China der verkannte Wachstums-Riese?

Nach Börsenkorrektur und Abwertung in China.  Die Ereignisse in China haben viele Investoren in Panik versetzt. Doch so, wie früher nicht alles gut war, ist nun nicht alles schlecht – China befindet sich vielmehr im Wandel.

Werner Grundlehner berichtet: Yuan-Abwertung und sinkende Aktienpreise haben die Investoren in jüngster Zeit verunsichert. Die Abwertung des Yuan und die Schwäche der Aktienbörse in China in den vergangenen Wochen haben die Märkte aufgeschreckt. Die Meinung im Westen war schnell gemacht: Das Riesenreich rutscht in eine Wachstumsschwäche und reagiert verzweifelt und unkoordiniert. Doch mittlerweile zeichnet sich unter Analytikern und Strategen eine Neubeurteilung der Lage ab.
Kreditklemme verhindert

Weil die Kommunikation der chinesischen Behörden weniger koordiniert war als bisher, hat dies bei Beobachtern zu Verunsicherung und Fehlinterpretationen geführt – auch weil die Märkte keine Überraschungen lieben. Bezüglich Bewältigung der Krise am Aktienmarkt hätten die chinesischen Behörden einen guten Job gemacht, denn sie hätten die Blase entschärft, erklärt Mansfield Mok, Manager des New Capital China Equity Fund. Auf dem Gipfel des Aktienbooms haben ausstehende Fremdfinanzierungen im Aktienmarkt 2200 Mrd. Yuan betragen, dieser Wert hat sich auf unter 1000 Mrd. Yuan reduziert. Damit seien auch die Ängste vor einer Kreditklemme verschwunden.

Die Bedeutung des Aktienmarktes in China darf nicht überschätzt werden: Zwar sind 85% der Aktien im Besitz von Privatinvestoren, am Vermögen der Haushalte machen Dividendenpapiere aber nur 10% aus – im Westen sind es rund 30% bis 40%.

Die chinesische Regierung hat gemäss Mok in der jüngsten Krise das Verhalten der USA im Jahr 1987 kopiert. China erhöhte die Liquidität im System durch mehrere Massnahmen, gleichzeitig wurde die Nachfrage nach Aktien stimuliert und das Angebot eingeschränkt, beispielsweise durch die Aussetzung von Börsengängen und das Verbot des Verkaufs eigener Aktien für staatliche Gesellschaften. Zudem wurde die Liquidität erhöht, indem grosse staatliche Fonds neue Anteile auflegten.

China habe zudem noch geldpolitischen Handlungsspielraum und könnte die Zinsen senken, fügt Iain Lindsay, zuständig für das Fixed-Income-Geschäft bei Goldman Sachs Asset Management, an. Ein derartiges Vorgehen mögen die Märkte nicht unbedingt, das habe man jüngst nach der Abwertung der Währung gesehen. Der Markt habe aber mehr in das Signal hineininterpretiert, als dass sich wirklich verändert hätte.

Es gibt laut Mok keinen Grund, die chinesische Währung weiter abzuwerten. Der chinesische Leistungsbilanzüberschuss ist von 10% des BIP im Jahr 2007 auf rund 2% gefallen. Der Yuan sei nun angemessen bewertet. Zudem begrüsste der IMF das Vorgehen Chinas, weil nun den Marktkräften mehr Einfluss auf die Wechselkursentwicklung gewährt wird. Auch mit Blick auf eine Aufnahme des Yuan in den Korb mit Sonderziehungsrechten sieht der IMF das Vorgehen als begrüssenswert.
Einfache, aber falsche Sicht

Die westlichen Finanzmärkte hätten einen sehr vereinfachten Blick auf China und könnten die Entwicklungen in ihrer Tiefe nicht erfassen, fügt Iain Lindsay an. Aus wenigen Daten wie dem Wechselkurs, dem Kupferpreis und der Stromproduktion werde ein vereinfachtes Bild der Entwicklung abgeleitet. Damit erfasst man aber nur einen Teil des Landes – das alte China der Fabriken mit rauchenden Kaminen. Doch das Reich der Mitte befindet sich in einer Transformation, der Dienstleistungssektor ist mittlerweile grösser als der Industriesektor, denn dort wurden viele Produktionsbetriebe in günstigere Nachbarländer verlagert. Diese Entwicklung zu besser entlöhnten Jobs ist erwünscht. Denn mittlerweile gibt es wegen der Ein-Kind-Politik mehr Stellen als Werktätige. Die Fortschritte lassen sich laut Joep Huntjens, Head of Asian Fixed Income bei NN Investment Partners, am Markit Services PMI ablesen, der im Juli seinen höchsten Stand seit elf Monaten erreicht hatte. Der Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes, das 41% zur Wirtschaftsleistung beiträgt, ist hingegen konstant gefallen.
Günstiger in Hongkong

Dieser Prozess bremst zwangsläufig das Wachstum. Auf kurze Sicht betrachtet sind schmerzhafte Anpassungen bei Strukturreformen unvermeidlich. Iain Lindsay weist aber darauf hin, dass ein Wachstum von 6% im laufenden Jahr die gleiche Wirkung auf die globale Wirtschaft habe wie eine Expansion von 12% vor einigen Jahren.

Die chinesische Valoren sind in Hongkong günstiger bewertet als an der Festland-Börse. China sei weiterhin ein mehr oder weniger geschlossener Kapitalmarkt, trotz den jüngsten Börsenkooperationen. Bei Hongkong und China handle es sich um zwei verschiedene Geldpools. Das Festland wird von Kleinanlegern dominiert, wohingegen in Hongkong mehr institutionelle Anleger aktiv sind. Die Konvergenz dieser beiden Märkte wird Zeit brauchen; derzeit sei noch keine effiziente Art der Arbitrage möglich.

Am Aktienmarkt würde der Offshore-Markt in Hongkong (H-Aktien) profitieren und der hoch bewertete A-Share-Markt werde etwas konsolidieren, sagt Mok. Er mag Gesellschaften, deren Produkte in China noch eine tiefe Marktdurchdringung aufweisen, dazu gehörten Firmen aus den Sektoren Pharma, Logistik und Versicherungen. Bankaktien sind laut Mok nur auf den ersten Blick günstig, denn die Regierung wolle den Anteil von Bankkrediten von 80% am Kreditvolumen zugunsten von festverzinslichen Papieren deutlich reduzieren. Die staatlichen Unternehmen seien dagegen aus historischen Gründen nicht attraktiv. Wegen der laufenden Restrukturierungen werde jedoch eine Neubewertung einsetzen, das mache die Aktien für Anleger wieder attraktiver.
China

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