Die Mafien in Zeiten des Corona-Virus – Antimafia-Experten schlagen Alarm

Italien: In den letzten Tagen häufen sich die Warnungen von namhaften Antimafia-Experten, wie die Mafien von der Pandemie profitieren werden.

Hier eine Auswahl:

Roberto Saviano, Autor des Romans „Gomorra“, meldet sich zuerst zu Wort. Zwar schränke die Ausgangssperre den Aktionsradius der Mafiosi in der Öffentlichkeit ein, doch beweise die Mafia auch jetzt ihre Anpassungsfähigkeit. Ein Beispiel: Statt die Drogen wie bisher auf Straßen und Plätzen zu verticken, entdecke man jetzt die Pusher in den Schlangen vor den Supermärkten oder man biete Lieferung ins Haus. Viel wichtiger aber ist seiner Meinung nach die Tatsache, dass die Mafien in den letzten Jahrzehnten in alle Bereiche des täglichen Lebens investiert haben, z.B. in Firmen, die die verschiedensten Dienstleistungen anbieten, in den Logistik-Sektor, in Bestattungsunternehmen, usw. usw. bis hin zum Handel mit Nahrungsmitteln und zur Übernahme von Tankstellen. Damit können sie, sobald die Lieferketten nicht mehr richtig funktionieren, in die Bresche springen und das Gewünschte zu ihren eigenen Bedingungen anbieten. Hinzu kommt, dass die Katastrophensituation dazu führt, dass die Medien sich auf das eine Thema des Augenblicks konzentrieren und andere wichtige Bereiche nicht mehr mit der nötigen Aufmerksamkeit verfolgen. Insgesamt, so Saviano, bedeute die Pandemie für die Mafia hervorragende Geschäfte und das von ihr so geschätzte Stillschweigen.

Der nationale Vizepräsident der Antiracket-Organisation (FAI), Renato De Scisciolo, macht darauf aufmerksam, dass Wucherei und Erpressung nicht in Quarantäne gehen und dass die OK dabei sei, sich neu aufzustellen. Auch wenn die Regierung Conte in ihrem letzten Dekret „Cura Italia“ eine Norm eingefügt habe, die Banken und Finanzinstitute auffordere, im Augenblick auf die Zurückzahlung von Darlehen und Ratenzahlungen zu verzichten, so seien doch bisher zahlreiche Anzeigen eingegangen, dass Banken ihre Kunden ständig zur sofortigen Rückzahlung der Schulden drängen. „Wir sind bereit, die Direktoren dieser Banken und Finanzbüros anzuzeigen“. Außerdem, so De Scisciolo, bestehe die Gefahr, dass diejenigen, die Angst haben, in der Krise alles zu verlieren, sich an Kredithaie wenden.

Auch der Antimafia-Staatsanwalt von Catanzaro (Kalabrien) Nicola Gratteri sieht diese Gefahr: Die `ndrangheta, so Gratteri, hat Geld im Überfluss und kann es sich leisten, Geld zu verleihen ohne groß auf Sicherheiten zu bestehen. Anfangs werde sie Kredite zu niedrigen Zinsen anbieten, um sich als Wohltäter aufzuspielen, doch es bestehe das Risiko, dass auf diese Weise nach und nach legale Unternehmen an Strohleute der `ndrangehta übergehen. Aber auch Privatleute, vor allem die Ärmsten der Armen, bekämen Hilfe: Man biete ihnen eine Arbeit (natürlich Schwarzarbeit) für 30 Euro am Tag, wodurch eine psychologische Abhängigkeit entstehe. Durch `ndrangheta-Kredite wachse diese Abhängigkeit weiter, und bei den nächsten Wahlen würden diese Personen selbstverständlich ihre Stimme für ihre Wohltäter abgeben. So gelinge es der `ndrangheta, die Zustimmung in der Bevölkerung zu steigern.

Der nationale Antimafia-Staatsanwalt Cafiero De Raho fordert wie Gratteri die Regierung auf, sich auch um die ärmsten Bevölkerungsgruppen zu kümmern, die sonst leicht zur Beute für die Mafia würden.

Auch Pietro Grasso, ehemaliger nationaler Antimafia-Staatsanwalt und Senatspräsident, befürchtet, dass die Mafia vor allem bei der besitzlosen Bevölkerung neues Terrain gewinnen wird. Der Versuch, Supermärkte in Neapel und Palermo zu überfallen, zeigt, dass “vor allem im Süden ein soziales Pulverfass“ lauert, so der Minister des Südens Provenzano: „Die Situation könnte von einem Moment auf den anderen eskalieren“. Berichte von Geheimdiensten warnen angeblich sogar vor denkbaren Revolten. Auch bei diesem Problem, so bemerkt Antonino Di Matteo, Staatsanwalt des Prozesses zur trattativa, könnte die Mafia erheblichen Einfluss nehmen, indem sie die Unzufriedenheit mit der Regierung noch weiter anheizt. Der Antimafia-Staatsanwalt Tartaglia schließlich formuliert seine Besorgnis so: Er sieht in der augenblicklichen Situation ein Unwetter, das die vier perfekten Vorbedingungen für die Geschäfte der Mafia in sich vereint: Geldmangel, ein soziales Pulverfass, die Aussicht auf riesige Geldsummen zur Bewältigung der Krise und die Unterschätzung der Risiken durch die Entscheidungsträger.

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Die Mafien in Zeiten des Corona-Virus II

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