Indien ein interessanter Wachstumsmarkt?

Trotz Einbussen nach einem historischen Höhenflug bleibt Indien interessant.

Volker Pabst berichtet: Trotz Einbruch ist die indische Börse wieder für eine Überraschung gut. Die Anleger in Indien beobachten die Entwicklungen sehr genau. Im Vergleich zur euphorischen Goldgräberstimmung des Vorjahres präsentiert sich genau ein Jahr nach dem Regierungswechsel an Indiens Börsen ein nüchterneres Bild. Seitdem der Sensex im März sein Allzeithoch erreicht und im Tagesverlauf sogar einmal über der psychologischen Marke von 30 000 Punkten notiert hatte, ist der Blue-Chip-Index der Mumbaier Börse vorübergehend um mehr als 10% eingefallen und hat so einem beispiellosen Rally vorerst ein Ende gesetzt. Ab Anfang 2014 hatte bereits die Aussicht auf einen Machtwechsel in Delhi die indische Börse zu beispiellosen Höhenflügen ansetzen lassen die sich nach dem Amtsantritt Narendra Modis fortsetzten. Innert 15 Monaten hatten die Leitwerte am Bombay Stock Exchange um fast 50% zugelegt. Beflügelt wurde die Entwicklung zudem von den niedrigen Ölpreisen, die das Budget eines der grössten Importeurs fossiler Brennstoffe um geschätzte 25 Mrd. $ entlasteten.

Dass es zu einer Korrektur an dem Märkten kommen würde, war erwartet worden. Zu unrealistisch waren die Hoffnungen der Wirtschaftswelt in die neue Regierung gewesen. Modi und sein Team haben zwar einige positive Akzente gesetzt, etwa durch die Vereinfachung ausländischer Direktinvestitionen im Versicherungs- oder Rüstungsbereich, durch ein schlankeres Subventionssystem oder durch Steuerreformen. Über Nacht zu einem Paradies für Investoren ist das Land mit seiner überbordenden Bürokratie und maroden Infrastruktur aber freilich nicht geworden, auf dem Ease-of-Doing-Business-Index der Weltbank belegt Indien weiterhin einen unrühmlichen 134. Platz. Dazu trägt auch bei, dass die parlamentarische Opposition, die im Oberhaus die Mehrheit hat, wie in der indischen Politik üblich, die Arbeit der Regierung nach Möglichkeit blockiert. Die Reformen der Mehrwertsteuer oder des für Firmenansiedlungen wichtigen Landerwerbsgesetz etwa sind weiterhin hängig.

Neben der Beunruhigung über stockende Reformprojekte und enttäuschende Quartalszahlen lösten aber auch externe Faktoren die Kurskorrektur aus. Der Anstieg der Ölpreise wirkte sich ebenso negativ auf die Märkte aus wie die Furcht vor einer Zinserhöhung in den USA, etwa wegen positiver Entwicklungen am dortigen Arbeitsmarkt, die Investitionsgelder aus Indien in die USA umlenken könnten. Die Abwertung der indischen Landeswährung verstärkte die Tendenz, zum ersten Mal seit 20 Monaten kostete der Dollar im Mai wieder mehr als 64 Rupien.

Trotz dem Einbruch schaut man in Indien aber grundsätzlich weiterhin positiv in die Zukunft. Für Ende Jahr sagen einige Investoren bereits wieder Sensex-Werte jenseits der 30 000er-Marke voraus. In der Tat sind die Kennzahlen der indischen Wirtschaft positiv. Für das laufende Jahr wird mit einem Wirtschaftswachstum von 7-7,5% gerechnet. Zwar verlangsamen grosse Investitionsvorhaben die Haushaltkonsolidierung, doch die Regierung geniesst das Vertrauen der Zentralbank. Die Inflation liegt bei tiefen 5,2%, der Leitzins dürfte von gegenwärtig 7,5% in absehbarer Zukunft ein weiteres Mal gesenkt werden. Die Zeit schwindelerregender Höhenflüge an Indiens Börse ist vorbei, grundsätzlich stimmt aber die Richtung. Für risikofreudige Anleger könnte sich nach dem Ende der gegenwärtigen Korrekturbewegung der Einstieg in den Wachstumsmarkt lohnen.
sensex

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