Versicherte chancenlos

Eine Kanzlei prägt das Versicherungsrecht mehr als alle anderen – davon profitieren Allianz und Co.  Wenn Bürger gegen ihre Versicherung klagen, sind sie oft hoffnungslos unterlegen. Häufig lassen sich die Konzerne von der Kölner Kanzlei Bach Langheid Dallmayr (BLD) vertreten. Deren Juristen sind hoch spezialisiert, schreiben an den massgeblichen Kommentaren mit und kennen sich im Versicherungsrecht oft besser aus als Richter. Kritiker befürchten, dass die Kanzlei ein ganzes Rechtsgebiet beeinflusst – zum Nachteil von Verbrauchern.

Daniel Drepper, Tania Röttger, Justus von Daniels und Stefan Wehrmeyer berichten: Rund 120 Anwälte, auf ein Thema spezialisiert – so groß ist keine andere deutsche Kanzlei für Versicherungsrecht. „Bach Langheid Dallmayr“ (BLD) ist die Nummer eins, wenn Versicherungen die Ansprüche von Bürgern abwehren wollen. Die Kanzlei ist sehr erfolgreich. Weil sich die BLD-Juristen noch in den entferntesten Winkeln des Versicherungsrechts bestens auskennen. Weil sie vor Gericht schon mal „mit harten Bandagen kämpfen“, wie es ein Anwalt ausdrückt, der BLD oft vor Gericht erlebt.

Hinzu kommt: Die BLD-Juristen haben Beziehungen bis hoch zum Bundesgerichtshof. Sie prägen das Rechtsverständnis mit. Das zeigen Recherchen von CORRECTIV: Wenn Bürger gegen ihre Versicherung klagen..
GRATULIERE SIE SIND VOLL ARBEITSFÄHIG!!

Igor Kravarik

Versicherungen zahlen nicht

Lux-Leaks-Whistleblower verurteilt

Luxemburg-Leaks Ärger im Steuer-Märchenland. Gericht bestätigt Urteil gegen Lux-Leaks-Whistleblower

Ein Berufungsgericht hat die beiden Lux-Leaks-Whistleblower Antoine Deltour und Raphaël Halet erneut verurteilt, jedoch zu geringeren Strafen als in erster Instanz.Der Journalist Perrin wurde von den Richtern auch in zweiter Instanz freigesprochen.

Die beiden Hauptangeklagten im Lux-Leaks-Prozess, Antoine Deltour und Raphaël Halet, sind von einem Berufungsgericht erneut verurteilt worden. Ihre Strafen fallen jedoch geringer aus als im ersten Prozess. Die Richter verurteilten Antoine Deltour zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldbuße von 1000 Euro. In erster Instanz war er zu zwölf Monaten Haft und 1500 Euro verurteilt worden. Sein Kollege Raphaël Halet muss ebenfalls eine Geldstrafe in Höhe von 1000 Euro zahlen. Das Haftstrafe auf Bewährung, die in erster Instanz gegen ihn verhängt worden war, haben die Richter nicht bestätigt.

Die Whistleblower und ehemaligen Mitarbeiter der Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers (PwC) wurden im vergangenen Sommer zu Haftstrafen auf Bewährung und einer Strafzahlung verurteilt, weil sie brisante Steuer-Dokumente an den Journalisten Edouard Perrin weitergegeben haben. Beide Whistleblower hatten stets betont, dass sie Missstände öffentlich machen wollten. Dies sei ihre Motivation gewesen. Um Geld sei es ihnen nicht gegangen.

Ärger im Steuer-Märchenland
Die Luxemburger Behörden sind wohlwollend. Und eine ganze Heerschar findiger Berater steht bereit, um die Abgabenlast für Konzerne durch umstrittene Steuermodelle kleinzurechnen – nicht selten auf weniger als ein Prozent. Von Bastian Brinkmann, Christoph Giesen, Frederik Obermaier, Bastian Obermayer und Klaus Ott mehr … Analyse

Der Journalist Perrin war in erster Instanz freigesprochen worden. Doch dagegen hatte die Luxemburger Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Die Ankläger hatten eine Geldstrafe von ihm gefordert. Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen hatte das Vorgehen der Justiz gegen den TV-Reporter scharf kritisiert. Auch das Berufungsgerich hat Perrin nun freigesprochen.

