kann ein Risikoappetit, der sich verändert hat, im Marktzyklus zu einem Wandel im Anlageverhalten führen. Viele Aufsichtsbehörden und Beobachter fragen sich aber, ob regulatorische Eingriffe nicht eine strukturelle Änderung der Kapitalmärkte mit sich gebracht haben. Bisher stellten an vielen Märkten Marktmacher, meist Investmentbanken, Liquidität zur Verfügung, indem sie als Käufer und Verkäufer auftreten und ein Inventar an Wertpapieren halten. Für ihre Dienste und für das Übernehmen des Risikos werden sie entlohnt. Mit den neuen Eigenkapitalvorschriften für Finanzinstitute, die die Systemstabilität erhöhen sollen, sank aber die Bereitschaft traditioneller Market-Maker, das Risiko in ihre Bücher zu nehmen. Banken konzentrieren sich auf Aktivitäten, die einen geringeren Kapitalbedarf haben. Zudem verringerten die Institute auch den Eigenhandel.

Laut einer jüngst erschienenen Studie von Morgan Stanley und Oliver Wyman reduzierten Investmentbanken seit 2010 ihre risikogewichteten Aktiva um 40% und ihre Bilanzsumme um 20%. Zugleich wirkt aber auch die ultralockere Geldpolitik der Zentralbanken: Wegen der niedrigen Zinsen und des Hungers der Investoren nach Rendite nahmen die Emissionen von Anleihen zu – derzeit soll es um 2,4-mal mehr neue Bonds geben als 2005. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass manche Anleihen nur sehr wenig gehandelt werden. Die Liquidität am Sekundärmarkt, wo Obligationen ge- und verkauft werden können, dünnt sich aus.
Studie von Morgan Stanley und Oliver Wyman

www.claybennett.com

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