Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in der Europäischen Union

Symposium der Kripo-Akademie des BDK, 23/24. Oktober 2019, Bergisch Gladbach, Leitung: Sebastian Fiedler /
BDK | Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in der Europäischen Union / Seminarprogramm-Geldwäsche

Aus meinen Notizen zu einigen, subjektiv ausgewählten Vorträgen (des ersten Tages)

Persönliche Anmerkungen: Kursivdruck, wichtige Aussagen der Referenten: Fettdruck

  1. Neue Wege der Justiz beim Kampf gegen OK – von Italien lernen?

Referent: Peter Biesenbach, MdL, Minister der Justiz des Landes NRW

„Von Italien lernen“ – für die meisten Deutschen ist diese Vorstellung eine Provokation, weil man doch zu wissen glaubt, dass in Italien nichts funktioniert. Er aber sieht darin keine Provokation, denn bei der Mafia-Gesetzgebung und – Bekämpfung ist Italien Vorbild; aus Respekt vor dem Thema habe er beschlossen, den ganzen Tag am Kongress teilzunehmen.

Historischer Überblick über Italiens Kampf gegen die Mafia. Der Minister zitiert am Ende Europol 2019: Die Mafiagruppen stellen die größte Gefahr für Europa dar. Daten des BKA – Mafia-Verfahren gibt es in D. höchst selten, da Mafia-Hintergrund von Straftaten meist nicht erkannt wird. Er zitiert Roberto Scarpinato, Interview der SZ von 2010: Worauf gründet der Erfolg der Mafien? Auf finanzielles Gewinnstreben folgt Einflussnahme in der Wirtschaft, dann Einflussnahme in der Politik. Süddeutsche.de

Vergleich italienische und deutsche Gesetzgebung: Clan-Kriminalität in NRW ist ein großes Problem; in Essen zweitgrößte Comunity von kriminellen Clans. Durch jahrelange Missachtung des Phänomens entwickelt sich in der Bevölkerung eine Ablehnung des Rechtsstaates, aber, so Biesenbach: „Wir Politiker in der EU sind zum Handeln verpflichtet“.

Italienische Gesetzgebung, v.a.§ 416 bis, der die Zugehörigkeit zur Mafia unter Strafe stellt. Der dt. §73a („Erweiterte Einziehung von Taterträgen“) wurde 2017 reformiert – Reicht das vorhandene Gesetz nicht aus? Der it. § 416 bis sieht Strafen nicht unter 10 Jahren vor – dt. Gesetz: Höchststrafe 5 Jahre. Der entscheidende Unterschied jedoch ist, dass der italienische Ansatz strukturbezogen ist, während der deutsche Ansatz (§129, Bildung einer kriminellen Vereinigung) einzelfallbezogen ist, und so sind in D weniger als 10 Personen auf Grund dieses Gesetzesparagraphen verurteilt worden! – Hier müsse man dem italienischen Vorbild folgen, dies bedeute jedoch eine Änderung in der Ermittlungskultur (übrigens: auch KHK Wolfgang Rahm vom LKA Stuttgart beklagt seit Jahren, dass Polizei-Ermittlungen in D immer delikt- und nicht strukturbezogen sind). „Wenn man Mafia wirklich schädigen will, muss man die Struktur angreifen!“ Beispiel aus Italien: Selbst die Festnahme Totò Riinas (der Boss der Bosse) hat der Organisation keinen Schaden zugefügt, jeder festgenommene Boss kann durch andere ersetzt werden, (Riina wurde von Provenzano ersetzt)… Deshalb muss Deutschland eine Änderung der Ermittlungskultur vornehmen.

Gesetz zur Geldabschöpfung: wird häufig als „Beweislastumkehr“ zitiert: Das heißt, der Beklagte muss beweisen, woher das Geld stammt, mit dem er Güter erworben oder Geld investiert hat. In Italien wird dies nicht nur repressiv, sondern auch präventiv gehandhabt. Es genügt ein Missverhältnis zwischen Besitz und deklariertem Einkommen, dann kann der Besitz präventiv eingezogen werden. – In D: die Gesetzesreform von 2017 zur Geldabschöpfung gibt den dt. Richtern neue Möglichkeiten zur Beschlagnahme, allerdings „ist der Anwendungsbereich bei uns noch sehr eingeschränkt“. Hier müsse man neue Wege gehen.

Prozessmaxime in D.: Untersuchungsgrundsatz (verpflichtet die Strafverfolgungsorgane zur Untersuchung eines Straftatbestands von Amts wegen – in I: Verfügungsgrundsatz (d.h., wenn ich es recht verstanden habe, dass die Staatsanwaltschaft Herrin des Verfahrens ist und Maßnahmen, z.B. Abhörmaßnahmen, verfügen kann – welche Bedeutung dieser Unterschied hat, ist mir leider nicht klar.)

Man müsse weg von der Schuldfeststellung zur Ermittlung der Vermögensentwicklung (ist mir ebenfalls nicht klar)

Beispiel Cum-Ex-Prozess in Bonn: Er hat die Zahl der Ermittler massiv aufgestockt und IT-Leute eingestellt, die mit Künstlicher Intelligenz die Datenflut bewältigen können. Er sei entschlossen, wenn eine weitere Zahl von Ermittlern notwendig werde, diese auch einzustellen.