Die Dokumente offenbarten Deals zwischen Luxemburg und internationalen Konzernen, die ihre Steuerlast so gegen Null drücken konnten. Die Süddeutsche Zeitung und internationale Medien hatten 2014 darüber berichtet. Wegen der Lux-Leaks-Affäre haben die EU-Staaten den Kampf gegen Steuerflucht und Steuervermeidung verschärft. Sie löste außerdem eine Debatte aus, ob Whistleblower in Europa nicht besser vor Strafverfolgung geschützt werden sollten.
Finanzkontrolle auf luxemburgisch

Aufsehenerregende Antimafia-Kampagne in Mailand

Seit einigen Tagen hängen in den Straßen Mailands 80 große Plakatwände. Auf je 6×3 Metern sind die Namen der zehn wichtigsten Mafiabosse von Cosa Nostra und `Ndrangheta genannt, die alle im Raum Mailand leben.

Die Kampagne ist Werk des Journalisten und Massenmedienforschers Klaus Davi und entstand in Zusammenarbeit mit der Omnicom Media Group Mailand. Die Plakate zeigen die Spitze des Mailänder Doms, an Stelle der Madonnina krönt sie eine Pistole und eine Blume. Der Text: „Die `Ndrangheta ruft – Mailand antwortet: Hier die Namen der 10 größten Mafiabosse, die in unserer Stadt leben, die mit ihnen Geschäfte macht.“ Es folgen die Namen der Bosse und ganz unten der Titel einer Serie von Reportagen über die `Ndrangheta von Davi: „Gli intoccabili“ – Die Unberührbaren. Dies ist laut Homepage „die erste Docureality über die organisierte Kriminalität“, die auch den unglaublichen Einsatz von Justiz und Polizei würdigen soll. Dieses Format ist seit Mai 2016 wöchentlich auf LaC Canale 19 oder auf Youtube anzusehen.

Flankiert wird die Plakat-Kampagne von Video-Reportagen über die Bosse; die erste Folge für die Lombardei ist dem `Nrangheta-Boss Giuseppe Calabrò, „das Phantom“ aus San Luca gewidmet. Ilda Boccassini, bekannte Mailänder Antimafia-Staatsanwältin, hat 2016 die Ermittlungen gegen ihn aufgenommen. Er soll Besitzer der Apotheke „Caiazzo“ im Zentrum sein, die er mit den aus Drogen- und Waffenhandel gewaschenen Geldern seines Onkels erworben habe. (Übrigens: der Kaufpreis, 220 000 Euro, wurde bar überreicht).

Die Mailänder Staatsanwaltschaft bemerkt schon seit langem, dass Söhne und Töchter von bekannten Mafiabossen samt und sonders Pharmazie studieren und dass in zahlreichen Mailänder Apotheken Mitarbeiter aus Kalabrien die Kunden bedienen. Interessant erscheint diese Tatsache, weil die Staatsanwaltschaften im Süden schon seit vielen Jahren die Unterwanderung des Gesundheitssektors durch die Mafien untersuchen.

Auch die Nationale Antimafiakommission konzentriert sich seit längerem auf Ärzte, Krankenhäuser, Privatkliniken, Apotheken und das Gesundheitssystem insgesamt.

Aber weshalb sind Apotheken für die Mafien interessant? ,„Apotheke bedeutet Geld, Arbeitsplätze und Ansehen in der Gesellschaft“ erläutert der Mailänder Staatsanwalt Paolo Storari. Von Apotheken aus gelange man aber auch leicht in andere, für die Mafia interessante Bereiche, z.B. in die öffentliche Verwaltung, wie die Festnahme des Direktors der ASL von Pavia (lokales Gesundheitszentrum und Notfallambulanz des italienischen Staates) im letzten Jahr belegt. Der `Ndranghetaboss Francesco Pelle konnte sich anschließend mit falschen Papieren in der Klinik „Maugeri von Pavia operieren lassen. Dies zeigt, dass die bestehenden Abhängigkeiten von entscheidendem Interesse vor allem für untergetauchte Bosse sein können. Und über die persönlichen Beziehungen der Pharmazeuten und Mediziner lasse sich der Einfluss der Mafia in den Universitätsbereich ausdehnen, vor allem aber öffne sich der Weg in die Politik. Außerdem hätten die Mafien das Gesundheitswesen als Sektor entdeckt, der sich wunderbar für Geldwäsche eigne.
Arzneimittel – ihre Nebenwirkungen: Der Tod!

