Wie Demokratien zu Mafia-Staaten werden

Mafiöse Regierungsstrukturen
gibt es nicht nur in autoritären Staaten

Stephan Bierling berichtet: Es ist schon starker Tobak: In seinem gerade erschienenen Bestseller «Grösser als das Amt» vergleicht der von Trump im Mai 2017 als FBI-Direktor geschasste James Comey dessen Präsidentschaft mit einem Mafia-System: «Der Kreis des Schweigens. Der Boss, der alles kontrolliert. Die Ergebenheits-Schwüre. Die Uns-gegen-sie-Weltsicht. Die kleinen und grossen Lügen im Dienst eines Loyalitätscodes, der die Organisation über die Moral und die Wahrheit stellt.» Die Liste liesse sich beliebig erweitern: die zentrale Rolle der Familie, die Patronage persönlicher Freunde und Vertrauter, die Intransparenz in Steuerfragen, das Behandeln von öffentlichen Angelegenheiten wie Privatsachen.

Von einem Mafia-Staat spricht man eigentlich, wenn sich organisierte Verbrechersyndikate rechtsfreie Räume schaffen und durch Bestechen und Bedrohen Vertreter der öffentlichen Ordnung wie Politiker, Beamte, Polizisten oder Richter gefügig machen…..NZZ

Polit-Paten ticken alle ähnlich, deshalb verstehen sie sich untereinander prächtig
Die Machenschaften aufdecken
Trumps innerer Zirkel

Organisierte Kriminalität – Was geht das Frauen an?

Wenn sich die Organisierte Kriminalität in einer Gesellschaft breit macht…

Sorico, ein Dorf von 1200 Seelen, am Comer See gelegen: Am 10. Juni soll ein neuer Bürgermeister gewählt werden. Doch es stellt sich als höchst schwierig heraus, Kandidaten zu finden. Der Grund? Angst! Ilfattoquotidiano.it

Auch wenn man sich ein Dorf am Comer See als friedliches, vielleicht sogar verschlafenes Nest vorstellt, – die Realität sieht ganz anders aus. In den letzten Jahren häufen sich Vorfälle von Vandalismus, Einschüchterungsversuche werden unternommen, Attentate verübt. Die Vorfälle richteten sich unter anderem gegen die drei letzten Bürgermeister: 2009 wurde dem damaligen Stadtoberhaupt zwei Mal das Auto abgefackelt, seinem Nachfolger brannte man die Werkstatt mit den darin befindlichen Wagen nieder, Schaden: mehrere Hunderttausend Euro. Auch auf das Auto des scheidenden Bürgermeisters Tamola wurde ein Brandanschlag verübt. Aber die Stadtoberhäupter sind bei weitem nicht die einzigen Opfer. Weitere Attentate richteten sich nämlich auch gegen Beamte oder Einrichtungen der Gemeinde: Reifen wurden zerstochen, die Wasserleitung manipuliert, ein Schulbus am helllichten Tag attackiert.

Die Folge? Der jetzige Bürgermeister Tamola wäre zwar bereit, wieder zur Wahl anzutreten, hat aber bisher niemanden gefunden, der sich auf seiner Liste in den Gemeinderat wählen lassen möchte.

Der frühere Bürgermeister Polledrotti ist ebenfalls bemüht und versucht eine Liste zusammenzustellen, findet aber niemanden, der für das Amt des Bürgermeisters kandidieren möchte.

Sowohl Tamola als auch Polledrotti geben auf Nachfrage zu, dass alle Angst haben. In Sorico ist es gefährlich in ein Amt oder in den Gemeinderat gewählt zu werden. Außerdem hat die zuständige Polizei bisher keine Schuldigen für die Anschläge ermitteln können.

Sorico, so der Autor des Artikels in QUI COMO, scheint in einer Zone zu liegen, in der organisierte Kriminalität und Behörden zusammenleben bzw. aufeinandertreffen. „Wenn das Zusammenleben nicht möglich ist, dann versucht die eine Seite die andere mit Gewalt zum Nachgeben zu zwingen.“

Ökonomie der Mafia

Al Citrone

Weltweit ist die organisierte Kriminalität auf dem Vormarsch. Doch wie entstehen Verbrechersyndikate eigentlich? Angefangen hat alles vor über 200 Jahren – mit sizilianischen Zitronen.

Dass er zum Wegbereiter der sizilianischen Mafia werden würde, hätte sich James Lind niemals träumen lassen. Mitte des 18. Jahrhunderts fährt der schottische Schiffsarzt für die Royal Navy zur See. Die Gesundheitsversorgung auf den Schiffen ist katastrophal, viele Matrosen erkranken, sobald sie mehrere Monate auf See sind. Ihre Zähne verfaulen, die Muskeln schrumpfen, es kommt zu schweren Blutungen. Die Krankheit heißt Skorbut.

