Schon der Jahresbericht 2017 von
„Reporter ohne Grenzen“ schilderte die zum Teil dramatischen, manchmal lebensgefährlichen Bedingungen, unter denen weltweit Journalisten arbeiten:
Sie werden behindert durch Justiz und Geheimdienste, Behörden verweigern ihnen Auskünfte, und einzelne Politiker kritisieren öffentlich die Ergebnisse von Recherchen oder zweifeln ihre Richtigkeit an. Höhepunkt dieser Tendenz ist wohl die Erfindung der „Lügenpresse“ durch die Pegida-Anhänger und des Begriffs „Alternative Fakten“ durch die Beraterin Donald Trumps. Dazu kommen aber noch gewalttätige Angriffe aus der Bevölkerung oder von Interview-Partnern.
Insgesamt sind im Jahr 2017 weltweit 65 Journalisten und Medienmitarbeiter getötet worden, und zwar außerhalb von Kriegsregionen, 54 sind derzeit entführt und 326 befinden sich augenblicklich in Haft.
Eigentlich sind diese Fakten bekannt, aber die Zahl der tätlichen Angriffe und der Einschüchterungsversuche in den letzten Monaten und der Erfindungsreichtum der Journalisten-Hasser ist doch erschreckend.
Hier einige wenige Beispiele aus Deutschland und Italien
Tätliche Angriffe geschehen in Deutschland häufig im Kontext von Veranstaltungen der AfD oder während Pegida-Demonstrationen und ähnlichen Events. Man versucht, Medienvertreter einzuschüchtern, man bedroht sie auf jede nur erdenkliche Weise, das geht bis zu Morddrohungen. Deshalb musste z.B. das Haus von Peter Bandermann von den Ruhrnachrichten (sein Thema Rechtsextremismus) von der Polizei geschützt werden. Ein ähnliches Schicksal erlitt das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv, dessen Berliner Redaktion ebenfalls unter Polizeischutz gestellt werden musste, (Thema: Korruption in der Türkei, Umbau des Landes in einer Präsidialdiktatur).
Ein Journalist des italienischen Staatsfernsehens RAI interviewte in Ostia (bei Rom) Roberto Spada, den Bruder des Mafia-Bosses Carmine Spada, zu den Beziehungen des Clans mit den lokalen Faschisten. Die vielen Fragen beantwortete Spada schließlich mit einem Kopfstoß und brach dem Reporter die Nase. In einem Viertel von Bari wollte Mariagrazia Mazzola (RAI) die Frau eines Bosses interviewen, die aber die Anfrage mit einem Faustschlag an den Kopf beantwortete, so dass die Journalistin ins Krankenhaus gebracht werden musste.
Eine neue Idee kommt aus Reggio Emilia, vom Maxi-Prozess gegen den `Ndrangheta-Clan Grande Aracrì „Aemilia“: Die Verteidiger der angeklagten Mafiosi haben die Einrichtung eines „Observatoriums für die Prozess-Berichterstattung“ verkündet. Die Kommission besteht aus vier Verteidigern des Prozesses. Die Maßnahme begründen sie folgendermaßen „Die Prozess-Berichterstattung wird häufig zu einem Instrument der Anklage, um sich Zustimmung in der Öffentlichkeit zu verschaffen, und um auf diese Weise die öffentliche Meinung zu beeinflussen und somit auch unweigerlich die Meinung des Gerichts.“
Journalisten-Vereinigungen reklamieren den eindeutig „einschüchternden Charakter“ dieser Kommission, während die Politik auf lokaler und nationaler Ebene sich vornehm zurückhält und wie so oft schweigt.
Dies ist übrigens nicht der erste Versuch der Verteidiger und der Mafiosi, die Presseorgane vom Prozessgeschehen auszuschließen: Der Verteidiger Stefano Vezzadini hatte während einer Gerichtsverhandlung die anwesenden Medienvertreter beschuldigt, nur Lügen über den Prozess zu verbreiten – ohne jedoch anzugeben, welche Presse-Informationen angeblich Lügen gewesen seien. Ein anderer Verteidiger hatte im Januar 2017 den offiziellen Antrag gestellt, die Medien des Gerichtssaals zu verweisen, was drei Mafiosi dazu ermunterte, wiederholt „Ab in den Knast“ zu rufen und damit den Antrag ihres Verteidigers zu unterstützen.
Mutige Journalisten verdienen unsere uneingeschränkte Solidarität!