Ach, die Mafia

Gibt’s die noch? Also in echt und nicht als Film oder Fernsehserie oder Computerspiel? Liest man die großen italienischen Tageszeitungen, könnte man zu der Annahme kommen, die Mafia sei „verschrottet“ worden – um mal einen Lieblingsausdruck des (vorübergehend) zurückgetretenen italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi zu gebrauchen.

Selbst der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella, immerhin Bruder des von der Mafia ermordeten sizilianischen Ministerpräsidenten Piersanti Mattarella, erwähnte bei seiner Neujahrsansprache die Mafia mit keinem Wort. Er sprach über die Opfer des Erdbebens und des Terrorismus, über die Arbeitslosigkeit und die Notwendigkeit eines neuen Wahlrechts, nicht aber über die Mafia, deren Umsatz inzwischen auf 170 bis 180 Milliarden Euro jährlich geschätzt wird. Womit die Mafia so viel wie die Region Lazio erwirtschaftet, fast 10 Prozent des italienischen Bruttoinlandsprodukts. Und die Staatskasse jährlich um mindestens 75 Milliarden Euro schädigt.

Kerngeschäft in der Krise

Wer aber bei „Mafia“ immer noch an Mord und Totschlag und die Blutfehden mafioser Clans denkt, beweist nur, wie gut es der Mafia gelingt, ihren chamäleonhaften Charakter zu verbergen. Egal ob es der Fall der Mauer, die Globalisierung, der gemeinsame europäische Markt, der Stabilitätspakt oder die andauernde italienische Wirtschaftskrise ist – die Mafia wusste sich anzupassen: „Sie wurde zu einem strukturellen Bestandteil des internationalen Finanzkapitalismus“, stellt Roberto Scarpinato fest, Generalstaatsanwalt von Palermo……  Petra Reski lebt seit 1991 als freie Autorin und Schriftstellerin in Venedig.

Frauen und Kinder leiden unter Korruption/

Geschichte einer mutigen Frau

Sie wuchs in Schwaben auf, heiratete einen Mafioso und arbeitete selbst für die ­’Ndrangheta. Dann wurde die Mutter von fünf Kindern Kronzeugin. 

Die Mafia ist in Deutschland: Maria G, 35, hat selber für die ’Ndrangheta gearbeitet bis sie Kronzeugin von Ermittlern wurde. Dann aber spürte die Mafia sie auf. Maria musste nach Deutschland fliehen. Wir haben ihre und die Geschichte der Mafia in Deutschland aufgeschrieben. Eine gemeinsame Recherche von CORRECTIV, „stern“ und RTL….. Correctiv.org

Sohn einer Fussballlegende wegen Geldwäsche verurteilt

Pelés Sohn muss über 12 Jahre ins Gefängnis.

Der Sohn von Fußball-Legende Pelé, Edson Cholbi do Nascimento, muss ins Gefängnis, um eine über zwölfjährige Haftstrafe zu verbüßen. Der 46-jährige frühere Profitorwart wurde der Geldwäsche im Zusammenhang mit Drogengeschäften für schuldig befunden. Das urteilte ein Gericht im brasilianischen São Paulo. Er war dafür bereits 2014 verurteilt worden, damals sogar zu 33 Jahren. Nach einer Revision war er bis zur Entscheidung aber auf freiem Fuß. Nun wurde die Strafe auf 12 Jahre und 10 Monate reduziert….tagesanzeiger.ch

Kostas Koufogiorgos

Geldwäsche – das lautlose Gift in den Adern der Gesellschaft

Geldwäsche: Eine Pressemitteilung von Fabio De Masi

„Schäuble schützt weiter die Trickser bei Geldwäsche und Steuerflucht. Der Kabinettsentwurf der Bundesregierung verhindert Transparenz bei Briefkastenfirmen. Wer Geld im Dunkeln lässt, begünstigt Steuerflucht, Korruption und auch Terrorfinanzierung“, kommentiert der Europaabgeordnete Fabio De Masi (DIE LINKE.) den heute im Kabinett der Bundesregierung diskutierten Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie.