Als nichts mehr hilft, greift Lind zu einem Experiment. Er behandelt zwölf Kranke mit unterschiedlichen Substanzen, die einen bekommen eine Gewürzpaste, andere 25 Tropfen Schwefelsäure. Zwei Matrosen schlucken Zitronensaft – und genesen dank des darin enthaltenen Vitamin C…..Story.WiWo /

Schwarzen Schafe am Kapitalmarkt

Dubiose Finanzmarktanbieter agieren mit verschiedenen Tricks. Um ihnen nicht in die Falle zu gehen, sollten Anleger verschiedene Regeln beachten.

Es gilt stets, den gesunden Menschenverstand walten zu lassen: Wenn etwas zu schön ist, um wahr zu sein, dann ist es wahrscheinlich tatsächlich nicht wahr. Dies gilt etwa dann, wenn Anbieter im derzeitigen Umfeld zweistellige Renditen versprechen. Da Rendite und Risiko quasi Zwillingsschwestern sind, haben solche Anlagen entweder ein besonders hohes Risiko, oder es handelt sich um ein dubioses Angebot. Auch bei den Vermögensverwaltern gelte es, genau hinzuschauen. Hier gebe es das eine oder andere schwarze Schaf.

Um sich zu schützen, sollten Anleger ihr Geld ausschließlich seriösen Anbietern anvertrauen und Vergleichsangebote einholen. Bei deutlichen Warnsignalen ist Skepsis angebracht. Folgende Hinweise helfen bei der Einschätzung, ob man nicht lieber die Finger von einem Angebot lassen sollte:

Achtung Anlagebetrug: So erkennt man unseriöse Angebote.
Die Niedrigzinsphase hält weiter an. Wohin also mit dem Ersparten? Betrüger haben gegenwärtig leichtes Spiel, Anleger mit hohen Renditeversprechen und anderen Tricks in die Falle zu locken. Nach der polizeilichen Kriminalstatistik ist Anlagebetrug zwar leicht rückläufig (2016 um 2,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr; 7.815 Fälle 2016 gegenüber 8.022 Fällen 2015) – von Entwarnung kann jedoch keine Rede sein. Der entstandene Schaden ist 2016 sogar um gut acht Prozent auf 356 Millionen Euro angestiegen (2015 waren es noch 328 Millionen Euro). Hinzu kommt die Dunkel­ziffer nicht erfasster Fälle.

  • Zeitdruck: Zuweilen werden Anleger mit dem Argument unter Druck gesetzt, nur ein sofortiger Entschluss garantiere Spitzengewinne. Doch die Erfahrung zeigt: Übereilte Entscheidungen werden oft bereut. Vor einer Investition sollte man sich immer die Zeit nehmen, um Anbieter und Produkt genau zu prüfen.
     
  • Beratungsprotokoll: Banken und sonstige Finanzdienstleister sind grundsätzlich gesetzlich verpflichtet, ihre Kunden über die Risiken der empfohlenen Produkte aufzuklären und dem Kunden vor Vertragsabschluss ein Protokoll über den Inhalt der Anlageberatung auszuhändigen. Anleger können so noch einmal in Ruhe abwägen, ob die Geldanlage wirklich zu ihrem Anlageziel passt und welche Chancen und Risiken damit verbunden sind.
     
  • Seriosität des Anbieters: Lassen Sie sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Anbieters zeigen und achten Sie auf Haftungsbeschränkungen durch die Gesellschaftsform (z.B. erkennbar an der Bezeichnung „Limited“). Haben Vertragspartner oder Vermittler ihren Firmensitz in exotischen Ländern, sollten Sie hellhörig werden, denn im Schadensfall sind rechtliche Ansprüche nur schwer durchzusetzen.
     
  • Verbotener Telefonkontakt: Obwohl gesetzlich verboten, knüpfen viele unseriöse Anbieter erste Kundenkontakte per Telefon. Die Zahl unerlaubter Werbeanrufer ist im vergangenen Jahr sogar weiter gestiegen. Am besten sollte man sich erst gar nicht auf ein Gespräch einlassen.
     
  • Unrealistische Gewinnversprechen: Astronomische Renditeversprechen blenden Anleger und können zu unbedachten Entscheidungen verleiten. Orientierungshilfe: Sichere Anlagen bringen derzeit zwischen null und einem Prozent Zinsen. Zehnjährige Bundesanleihen rentieren aktuell mit etwa 0,3 Prozent. Höhere Renditen bedeuten auch mehr Risiko.
     
  • Überzogene Provisionsregelungen: Ungewöhnlich hohe Provisionsforderungen sprechen dafür, dass der „Anlagespezialist“ eher den eigenen Gewinn als den des Kunden im Sinn hat. Werden Provisionen gar verschleiert oder falsch ausgewiesen, sollte man unbedingt von der Offerte Abstand nehmen.
     
