Anmerkung zu den Filmkritiken
Seit 14.8. wird in den Kinos Marco Bellocchios Film über den ersten Kronzeugen gegen Cosa Nostra, Tommaso Buscetta, gezeigt. Ich finde ihn sehenswert.
Verschiedene Kritiken finden sich im Netz. Hier soll deshalb nur eine Anmerkung gemacht werden zu den Filmszenen, die sich in der Aula Bunker während der Maxiprozesse in Palermo abgespielt haben.
Es handelt sich um Szenen, wie sie sich in der Realität zugetragen haben. Es ist keine Interpretation des Regisseurs, der zeigen möchte, was für lächerliche Existenzen Mafiabosse sind. Die Mafiabosse, die vor Gericht absurde Theaterszenen aufführen, das von ihnen provozierte Chaos, all das ist so abgelaufen (Zu sehen im Video „La mattanza“ von Carlo Lucarelli:
ab 51.55) und diente dazu, dem Gericht die Verachtung und die Siegesgewissheit der Cosa Nostra zu demonstrieren.
In Italien wird ein Urteil erst nach der dritten Instanz rechtskräftig. Und Cosa Nostra hatte im Kassationsgericht (dritte und letzte Instanz) ihren Mann sitzen, den Richter Corrado Carnevale, der bei Mafiaprozessen letztlich „alles in Ordnung“ brachte. Er fand stets einen Grund, einen Freispruch durchzusetzen und bekam deshalb von den Medien den Spitznamen „ammazzasentenze“ (Urteilskiller). Die Mafiabosse im Gerichtssaal gehen also davon aus, am Ende straflos wie bisher davonzukommen. Kronzeugen sagen aus, dass der Boss der Bosse, Totò Riina, und die gesamte Cosa Nostra gespannt auf den Urteilsspruch der 3. Instanz warteten, in der Annahme, es werde wieder lauter Freisprüche geben. Dem war aber nicht so, denn Giovanni Falcone, der inzwischen von Palermo nach Rom ins Justizministerium gewechselt hatte konnte der quasi garantierten Straflosigkeit der Mafia ein Ende setzen: Bisher waren die Mafia-Urteile stets in derselben Sektion des Kassationsgerichts und beim immer gleichen Richter gelandet: auf dem Schreibtisch von Carnevale. Falcone sorgte für eine neue Regelung, ein rotierendes System. Und so wurden am 30. Januar 1992 die meisten Urteile der vorausgegangenen Instanzen bestätigt, darunter 19 Mal lebenslänglich, ein Urteil, das Mafiosi sich bisher nicht in ihren schlimmsten Träumen hätten vorstellen können.
Weshalb Giovanni Falcone mit seiner Frau und seinen Personenschützern von Cosa Nostra am 23. Mai 1992 bei Capaci in die Luft gesprengt wurde, wird bis heute diskutiert. Ein Grund ist sicherlich die Rache für die Urteile des Maxiprozesses. Unmittelbar nach diesem Attentat auf Falcone begannen Vertreter der italienischen Institutionen Verhandlungen mit der Mafia aufzunehmen, angeblich, um die Serie der blutigen Attentate zu beenden. Es existiert eine Forderungsliste von Totò Riina, das sog. papello, in dem vor allem eine Revision des Maxiprozesses, Abschaffung des Urteils lebenslänglich und andere Antimafia-Gesetze aufgeführt sind. Die Authentizität des papello ist aber umstritten und deshalb wurde es im Prozess zu den Verhandlungen zwischen Staat und Mafia (processo sulla trattativa) im Urteil nicht als Beweis aufgeführt.
Aula Bunker im Gefängnis Ucciardone/ von Petra Reski; Bild rechts/ „das sog. papello“