Der stellvertretende Vorsitzende des Panama Papers Untersuchungsausschusses des Europäischen Parlaments zu Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung (PANA) weiter: „Die EU-Kommission hat nach den Panama Papers – trotz verbleibender Schlupflöcher für Scheindirektoren von Briefkastenfirmen – geliefert. Auch einige Mitgliedstaaten gehen beim Unternehmensregister in die richtige Richtung und machen diese öffentlich zugänglich – sogar Großbritannien. Auch der Referentenentwurf des Finanzministeriums sah ursprünglich ein öffentliches Register gegen Briefkastenfirmen vor. Nun ist die Bundesregierung eingeknickt und erschwert den Zugang zu Informationen selbst für Journalisten und Forscher.“

De Masi weiter: „Gegen Steuerflucht und Geldwäsche brauchen wir echte Transparenz bei den Eigentümern von Briefkastenfirmen und Trusts. Schattenfinanzplätze und Steuerparadiese kosten uns hunderte Milliarden jährlich und ermöglichen Kriminalität bis hin zur Terrorfinanzierung. Es ist beschämend, dass die Bundesregierung unter Druck von Finanzminister Schäuble immer noch die nötigen Reformen verweigert.“

De Masi abschließend: „Im Europaparlament zahlt sich unser Druck aus. Dort werden wir nächste Woche komplett öffentliche Register für Briefkastenfirmen beschließen und müssen diese dann gegen die Regierungen im Rat verteidigen. Auch die Ablehnung der zahnlosen schwarzen Liste der Geldwäscheparadiese durch das Parlament auf Linke Initiative war ein Erfolg. Wir müssen den Steuersumpf endlich trocken legen, auch durch strengere Regeln für Banken und Kanzleien wie Mossack Fonseca, denen die Geschäftslizenz entzogen werden muss, wenn sie wiederholt Beihilfe zu Geldwäsche und Steuerhinterziehung leisten.“

Geschätzt 100 Milliarden € werden jährlich in Deutschland kriminell erwirtschaftet und potentiell gewaschen. Die Einflüsse auf das Finanzsystem und die Wirtschaft sind enorm. Die staatlichen Strafverfolgungsbehörden bekommen nicht einmal ein halbes Prozent dieses schmutzigen Geldes in die Finger.

Lohnt sich also Verbrechen in Deutschland? Wer trägt die Verantwortung und was ist zu tun? Bundesfinanzministerium

Das lautlose Gift in den Adern der Gesellschaft

Artikelserie: Frauen und Kinder leiden unter Korruption

Italien/Kalabrien: Ndrangheta-Bosse schreiben Dankbriefe an einen Richter

„Nehmen Sie uns unsere Kinder weg, vielleicht kann man sie so davor bewahren, ebenfalls Mafiosi zu werden“

Seit einigen Jahren gibt es in Italien ein Gesetz, das in den Fällen, „in denen ein konkreter schädlicher Einfluss festgestellt wird, der auf eine Erziehung zur Mafiakultur zurückzuführen ist“, dem Gericht für Minderjährige ermöglicht, das Kind den Eltern zu entziehen.

Zunächst kam es zu heftigen Reaktionen, vor allem von Seiten inhaftierter Bosse: „Unsere Kinder werden nicht angerührt!“ Oder: „Zuerst konfisziert ihr Mafia-Besitz, jetzt unsere Kinder!“

Doch eine solche drastische Maßnahme wird nie leichtfertig angeordnet, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt in Reggio di Calabria Federico Cafiero De Raho. „Wir haben da Jugendliche vor uns, die sich schon wie Bosse verhalten. Ihre Eltern sitzen im Gefängnis oder sind untergetaucht. Sollen wir zulassen, dass ihre Eltern sie weiter für eine Verbrecher-Karriere vorbereiten? Die Blutsverwandtschaft spielt in der `Ndrangheta eine Rolle wie in keiner anderen Mafia-Organisation. Und wenn man sich die Abhörprotokolle anhört, die in `Ndrangheta-Familien aufgenommen wurden, dann scheint in der Tat das Schicksal schon kleiner Kinder vorgezeichnet zu sein.“