  • Verdächtige Folgegeschäfte: Um potenzielle Anleger zu ködern, schütten die vermeint­lichen Geldprofis aus einem ersten Kontakt mit geringem Kapital­einsatz stattliche Gewinne aus. Meist wird dem Kunden gleich­zeitig ein neues Angebot unterbreitet, allerdings unter Einsatz einer erheblich größeren Anlagesumme. Auch hier gilt: Nicht auf solche Angebote einlassen.

Wer dennoch auf einen Anlagebetrüger hereingefallen ist, sollte umgehend Anzeige bei der Polizei erstatten.

Der Bundesverband deutscher Banken weist auf einen weiteren Trick von unseriösen Anbietern hin. So schütteten manche nach einem ersten Kontakt mit geringem Kapitaleinsatz hohe Gewinne aus. Gleichzeitig werde dem Kunden dabei ein weiteres Angebot gemacht, bei dem er deutlich mehr Geld einsetzen solle. Dies ist ein Warnzeichen, Kunden sollten sich nicht darauf einlassen.

www.w-t-w.org/en/isabell-hemming

Italien: Der Prozess zur trattativa – Ein Staat prozessiert sich selbst


Geschichte des Prozesses: Ilfattoquotidiano

In Palermo hat sich am 16.4. das Gericht zur Beratung der Urteile im Prozess zur trattativa zurückgezogen.

Schon vor zehn Jahren nahmen die Ermittlungen zur Beziehung des italienischen Staates zur Mafia ihren Anfang, der Prozess selber läuft seit 4 Jahren und 11 Monaten und hat viele Einzelheiten und Zusammenhänge ans Licht befördert, dadurch dass einige Politiker urplötzlich sich an Dinge erinnerten, von denen sie zuvor behauptet hatten, sie hätten sie komplett vergessen. Der Prozess hat historische Bedeutung allein durch die Tatsache, dass neben Mafiabossen drei hochrangige Vertreter der Carabinieri und ehemalige Minister auf der Anklagebank sitzen. Ihnen wird vorgeworfen, ein staatliches Gremium bedroht oder erpresst zu haben. Staatsvertreter sollen die Verhandlungen mit Cosa Nostra aufgenommen haben, um die Phase der blutigen Mafia-Attentate zu stoppen. Die Mafia wollte eine Revision der Urteile des Maxiprozesses erreichen, die im Januar 1992 definitiv bestätigt worden waren. Außerdem verlangte sie Reformen bei den Haftbedingungen, vor allem natürlich die Abschaffung des Artikels 41 bis, der Isolationshaft für gefährliche Mafiabosse vorsieht.

Das Gericht sollte jetzt beurteilen, ob diese Verhandlungen von Vertretern der Institutionen mit Cosa Nostra ein Straftatbestand sind.

Der Prozess ist verschiedenen Funktionsträgern der italienischen Politik ein dauernder Stachel im Fleische gewesen, darunter auch dem ehemaligen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano, der 1992 Parlamentspräsident gewesen war. Der damalige Innenminister Nicola Mancino, angeklagt wegen Falschaussage, beklagte sich zunächst in den Medien über die Unverschämtheit, dass er in gleicher Weise wie „das Gesocks“ (er meinte die Mafiabosse) behandelt werde, und wandte sich dann um Hilfe an den Hausjuristen des Staatspräsidenten Giorgio Napolitano Ambrosio und an den Präsidenten selbst. Die Staatsanwaltschaft hatte die Telefonate des Angeklagten Mancino abgehört und dann festgestellt, dass am anderen Ende der Leitung der Hausjurist bzw. der Staatspräsident selber zu hören war. Es folgte eine Phase, in der Napolitano alle Hebel in Bewegung setzte, um die Vernichtung dieser Abhörprotokolle durchzusetzen. Und es ist ihm auch gelungen. Der ehemalige Minister Mancino hat jetzt das Schlusswort im Prozess gesprochen. Er gab zu, dass die bisher von ihm stets geleugnete Begegnung mit Paolo Borsellino am 1. Juli 1992 stattgefunden hat und fügte noch hinzu, es wäre wohl besser gewesen, wenn er nicht mit Ambrosio und Napolitano telefoniert hätte.

Lange wurde erbittert gestritten, ob es diese Verhandlungen überhaupt gegeben hat. Und obwohl ein Gericht in Florenz (2011) im Prozess zum Bomben-Attentat bei den Uffizien bestätigt hat, dass die Ermittlungen genau dies ergeben hätten: Es hat die Verhandlungen gegeben, sprachen Nachrichtensprecher und Leitartikler stets von den „angeblichen“ Verhandlungen.

Zwei bekannte Mafia-Experten der Universität Palermo, der Historiker Salvatore Lupo und der Jurist Giovanni Fiandaca, veröffentlichten sogar gemeinsam ein Buch, indem sie den Staatsanwälten des Prozesses eine unsaubere und unwissenschaftliche Rekonstruktion der Ereignisse vorwarfen und behaupteten, es gebe keine Beweise, die trattativa habe es nicht gegeben.

