Cum-Ex-Geschäfte – Banker zu langer Haftstrafe verurteilt

Das Landgericht Bonn hat den ehemaligen Generalbevollmächtigen der Hamburger Privatbank M.M. Warburg zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Corinna Budras Wirtschaftskorrespondentin in Berlin berichtet:
Im Skandal um Cum-Ex-Geschäfte hat ein deutsches Gericht am Dienstagabend erstmals eine Haftstrafe gegen einen deutschen Banker verhängt. Das Landgericht Bonn hat einen ehemaligen Generalbevollmächtigten der Hamburger Privatbank M.M. Warburg zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem soll er rund 100.000 Euro aus „Taterträgen“ zurückzahlen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von zehn Jahren, die Verteidiger, darunter der ehemalige BGH-Richter Thomas Fischer, dagegen Freispruch gefordert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, kann also vor dem Bundesgerichtshof angegriffen werden (Az: 62 KLs 1/20).

Damit kommt das zweite Strafverfahren zu den umstrittenen Aktiendeals überraschend früh zu einem Abschluss. Eigentlich hatte die Kammer noch weitere Termine in dem Strafverfahren geplant. Diesmal fiel die Strafe wesentlich härter aus als in dem ersten Strafverfahren. Der Banker soll die rechte Hand des damaligen Warburg-Chefs Christian Olearius gewesen sein und gewusst haben, dass die umstrittenen Deals nicht in Ordnung waren, hieß es in der Anklageschrift. Der erste deutsche Cum-Ex-Prozess endete in aller Eile vor mehr als einem Jahr kurz vor dem ersten Lockdown der Corona-Pandemie. Damals standen zwei Londoner Investmentbanker vor Gericht, sie mussten zu den Terminen der mündlichen Verhandlung in Deutschland damals extra einfliegen. Sie kamen mit einer Bewährungsstrafe davon, weil sie umfangreich kooperierten und erstmals öffentlich umfangreich Einblick gaben in die umstrittenen Aktiendeals, die über mehrere Jahre hinweg viele Akteure der Finanzbranche gefesselt hatten. Der Grund: Die Geschäfte versprachen hohe Gewinne ohne Risiko.
„Es darf nicht die letzte Person sein“

Für die Bürgerbewegung Verein Finanzwende ist mit der Entscheidung ein „entscheidender Meilenstein im Cum-Ex-Skandal“ erreicht. Der erste Täter erhalte für seine kriminellen Machenschaften eine Haftstrafe. „Es darf nicht die letzte Person sein“, forderte der Vorstand Gerhard Schick. „Das erste strafrechtliche Urteil letztes Jahr und nun die erste Gefängnisstrafe sind erste Schritte, um jahrelange Versäumnisse wieder gut zu machen.“

Wissen war nie wertvoller

Mit den Versäumnissen spielt der ehemalige Finanzexperte der Grünen auf die schwierige Rolle des Staates an, der über Jahre hinweg diese Geschäfte trotz diverser Hinweise auf mögliche Steuerhinterziehung laufen ließ. Sie sollen für den deutschen Fiskus zu einem Schaden in Milliardenhöhe geführt haben, grobe Schätzungen gehen von 10 Milliarden Euro aus. Grundlage für die Deals waren Transaktionen mit Aktien, die rund um den Dividendenstichtag des jeweiligen Unternehmens gehandelt wurden. In diesem Zusammenhang konnten sich professionelle Investoren die gezahlte Kapitalertragssteuer auf die Dividenden erstatten lassen. Durch eine Fehlkonstruktion in der Abwicklung solcher Geschäfte konnten sich Anleger die nur einmal gezahlte Steuer mehrmals erstatten lassen. Der Name dieser Transaktionen entstand dadurch, dass die Aktien sowohl mit – also „cum“ – Dividendenanspruch als auch ohne – also „ex“ – gehandelt wurden.

Schon im Jahr 2002 hatte der Bankenverband auf das Steuerschlupfloch hingewiesen, zu diesem Zeitpunkt sollen die Geschäfte schon jahrelang gelaufen sein. Trotzdem dauerte es weitere zehn Jahre bis es effektiv gestopft wurde. Viele Banken und einige Anwaltskanzleien waren involviert; ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss versuchte die Untätigkeit des zuständigen Finanzministeriums über politische Verstrickungen zu ergründen. Dies ist allenfalls unzureichend gelungen. Auch die juristische Aufarbeitung gestaltet sich schwierig, weil die strafrechtlichen Verantwortungen häufig unklar sind. Mehrere Staatsanwaltschaften führen seit Jahren Ermittlungsverfahren gegen mehr als Tausend Beschuldigte, aber auch knapp zehn Jahre nach der Gesetzesänderung sind die strafrechtlichen Verurteilungen überschaubar.

Auch die involvierte Bank M.M. Warburg hatte zwar zuvor schon Steuerforderungen im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Skandal beglichen, aber stets betont, dass die Nachforderungen ungerechtfertigt seien. Nach dem Urteil am Dienstagabend äußerte die Bank Zweifel, ob das Urteil „angesichts zahlreicher verworfener Befangenheitsanträge und abgelehnter Beweisanträge“ einer etwaigen Revision standhalte. „Die vorrangige Verantwortung der inländischen Depotbanken und der Initiatoren der Geschäfte wird nicht ausreichend berücksichtigt“, klagte die Bank. Faz.net

Harm Bengen
www.w-t-w.org/en/harm-bengen
www.harmbengen.de

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