Die Bestimmung zu einem Leben als Kriminelle beginnt für männliche Nachkommen eines `Ndrangheta-Bosses schon gleich nach der Geburt. Die Regeln bestimmen, dass die Söhne eines Bosses schon bei der Taufe durch ein besonderes Ritual als neues Mitglied in die `Ndrangheta aufgenommen werden. Aber auch in anderen `Ndrangheta- Familien werden schon Kinder auf ihre Zukunft als Kriminelle vorbereitet. Aus einem Abhörprotokoll geht hervor, dass ein Vater seinem siebenjährigen Sohn eine Waffe in die Hand gedrückt hat: „Schieß! Schieß endlich“ . Im Prozess „Faida“ gegen die Attentäter von Duisburg (2007) waren auch mehrere Minderjährige, die wegen Zugehörigkeit zur Mafia und wegen Beihilfe angeklagt waren. In den letzten 20 Jahren hat das Gericht für Minderjährige in Reggio über hundert Prozesse wegen Mafia-Vergehen gegen noch nicht volljährige Mafiosi durchgeführt, darunter etwa 50 wegen Mordes. Der Gerichtspräsident Roberto Di Bella meint: „Wir haben da eine Generation vor uns, die wir hätten retten können, die wir aber im Stich gelassen haben“.

Das Gericht musste diverse Kritiken einstecken, auch von einzelnen Vertretern der katholischen Kirche, doch der bei Libera* organisierte Priester Don Pino De Masi zum Beispiel ist überzeugt, dass so Kindern und Jugendlichen aus Mafia-Familien eine Alternative angeboten werden kann. In seiner Gemeinde kam es schon mehrfach vor, dass ihm ein Junge zuflüsterte, dass er sich für seinen Familiennamen schäme. Don Pino ist überzeugt: „Es ist unsere Aufgabe ihnen zu helfen, den nächsten Schritt zu tun.“

Natürlich handelt es sich um eine extreme Maßnahme, die nur getroffen wird, wenn die Ermittlungen der Justiz konkrete Hinweise ergeben, dass Jugendliche sich schon auf dem Weg in die Kriminalität befinden: z.B. als Bewacher von Waffen oder Drogen, oder wenn kleine Jungs von Älteren zum Abfeuern einer Schusswaffe gezwungen werden. Auch für Mädchen gibt es Regeln, z.B. unbedingter Gehorsam, Schweigen, Zwangsheiraten mit anderen Mafia-Angehörigen, die die Position eines Clans stärken sollen. Die meisten Kinder „atmen“ von Geburt an „Mafia-Luft“, eine Mentalität, die die Beziehung zum Staat und zur Zivilgesellschaft zerstört.

Manchmal genügt die Wahrnehmung, dass der italienische Staat Präsenz zeigt, um die Mauer des Schweigens zu durchbrechen, nur so lässt sich erklären, dass sich im letzten Jahr eine Gruppe von etwa 10 Müttern mit ihren Kindern an den Gerichtspräsidenten Di Bella gewandt und um Hilfe gebeten hat. Sie wollten mit ihren Kindern nach Nord-Italien gebracht werden, möglichst weit weg von ihren Ehemännern. Di Bella: „Das ist ein völlig neues Phänomen. Diese Frauen haben furchtbare Erlebnisse hinter sich, unsere Maßnahmen regen also zu neuartigen Reaktionen an.“ Di Bella betont des weiteren, dass es sich noch um ein Experiment handele, entscheidend ist für ihn, Kindern und Jugendlichen das Angebot einer Alternative zum Leben als Kriminelle zu bieten.

Kritik am Kindesentzug kam auch von verschiedenen Experten, die einerseits einen derartig massiven Eingriff in die Familie ablehnen, andererseits werden die Maßnahmen von anderen Fachleuten auch für unzureichend gehalten: um die Mafia-Kultur zu bekämpfen, müsste man sich weiter reichende Maßnahmen überlegen, die z.B. die gesamte Familie oder ein ganzes Gebiet in die Umerziehung einschlössen. Inzwischen kann Di Bella aber nun vor allem positive Reaktionen vermelden:

Vor einigen Wochen erhielt der Gerichtspräsident den Brief eines `Ndrangheta-Bosses, der seit 10 Jahren in Isolationshaft einsitzt: „Ich schreibe Ihnen als Vater, ein Vater, der sich wegen der Familiensituation größte Sorgen um seinen Sohn macht. Ich bin einverstanden mit ihren Maßnahmen, nur wenn Sie mein Kind diesem Umfeld entziehen, wird es eine bessere Zukunft haben. Wenn ich die gleiche Möglichkeit gehabt hätte, vielleicht wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin!“ Das ist aber nicht der einzige Brief! Auch andere Bosse haben sich mit Briefen bedankt. Dann gibt es die Rückmeldung einer Mutter, die seit vier Jahren mit ihrem kleinen Sohn an einem geheimen Ort außerhalb Kalabriens lebt oder den einer Vierzehnjährigen, beide Eltern wegen Mafia-Verbrechen im Gefängnis, die schreibt: „Ich gehe nie wieder nach Kalabrien zurück!“. Wiederholt werden Mütter im Büro des Gerichtspräsidenten vorstellig, die ihre Kinder der Mafia-Kultur entziehen wollen. Sie bitten um Unterstützung, weil sie ihre Familie und das Mafia-Umfeld verlassen wollen. Auch betroffene Jugendliche melden sich zu Wort. Ein anderes Mädchen (ebenfalls beide Eltern wegen Mafia-Vergehen in Haft), das sich zuerst heftig wehrte, als es abgeholt und in den Norden gebracht werden sollte, bedankt sich nun folgendermaßen: „Sehr verehrter Herr Präsident, wo ich jetzt bin, habe ich ein neues Leben begonnen, ich bin sozusagen neu geboren worden. Die Familie, der Ihr mich anvertraut habt, mag ich sehr. Sie mögen mich ebenfalls und geben mir ihre ganze Liebe. Ich gehe gerne zur Schule. Dort geht es mir gut, und ich fühle mich wohl mit meinen neuen Freundinnen. Nach Kalabrien gehe ich nie wieder. Am Anfang war es hart, aber jetzt geht es mir gut, danke!“

Nachricht vom 16.2.17: Das Gericht für Minderjährige in Neapel entzieht der Familie eines Camorra-Bosses das Sorgerecht für die Kinder. Zwei Kinder waren beim Erscheinen der Beamten damit beschäftigt, Kokain-Päckchen zu packen. Napoli Repubblica

  • Die `Ndrangheta ist die aus Kalabrien stammende Mafia, die seit Jahren als wesentlich mächtiger eingestuft wird als die in Sizilien beheimatete Cosa Nostra. Die `Ndrangheta beherrscht weltweit den Kokain-Handel und ist auch in Nord-Italien und z.B. in Deutschland fest verwurzelt.

*   Libera ist die größte Antimafia-Organisation in Italien, die inzwischen Niederlassungen in anderen Staaten der EU hat und mit dem Berliner Verein „Mafia? Nein danke!“ zusammen-arbeitet.                                 

Gericht für Minderjährige – Staatsanwaltschaft für Minderjährige. Mediacalabria.it

Die Mafia in Frankreich 1-3

Dieser dreiteilige Film über die Geschicht der Mafia in Frankreich ist ein unbedingtes 
„Muss“ für jede Frau
.  Die Mafia Strukturen mit ihrer geschichtlichen Entwicklung sind eine Art Blaupause für die heutige organisierte Kriminalität und die Exzesse des internationalen Finanzsystems. Es geht uns alle an, wir sind alle betroffen.*

Im Dienst Frankreichs 1945 – 1975 / Eine unsichtbare Macht entsteht
Die Mafia in Frankreich (1/3)

Alles begann 1929 in Marseille. Simon Sabiani, ein ehrgeiziger Politiker, will ins Rathaus einziehen. Paul Carbone und François Spirito, zwei Mafiabosse, verhalfen ihm zum Sieg und verlangten dafür ihren Anteil an der Macht. So entstand die erste Allianz zwischen der französischen Politik und der Mafia, die sich im Zweiten Weltkrieg fortsetzen sollte. Paul Carbone und François Spirito kollaborierten mit den Nationalsozialisten; die zweite Generation betätigte sich im Widerstand. Étienne Léandri, ein Lebemann und ehemaliger Gestapo-Mitarbeiter, floh nach Kriegsende nach Italien um dort im Verborgenen weiter zu arbeiten.

Im Dienst Frankreichs / Eine unsichtbare Macht entsteht 1945-1975
Die Mafia in Frankreich 2/3

1945 musste Frankreich die öffentliche Ordnung wieder herstellen, die Kommunisten bekämpfen und seine Kolonien verteidigen. Die Regierung erneuerte ihren verhängnisvollen Pakt mit der korsischen Mafia: Als Gegenleistung für ihre Unterstützung in Marseille, Tanger und Hanoi gewährten der französische Staat und das amerikanische CIA den korsischen Paten der zweiten Generation die Straffreiheit. Sie schmuggelte Heroin, arbeitete mit der sizilianischen Cosa Nostra zusammen, beherrschte das Glückspielmilieu und betätigen sich in den Geheimdiensten. Als die USA der „French Connection“ schließlich den Kampf ansagen, kommt ein Mann wieder einmal davon: Étienne Léandri. Dieser lebte an der Grenze zweier Welten und unterhielt enge Beziehungen zu dem Politiker Charles Pasqua.