Insgesamt muss man feststellen, dass die überwiegende Mehrheit der italienischen Medien zwei Strategien im Umgang mit dem Prozess verfolgt hat: Entweder das totale Schweigen oder der Versuch, Anklage und Staatsanwälte lächerlich zu machen mit Bezeichnungen wie z.B. „Die trattativa? Ein Schwachsinn von Verrückten“ (una boiata pazzesca).

Ein Porträt des leitenden Staatsanwaltes Di Matteo und seiner schwierigen Situation wurde von einem ausländischern Sender (Aljazeera) gedreht, Vergleichbares in der italienischen Medienlandschaft? Fehlanzeige!

Auch jetzt äußern sich verschiedene Medien äußerst kritisch. Hier zwei Beispiele: Die Zeitung il foglio meint, die Rekonstruktion der Anklage zeichne nur das Bild, das die Öffentlichkeit sowieso glauben wolle.

Und in Panorama liest man, dass das Gericht schwerlich die Arbeit der Ankläger in Frage stellen werde, da sie mit den Namen von Roberto Scarpinato, Antonio Ingroia und Nino Di Matteo verbunden sei – drei Staatsanwälte, die für ihre Antimafia-Ermittlungen und –Prozesse über die Grenzen Italiens hinaus bekannt sind. Der Autor des Artikels wettet abschließend, dass es deshalb eine Verurteilung geben werde. Der zu erwartende Freispruch werde damit an die Richter der zweiten Instanz delegiert.

Übrigens: Die Aufregung um die offenen Fragen, die mit den Attentaten von 92-93 trotz aller Ermittlungen noch verbunden sind, wird sich auch weiter nicht legen. Die Staatsanwaltschaft Florenz hat Ermittlungen gegen Silvio Berlusconi und Marcello Dell’Utri, Mitbegründer der Berlusconi-Partei und seine rechte Hand, wegen der Attentate von 93 wieder aufgenommen: Anlass sind Aussagen des Kronzeugen Spatuzza, der von einem Treffen mit seinem Boss Giuseppe Graviano in Rom berichtet. Graviano sei überglücklich gewesen und habe unter anderem gesagt, dank Dell’Utri habe man ganz Italien in der Hand, und es sei Berlusconi – „der von Canale 5“ (Name eines Fernsehsenders von Berlusconi) gewesen, der ihn um „diesen“ Gefallen gebeten habe. Nun wird untersucht, ob mit „diesem“ Gefallen die Attentate in Mailand, Florenz und Rom von 1993 gemeint waren.

Die Urteile in erster Instanz vom 20.4.2018

In sieben Minuten und 50 Sekunden wurde das Urteil durch den Richter Alfredo Montalto verlesen:

  • Die Verhandlungen (ab dem Jahr 1992) zwischen Cosa Nostra und italienischen Staatsvertretern hat es gegeben
  • Die Verhandlungen wurden von Mafiabossen (Totò Riina, inzwischen verstorben, Bernardo Provenzano, inzwischen verstorben, Antonino Cinà und Leoluca Bagarella) drei hochrangigen Carabinieri (Mario Mori, Antonio Subranni, Giuseppe De Donno) und dem Gründer der (Berlusconi-)Partei Forza Italia (Marcello Dell’Utri) geführt.
  • Während Cosa Nostra Richter wie Giovanni Falcone und Paolo Borsellino und wehrlose Bürger in Florenz und Mailand ermordete, haben Vertreter der Institutionen den Kontakt zu Cosa Nostra gesucht. Dabei sei Marcello Dell’Utri der Verbindungsmann zwischen Mafia und dem Politiker Berlusconi gewesen.
  • Der Vorwurf, ein staatliches Gremium erpresst oder bedroht zu haben, bedeutet, dass Cosa Nostra die damalige Regierung mit der Ankündigung weiterer Bomben und Attentate unter Druck gesetzt und gefordert hat, den Kampf gegen die Mafia zurückzufahren. Diese Drohungen waren gerichtet an die Regierungen der Jahre 92 bis 94, d.h. die Regierungen Amato, Ciampi und Berlusconi.
  • Die Verurteilungen: Die Carabinieri Mori und Subranni bekommen 12 Jahre, das gleiche Strafmaß erhalten der ehemalige Senator Marcello Dell’Utri und der Mafiaboss Cinà; 8 Jahre für den ehemaligen Carabinieri-Kapitän De Donno, 28 Jahre für den Mafiaboss Bagarella.
  • Verjährung für den Mafia-Kronzeugen Giovanni Brusca; der Innenminister des Jahres 1992 Nicola Mancino, der wegen Falschaussage angeklagt war, wird freigesprochen.
  • Einer der Hauptzeugen des Prozesses, Massimo Ciancimino, Sohn und Sekretär seines wegen Mafia verurteilten Vaters Vito Ciancimino, ist wegen übler Nachrede zu 8 Jahren Gefängnis verurteilt.
  • Bagarella, Cinà, Dell’Utri, Mori, Subranni und De Donno sind außerdem zur Zahlung von insgesamt 10 Millionen Euro an den italienischen Ministerrat verurteilt, der ebenfalls als Kläger im Prozess aufgetreten ist…Ilfattoquotidiano

