Alarm Ndrangheta im Tessin

„Wenn wir nicht etwas unternehmen, kauft die ‚Ndrangheta im Tessin alles auf“
So äußert sich Dimitri Bossalini, Präsident der Tessiner Polizei, gegenüber Journalisten der italienischen Tageszeitung „Il Fatto Quotidiano“. Die kalabrische Mafia sei dabei, buchstäblich die gesamte Wirtschaft des Tessin auszuhöhlen.

Ungewöhnlich deutliche Worte für Schweizer Verhältnisse, wo man sich, vor allem von offizieller Seite, bisher nur ungern mit dem Thema Mafia beschäftigt hat.

Besonders interessant für die ‚Ndrangheta-Clans seien das Immobiliengeschäft, das Gaststättengewerbe, aber auch das Geschäft mit den Maschinen für das Baugewerbe und der gesamte Bausektor. „Sie haben unsere niedrigen Hypothekenzinsen genützt, um Gebäude zu erwerben mit denen sie ihre Gelder waschen können, in einigen Orten ist das ganz klar zu sehen“, so Bossalini, „und wir gewöhnen uns allmählich daran, mit diesen Leuten zusammenzuleben und Geschäfte zu machen. Leider sind uns in der Schweiz bei den Ermittlungen oft die Hände gebunden. Wir haben nicht die Mittel italienischer Ermittler, z.B. die Abhörmaßnahmen und die Möglichkeit der Beschattung. Bei uns sind die Gesetze viel restriktiver.“

Tatsächlich sind es bis heute vor allem italienische Ermittler, die sich zur Situation in der Schweiz äußern. Seit 2010 wurden 14 Ermittlungen von Italien aus durchgeführt, die die Schweiz betrafen. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 41 Personen wegen Beziehungen zur ‚Ndrangheta angeklagt oder verurteilt.

Doch es scheint sich etwas zu ändern in der Schweiz: Im Mai diesen Jahres fand in Lugano an der Universität der Italienischen Schweiz eine Konferenz statt, während der sich schweizer und italienische Ermittler und Journalisten des Investigativ-Netzwerks Investigativ.ch trafen, um sich über das Problem der Mafia-Infiltration in der Schweiz auszutauschen.

Konkretes Beispiel? Das Projekt „Alptransit“ – Erst Anfang Juni wurde der längste Eisenbahntunnel der Welt im Tessin eingeweiht und schon wird eine Anklage gegen drei Projektleiter vorbereitet, die für den Tod eines Bauarbeiters aus Kalabrien verantwortlich sein sollen. Während der Konferenz in Lugano berichtete John Noseda, der die Ermittlungen leitende Oberstaatsanwalt im Kanton Tessin, dass „bei der Ankunft der Polizei der Tatort schon völlig verändert worden war, dazu erwies sich, dass keine Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden waren. Keiner der 30 Arbeiter wollte reden, weil sie Angst um ihren Arbeitsplatz und ihre Familien hatten. Das ist Omertà, wie man sie bei der Mafia praktiziert. Die Bauarbeiter werden in die Schweiz transportiert, ausgebeutet und bedroht, so wie es eben klassische Praxis bei der Mafia ist.“

Klare Worte fand auch der Anwalt Bernasconi: „Bei uns in der Schweiz fehlen die Antikörper, nicht nur, was die öffentlichen Bauaufträge betrifft. Je mehr sich im Finanzsektor sozusagen im Unterholz abspielt, um so größer die Wahrscheinlichkeit, dass hier die Mafia mitspielt.“
Ilfattoquotidiano.it
Il Portale del Ticino

Derek Easterby www.w-t-w.org/en/cartoon/derek-easterby www.twitter.com/Ybretsae

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