Eine Republik mit Wundbrand 1975 – 2015
Die Mafia in Frankreich (3/3)


Nach der Entkolonialisierung lag die korsische Mafia am Boden. Die französische Regierung rettete sie, indem sie einige Paten im Mineralölunternehmen Elf platzierte. Étienne Léandri war das zentrale Element in diesem Räderwerk. Elf war ein postkoloniales Machtinstrument. Der Konzern setzte auf die Untergebenheit der afrikanischen Staatschefs und die Sprösslinge der korsischen Diaspora in Afrika. Diese machten dort ein Vermögen und siedelten sich dann in Frankreich an. Unter dem Schutz des französischen Staates knüpften sie Kontakte zu den Paten in Südkorsika und der kriminellen Organisation „Brise de mer“. Hier hofften sie auf die Zugeständnisse einiger Nationalisten, um sich ihren größten Traum zu erfüllen: Korsika in ein mafiöses Paradies zu verwandeln. Doch Verrat, Habgier und politische Veränderungen brachten ihre Pläne ins Wanken.

*Frauen und Kinder leiden unter Korruption

Kritik am Reformpapst – inzwischen auf Stammtischniveau

In einer Welt, in der Rechtsbrüche, Gewalt, Verbrechen, Lügen, Finanzskandale und hemmunslose Habgier die Herrschaft übernommen zu haben scheinen, ist der Papst eine positive Gegenkraft. Er sieht sich Kritik und Anfeindungen ausgesetzt.

Anfang Februar tauchen in Zentrum von Rom anonyme Poster auf, die einen finsteren Papst Franziskus zeigen und im Textteil Maßnahmen des Papstes kritisieren:
 

 

 

 

 

 

(etwa): „Hallo Franz, du hast Bruderschaften unter kommissarische Leitung gestellt, Priester abgesetzt, dem Orden von Malta und den Franziskanern der Immacolata die Führung genommen, du hast Kardinäle ignoriert… Wo bleibt da deine Barmherzigkeit?“ Der Text ist mit Anklängen an den römischen Dialekt formuliert, so als ob hier das Volk von Rom spräche. Die DIGOS (Sektion der Staatspolizei) hat Ermittlungen aufgenommen und geht jedoch davon aus, dass die Autoren im Kreis der Kurie zu suchen sind.

Die Unterstützer des Papstes im Vatikan spielen den Vorfall herunter und tun nichts. Der Vatikan-Experte des „fattoquotidiano“, Marco Politi, meint jedoch, dass es sich hierbei um eine genau geplante brutale Attacke der Papstgegner im Vatikan handele und dass es ein gravierender Fehler sei, sie zu ignorieren, denn sie richte sich gegen die zentralen Punkte von Franziskus`Reformen: gegen den direkten Kontakt zwischen Papst und Volk und gegen das Herzstück seiner Politik, die Barmherzigkeit,

Die Methoden, mit denen hier versucht wird, den Papst und sein Vorgehen lächerlich zu machen, so der Autor, erinnern an die tweets von Donald Trump oder an die Beleidigungen, die in den Fußballstadien an der Tagesordnung sind. Letztendlich sei dies der Versuch, den Papst auf Stammtischniveau herabzuwürdigen.

Außerdem, so Politi, sei dieser Vorfall im Zusammenhang mit der weltweiten Kritik am Papst zu sehen, die ihm vorwirft, ein Demagoge, ein Populist, ein Kommunist, ein Feminist, ein Ketzer zu sein. Der Vorfall sei ein wirklich alarmierendes Zeichen dafür, dass der Krieg im Innern derkatholischen Kirche inzwischen mit brutaler Gewalt geführt wird.

Deshalb sei die Linie des Papstes, eine solche Attacke einfach zu ignorieren, völlig falsch. Es gehe nämlich nicht nur um die Person des Papstes, sondern auch um den Teil der Kirche weltweit, der Reformen wünscht.
Der Widerstand gegen Papst Franziskus wird immer offener ausgetragen

Waldemar Mandzel
www.w-t-w.org/en/waldemar-mandzel