Nach der Verkündigung der Urteile: Die Staatsanwälte widmen den Prozess Giovanni Falcone, Paolo Borsellino und allen unschuldigen Opfern der Mafien und nehmen den Applaus des Publikums entgegen

Mafia-Käufe lassen Immobilienpreise explodieren

Geldwäsche

Sabina Wolf berichtet: Die italienische Mafia drängt immer mehr in die deutsche Wirtschaft – in den Immobilienmarkt zum Beispiel. Warnmeldungen kommen auch von Expertenseite aus Rom: Der kriminelle Ursprung des Geldes könnte so kaschiert werden. Der Bayerische Verfassungsschutz sieht den Staat bedroht.
„Operation Stige“ hieß der massive Schlag gegen den `Ndrangheta-Clan Farao-Marincola Anfang des Jahres. Es gab 169 Festnahmen. Die meisten, 155, auf italienischem Boden, aber auch 14 in Deutschland. „Stige“ ist das italienische Wort für Styx – so heißt ein Fluß der Unterwelt in der griechischen Mythologie.

Mit der Großrazzia gegen die italienische Mafia ist deutlich geworden: die kriminelle Unterwelt hat sich tief im Wirtschaftsleben festgesetzt. „Sie sind eine Wirtschaftsmacht“, sagt Nicola Gratteri, Antimafia-Staatsanwalt in Catanzaro in Süditalien.

Italiens Mafia investiert in deutsche Immobilien:
Schutzgelderpressung, Frauenhandel, Schleuserei, Drogen: Kriminalität schafft illegale Einnahmen und die werden in die legale Wirtschaft geschleust. Auch in Immobilien, wie die „Operation Stige“ offenbart: es tauchen vier Beschuldigte in den Ermittlungen auf, die für „bestimmte Investitionen in Immobilien“ („specifici investimenti in proprietà immobiliari”) zuständig sind. Und auch bei einer Telefonüberwachung während einer anderen Anti-Mafia-Operation stoßen die italienischen Ermittler auf eine Spur über Investitionen in deutsche Immobilien.

BR-Recherchen auf Basis zahlreicher offizieller Berichte aus Italien, vom EU-Parlament und der EU-Kommission, belegen alle: die italienische organisierte Kriminalität investiert ihr Geld in Deutschland, auch in Immobilien. Auf BR-Anfragen bei deutschen Ermittlungsbehörden und Ministerien, wo die Mafiagelder investiert sind, heißt es mal, man habe keine Erkenntnisse. Mal aber auch, es seien Investitionen in Immobilien bekannt. Wie kann die Mafia hier ungehindert investieren?

Warum die BRD ein beliebter Anlageort für kriminelles Geld ist:
Der Bayerische Verfassungsschutz beobachtet die Italienische Organisierte Kriminalität, kurz IOK, seit Jahren. Der Präsident Burkhard Körner weist auf deren astronomisch hohen Jahres-Umsätze hin: 140 Milliarden Euro. Deutschland sei als Anlageort attraktiver als Italien, wegen stabilerer Verhältnisse und auch wegen höhrerer Renditen im Immobilienbereich. Und es gibt unterschiedliche Rechtssysteme, die die Anlage von Mafia-Geldern in Deutschland begünstigen.

„Es gibt in Deutschland eine kleine Beweislastumkehr, die allerdings nicht so weit geht wie in Italien. In Italien muss die Legalität des Geldes nachgewiesen werden. Das ist in Deutschland nicht der Fall, sondern da müssen erstmal Tatsachen vorhanden sein, die für die Illegalität des Geldes sprechen, bevor dieses eingezogen werden kann. Und deswegen ist es sehr schwer für uns, für die Polizei auch, kriminell erlangtes Geld und legal erlangtes Geld voneinander zu trennen, und die kriminelle Herkunft letztlich auch nachzuweisen.“ Burkhard Körner, Präsident Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz

Und es gibt weitere Unterschiede: In Italien dürfen Gespräche der Mafia abgehört werden. In Deutschland fast nie. In Italien muss der Investor nachweisen, dass das Geld aus einer legalen Quelle stammt. In Deutschland fast nie. Schon Mitglied der Mafia zu sein ist in Italien strafbar. In Deutschland nicht.

136 Personen mit Mafiaverbindung in Bayern:
Auch für den Bayerischen Landtag ist die Mafia kaum ein Thema. Auf Anfrage an die Staatsregierung erfuhr die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze zwar nichts über Investitionen, aber über die große Zahl der Personen mit Mafiabezug im Freistaat. „Ich fand es erschreckend und auch richtig krass, dass wir 136 Mafiosos in Bayern haben, mit dauerhaftem Wohnsitz“, so Schulze.

