«Folge dem Geld»: Das ist ein gängiges Motto bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens. Catherine De Bolle, Chefin der EU-Polizeiagentur Europol, sagte es am Montag in Brüssel so: «Für jede Verbrechensuntersuchung brauchen wir parallel eine Untersuchung der Finanzströme.» Nachdem De Bolle 2018 Europol-Exekutivdirektorin geworden war, machte sie laut eigenen Angaben eine Tour bei den EU-Mitgliedstaaten und musste vielerorts hören, dass das Know-how nationaler Behörden in der Bekämpfung von Finanzverbrechen beschränkt sei.
Geldwäsche ist ein integraler Bestandteil organisierter Verbrechen – ob es um Drogenhändler, Zigarettenschmuggler, Mehrwertsteuerbetrüger, Wettmafias, Geldfälscher oder andere «Branchen» geht. Knapp 70 Prozent der in der EU aktiven kriminellen Netzwerke benutzen gemäss dem Bericht «Basistechniken» zur Geldwäsche, während der Rest professionelle Geldwäschereidienste oder das Untergrundbankensystem braucht. Professionelle Geldwäscher verlangen laut den Behörden typischerweise für ihre Dienste 5 bis 20 Prozent der gewaschenen Gelder.
Die Geldwäsche-Methoden
Die Liste der genannten Geldwaschmethoden ist ziemlich lang. Hier einige der genannten Stichworte: informelles Geldüberweisungssystem, Bargeldschmuggel, Banküberweisungen via Konten von Strohmännern, Benutzung von Kryptowährungen, fingierter Warenhandel, Zwischenschaltung von Scheinfirmen, Missbrauch legaler Geschäfte verschiedenster Branchen von Restaurants über Juwelierläden bis zu Spielkasinos und Fussballklubs.
Der Umfang der beschlagnahmten kriminellen Gelder nimmt tendenziell zu. Der Europol-Bericht nennt aufgrund von Angaben aus 24 Ländern für 2020 und 2021 eine Zahl von durchschnittlich 4,1 Milliarden Euro pro Jahr; eine frühere Schätzung für eine frühere Periode kam auf 2,4 Milliarden Euro pro Jahr. Zumindest einen Teil des Anstiegs erklärt der Bericht mit der verstärkten Verbrechensbekämpfung. Offen muss aber bleiben, inwieweit auch der Umfang der kriminellen Aktivitäten zugenommen hat.
Das Ausmass der illegalen Gewinne des organisierten Verbrechens liegt naturgemäss im Dunklen. Der Bericht schätzt, dass die Behörden insgesamt weniger als 2 Prozent der kriminell erwirtschafteten Profite beschlagnahmen. Der Umfang der vermuteten Gewinne des organisierten Verbrechens in der EU liegt bei Hunderten von Milliarden Euro pro Jahr. Das sind auf den ersten Blick riesige Volumen. Gemessen an der jährlichen Wertschöpfung der Gesamtwirtschaft in der EU entspräche dies einer Grössenordnung von einigen Prozent.
Mehr als 80 Prozent der kriminellen Netzwerke, die in der EU aktiv sind, missbrauchen legale Geschäftsstrukturen für ihre illegalen Aktivitäten. Finanzkriminalität, insbesondere Geldwäsche, warnt Europol, untergrabe die Gesellschaft aber nicht nur, weil sie die legale Wirtschaft unterwandere. Sie fördere darüber hinaus auch das Wachstum einer „parallelen Untergrundgesellschaft“, die aus Personen bestehe, die in zunehmendem Maße von der organisierten Kriminalität abhingen, um ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten.
The Other Side of the Coin – Analysis of Financial and Economic Crime (EN)
Hier die bemerkenswerte Rede vom 1.09.2023 von Kommissar Johansson bei einem Pressetermin mit Frau Catherine De Bolle, Exekutivdirektorin von Europol, zum ersten Leitbericht des Zentrums für Wirtschafts- und Finanzkriminalität.
Commissioner Johansson Speech