136 Personen gibt es, die die Sicherheitsbehörden als gefährlich einstufen. Einige von ihnen mischen im Immobiliengeschäft mit: das sagt ein Informant, den wir in München bei unseren Recherchen für das BR-Magazin mehr/wert treffen. Er kennt einen Teil der Szene im süddeutschen Raum. Die Mafia kaufe Wohnungen und lege Geld in Immobilienfonds an.

Experte aus Rom warnt:
Francesco Forgione, der ehemalige Vorsitzende der Anti-Mafia Kommission im italienischen Parlament, appelliert dringend an Deutschland, die Kapitalströme zu untersuchen. Denn nach seinen Informationen haben italienische Clans in Deutschland in private – und Gewerbeimmobilien gigantisch hohe Beträge investiert.

„Wenn wir das nicht angehen, dann passiert doch folgendes: Da gibt es Länder, die zwar keine Steuerparadiese sind, aber die Bedingungen schaffen, mit denen es für die Mafia einfacher ist, ihre Gelder zu investieren. Die verlassen den kriminellen Kreislauf und werden dann sozusagen ‚legal‘. Wir müssen da sehr aufpassen. Denn das Risiko besteht darin, dass innerhalb weniger Jahre der kriminelle Ursprung dieser Gelder sich verliert und diese Gelder völlig ‚reingewaschen‘ werden.“

Francesco Forgione, Ex-Vorsitzender der Anti-Mafia Kommission im italienischen Parlament

Wenn kriminelle Organisationen auf dem Wohnungsmarkt mitbieten, können Bürger kaum mithalten. Europol macht die organisierte Kriminalität für steigende Wohnungspreise mit verantwortlich.
Bayerischer Verfassungsschutz sieht Angiff auf Staatswesen

Kriminelles Geld in der legalen Wirtschaft: für den Verfassungsschutz ist das ein Angriff auf die freie Marktwirtschaft und noch viel mehr.

„Dadurch werden natürlich durch solche parallelen Strukturen die Grundrechte der Bürger gefährdet. Und letztlich ein Staatswesen getragen durch Gewalt, durch Korruption geschaffen, das mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht in Einklang zu bringen ist.“ Burkhard Körner, Präsident Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz

Die „Operation Stige“, die groß angelegte Razzia gegen die organisierte Kriminaliät, hat gezeigt: Italiens Ermittler wollen Geldwäsche unterbinden. Doch solange es deutschen Behörden nicht gelingt, Mafia-Investitionen zu verhindern, bleiben deutsche Immobilien ein Anziehungspunkt für kriminelles Geld. Und das geht auch zu Lasten der Bürger…
Von: Sabina Wolf

Journalisten, die ihre Mafia-Recherchen veröffentlichen, leben gefährlich

Anlässlich erneuter Morddrohungen gegen zwei italienische Journalisten lädt Lilli Gruber die Betroffenen und einen weiteren Mafia-Experten auf dem kommerziellen Kanal La7 zum Interview.

Video der Sendung:

Saverio Lodato, einer der größten Mafia-Experten in Italien und Kolumnist der Zeitung Antimafiaduemila, betont , dass nicht nur die Mafien großes Interesse daran hätten, Medienvertreter zum Schweigen zu bringen. Auch andere Kräfte, die nicht wollen, dass ihre Geschäfte öffentlich gemacht werden, seien am Schweigen der Medien interessiert. Gefährlich wird es dann, so Lodato, wenn ein Journalist zu begreifen beginnt, worüber er eigentlich Recherchen anstellt, und die Entscheidung trifft, nicht so zu tun, als habe er nichts begriffen.

Er erinnert an 9 Reporter in Sizilien und Neapel, die in den letzten 30, 40 Jahren für ihre unbequemen Artikel mit dem Leben bezahlt haben. Die Genannten und die im Studio anwesenden Publizisten gehörten zu einer besonderen Kategorie: zu der der investigativen Journalisten, die mit der Kraft der Worte gegen die Macht der Waffen, der Erpressung und der Geschäfte anschrieben. (…) Glücklicherweise habe der italienische Staat inzwischen verstanden, dass solche Presseleute geschützt und mit Personenschutz ausgestattet werden müssen.

Paolo Borrometi, Präsident des Vereins Articolo 21 (der italienischen Verfassung, der die Meinungsfreiheit garantiert) und Journalist, lebt seit fünf Jahren mit Eskorte. Vor kurzem wurde ein Gespräch zwischen Mafiosi abgehört, aus dem hervorging, dass Vorbereitungen für ein Attentat auf ihn im Gange sind: „Lass ihn umbringen, du wirst sehen, eine Leiche ab und zu ist ganz nützlich für uns“. Der Grund? Er hatte seine Recherchen über den Verband IPG, der die Geschäfte mit Pachino-Tomaten organisiert, veröffentlicht: Zum Verband gehörte ein zu 23 Jahren verurteilter Mafia-Boss, der inzwischen aus dem Konsortium entfernt wurde. Sein Sohn, dem der Boss das Konsortium schon überschrieben hatte, wurde inzwischen ebenfalls festgenommen. Borrometi betont: „Hier hat der italienische Staat gewonnen!“ In einem Land, wo man sich ständig über die Abwesenheit des Staates beklage, müsse man das wirklich hervorheben.

Auch Federica Angeli, Journalistin der Repubblica, lebt seit fünf Jahren in ständiger Begleitung von Bodyguards, denn sie hat mehrere Artikel über die Infiltration Ostias (bei Rom) durch die lokalen Clans veröffentlicht. Vor kurzem erhielt sie wieder einmal einen Umschlag mit einem Projektil. Sie erzählt, dass nach dem Angriff auf einen Reporter des Staatsfernsehens RAI im November 2017 zwar 32 Clanmitglieder festgenommen worden seien, doch habe sich an der Rolle der Clans in Ostia nichts geändert. Ihrer Meinung nach ist es nötig, die Mentalität der Leute zu ändern. Investigative Berichterstattung sei enorm wichtig, denn sie könne zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft führen, aber den Kampf gegen Mafia und Korruption allein den Gerichten und der Politik zu überlassen, sei bei weitem nicht genug. Hier müsse sich jeder einzelne engagieren.

In die häufigen Klagen über das erlahmte Engagement der Zivilgesellschaft will Saverio Lodato abschließend nicht einstimmen. Als die Politik in den Jahren 92-94 Ernst gemacht habe mit ihrem Kampf gegen die Mafien, hätte die Gesellschaft mitgezogen. Doch seit der Aussage des Ministers Lunardi 1994, man müsse „eben lernen, mit der Mafia zusammenzuleben“, sei das Engagement nach und nach erlahmt. Er ist aber überzeugt, sobald die Politik dem Kampf gegen Mafia und Korruption absolute Priorität einräumt, leistet auch die Gesellschaft wieder ihren Beitrag.

Inzwischen haben verschiedene bedrohte Journalisten und der Libera-Gründer Don Ciotti einen Appell an alle Medienvertreter gerichtet: In der Woche vom 25. April bis zum 1. Mai soll in einer außerordentlichen Medienkampagne das Thema Mafia und Korruption ins Zentrum des Interesses von Medien und Politik gerückt werden.

Man darf gespannt sein, wie viele Medien diesem Aufruf folgen!

 

Transparenzregister

Das Transparenzregister nach § 18 des Geldwäschegesetzes (GwG) ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Verzeichnis, das erstmals zum 1. Oktober 2017 die wirtschaftlich Berechtigten von Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften und Stiftungen, die auf dem Finanzmarkt agieren, erfasst und zugänglich macht. Es soll dazu dienen, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern.…EU- Regeln

Ein neues Transparenzregister soll offenlegen, wer die verborgenen Eigentümer deutscher Firmen sind und damit bei der Bekämpfung der Geldwäsche helfen. Aber die Regierung macht den Bürgern die Einsicht in das Register schwer – zur Freude von Lobbyisten.

Das Register soll also für mehr Durchblick sorgen, verborgene Finanzströme erschweren und Geldwäsche bekämpfen helfen. Dennoch ist das Verzeichnis in seiner deutschen Version kein Musterbeispiel an Offenheit. Anders als beispielsweise die britische Regierung entschied die Große Koalition im vergangenen Jahr bei der Umsetzung der EU-Vorgaben, der breiten Öffentlichkeit den Zugang zu dem Register zu verwehren.

Das „Netzwerk Recherche“ kritisierte das bereits damals. Journalisten oder auch Vertreter von NGOs können jetzt zwar im Einzelfall Einsicht in das Verzeichnis beantragen. Sie müssen jedoch in jedem Einzelfall ein „berechtigtes Interesse“ nachweisen. Das können zum Beispiel Indizien für mögliche Unregelmäßigkeiten sein, die auf den Verdacht von  Geldwäsche oder Korruption verweisen.

Transparenzregister: Einsichtnahme und Eintragungen

Europa verliert den Kampf gegen die Geldwäsche

Europa verliert durch fehlende Kommunikation den Kampf gegen die organisierte Kriminalität.

Europol-Direktor Rob Wainwright warnt vor der zunehmenden Finanzkriminalität.

Rund 400 professionelle Geldwäscher verursachen in Europa laut einer aktuellen Europol-Auswertung finanzielle Verluste in Milliardenhöhe, berichtet Politico. In 99 Prozent der Fälle bleibt die Geldwäsche von den Strafverfolgungs- und Finanzbehörden unentdeckt. Ursächlich dafür sind fehlende Absprachen zwischen den einzelnen europäischen Staaten, ist Europol-Chef Rob Wainwright überzeugt. Im internationalen Kampf gegen Geldwäscher arbeite jeder Staat für sich. Großbritanniens ist bislang Hauptakteur bei Europol. Nach dem Brexit könnten der EU wichtige Daten über illegale Finanztransaktionen verloren gehen.

Laut Europol werden zwischen 0,7 und 1,2 Prozent, rund 29 Milliarden Euro, des jährlichen Bruttoinlandsproduktes der EU als verdächtige finanzielle Aktivitäten eingestuft. Im vergangenen Jahr wurden den nationalen Behörden zum Kampf gegen Geldwäsche, den Financial Intelligence Units (FIU), rund eine Million Fälle von Banken gemeldet. Hierbei handelte es sich um Finanztransaktionen bei denen Bankmitarbeiter den Verdacht hatten, dass Geld aus illegalen Geschäften getauscht oder zur Unterstützung von terroristischen Vereinigungen benutzt werden sollte. Über 65 Prozent der Fälle wurden in zwei Staaten gemeldet: Großbritannien und den Niederlanden.

In der EU hat jeder Mitgliedsstaat seine eigene FIU. Dessen Aufgabe ist es, im Auftrag von Staatsanwaltschaften illegale Finanztransaktionen aufzuspüren. Eine Koordinierung durch eine übergeordnete Behörde auf EU-Ebene gibt es nicht. Nach Ansicht von Wainwright sind die fehlenden interstaatlichen Absprachen der Grund, warum die Aufklärungsrate seit Jahren stagniert. „Die Banken geben jedes Jahr 16 Milliarden Euro aus, um ihre Compliance-Regeln in der Verhinderung illegaler Finanzgeschäfte zu verbessern und wir spüren gerade einmal ein Prozent der kriminellen Vermögenswerte auf“, so Wainwright….Europa verliert den Kampf gegen die Geldwäsche/ Europe is losing the fight against dirty money

Eines der Grundprinzipien der EU ist es, allen Mitgliedsstaaten die Hoheit über Finanzsouveränität zu garantieren. Seit dem vergangenen Jahr gibt es in Frankreich Bestrebungen, im Rahmen einer EU-Reform auch den Finanzsektor zu vereinheitlichen. Im März stellte Staatspräsident Emmanuel Macron gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Reformpläne vor und sprach sich für eine Schaffung eines europäischen Finanzministers aus. Im Juni wollen sie konkrete Reformpläne vorlegen. In der EU wird das Ansinnen Macrons bislang mehrheitlich abgelehnt.

Zu einem Zentrum für internationale Geldwäscher könnte sich jedoch Großbritannien nach dem Austritt aus der EU entwickeln.

Bankenaufseherin beklagt Lücken bei der Geldwäsche-Bekämpfung. Drei Fälle von Geldwäsche hat es in der Euro-Zone 2018 schon gegeben. Die oberste EZB-Bankenaufseherin beklagt nun Schwachstellen bei der Bekämpfung….
Daniele Nouy EZB Bankenaufseherin.

(Foto: K.-U. Häßler – Fotolia)

Der Libor ist manipulationsanfällig

Eine schreiende Warnung. In den letzten Jahren gab es nicht nur immer wieder Klagen in Sachen Libor* Skandalen, Finanzaufseher drängten auf ein neues System oder auf die Abschaffung. Das waren Machenschaften während der Finanzkrise, die die Finanzwelt erschütterten.

Der Anstieg des Referenzzinses Libor deutet strukturelle Probleme an. Der Referenzzinssatz dient im internationalen Bankgeschäft als Grundlage für zahlreiche Finanzprodukte einschliesslich Hypotheken und Finanzderivate.

Andreas Uhlig berichtet: Innerhalb eines Jahres hat sich der US-Dreimonate-Libor-Satz auf über 2,3% praktisch verdoppelt. Dieser kräftige Anstieg ist von Bedeutung, weil der Libor der Referenzzinssatz im internationalen Bankgeschäft ist und als Grundlage für zahlreiche Finanzprodukte einschliesslich Hypotheken und Finanzderivate dient. Um welche Grössenordnung es dabei geht, deuten neue Berechnungen des von Banken und anderen Marktteilnehmern gebildeten Alternative Reference Rate Committee (ARRC) an: Im US-Markt basieren variabel verzinste Derivate und Kredite im Wert von rund 200 Bio. $ auf dem Libor, was einen Viertel über früheren Angaben liegt. Derivative machen geg en 95% dieser Summe aus.

Der im Herbst 2015 begonnene Anstieg hat jetzt das höchste Niveau seit über neun Jahren erreicht. …Eine schreiende Warnung
Das Rätsel um den ganz besonderen Zins

*Libor oder LIBOR ist die Abkürzung für: London Interbank Offered Rate, in London täglich festgelegter Referenzzinssatz im Interbankengeschäft.