  1. Mafiabekämpfung in der EU heute und morgen – ein Kampf gegen global agierende, kriminelle Konzerne

Referent: Dr. Roberto Scarpinato, Generalstaatsanwalt im Antimafia-Pool der Staatsanwaltschaft Palermo; seit 1989 im Bereich Antimafia tätig, seit 2006 spezialisiert auf Wirtschaftskriminalität und Geldwäsche

Vergleich der Beschlagnahmen in Deutschland und Italien: Allein in Palermo wurden seit 2006 3,5 Mrd. € konfisziert.

Nicht-italienische Zuhörer glauben, ihr eigenes Land sei unangreifbar wegen einer traditionell moralischen Prägung der Gesellschaft und der Institutionen. Er vergleicht die Situation in D mit der in Norditalien: Aber die Prozesse der vergangenen Jahre in Nord-Italien haben bewiesen, dass sich die Mafien auch im Norden fest installiert haben, obwohl man im „sauberen Norden“ davon ausgegangen war, dass man immun sei gegen Mafia-Einflüsse: Aber: Außer Mafiosi aus Süditalien wurden Politiker, Unternehmer, Steuerberater, Anwälte usw. verurteilt. Es entstand eine öffentliche Diskussion: Wie war das bloß möglich? Antwort: Die Mafien haben im Norden ihren modus operandi geändert: Gewaltanwendung wurde auf ein Minimum reduziert, dafür wurden Geschäftsbeziehungen aufgebaut. Dieses Vorgehen hat ein „anthropologisches Desaster“ ausgelöst, d.h. die Leute haben ihre traditionellen Werte aufgegeben.

Häufig wird diese neue Generation der Mafia als colletti bianchi bezeichnet, er bezeichnet sie lieber als „mafia mercatista“ = Unternehmer-Mafia, Mafia als Geschäftsmodell.

Für ihn sei Italien ein internationales Laboratorium, in dem mit besonderen Ermittlungsmethoden das Vorgehen gegen die neuen Mafien erprobt wird, und das sei notwendig, denn die Zahl der kriminellen Gruppen in Europa nimmt rapide zu: Europolbericht 2013: 3600 Gruppen, 2018: 5000 Gruppen.

Historischer Exkurs – Inzwischen gibt es weltweit Millionen „normaler“ Bürger, die die Nachfrage von illegalen Leistungen kreieren: z.B. im Drogenhandel (Studie eines Pharmakonzerns 2019, die auf der Analyse der Abwässer basiert: Beim Konsum von Metamphetaminen liegt Erfurt auf dem 1. Platz, Chemnitz und Leipzig auf Platz 2 und 3 – Konsum verschiedener Drogen: Platz 1 Saarbrücken, Dortmund und Berlin belegen Platz 2 und 3). Der Drogenhandel ist im Moment eines der drei erfolgreichsten Geschäftsmodelle der Mafia.

Zweites und drittes Geschäftsmodell sind das Glücksspiel online (von 2007-17 hat sich der Umsatz vervierfacht. Ermittlungen sehr schwierig, da Betriebe und Server im Ausland angesiedelt, z.B. Phoenix Ltd. Malta – mit 700 Wettbüros) und die Prostitution (früher Gebiet von Kleinkriminellen, von Frauen, heute in der Hand der OK, dazu gehört vor allem auch der Bereich Menschenhandel zum Zweck der Prostitution)

Erfolg der Mafia erklärt sich auch durch Nachfrage aus der legalen Wirtschaft, z.B. Beseitigung von Sondermüll, Ausstellung falscher Rechnungen, aus dem Gewinn wird ein Fond gegründet für Korruption, Beispiel: Vent Capo Rizzuto (Kalabrien) The Windpower.net, geführt von dt. Unternehmer

Geldwäsche-Ermittlungen (z.B. gegen Deutsche Bank) haben folgende Hitliste ergeben:
1. Platz Großbritannien, 2. Frankreich, 3. Deutschland

Inzwischen sind in Europa länderübergreifende Ermittlungseinheiten installiert worden (allein 2018 20 solcher Einheiten), ein Beispiel: Die länderübergreifende Polizeioperation Pollino vom Dezember 2018 mit 90 Festnahmen ist Ergebnis einer solchen Ermittlungseinheit. Diese Sondereinheiten werden von Eurojust unterstützt.

Scarpinatos Kritik an der dt. Gesetzesnovelle von 2017: Das Höchststrafmaß von 5 Jahren ist für Mafiosi lächerlich, das sitzen sie mit links ab. (Totò Riina hat einmal gesagt: zum Mafioso-Sein gehört es, dass man 5 oder 6 Jahre im Knast absitzt)

Warum kann Italien so viele Ermittlungserfolge vorweisen? 90% der italienischen Ermittlungen sind erfolgreich wegen der Abhörmaßnahmen. Wenn sich Verdachtsmomente auf Zugehörigkeit zur Mafia ergeben, kann der Staatsanwalt Abhörmaßnahmen anordnen; dann bilden sich zwei Gruppen von Staatsanwälten heraus: Diejenigen, deren Ziel die Festnahme des Mafioso ist, und die anderen, die sich auf die Beschlagnahmung des Kapitals konzentrieren. – In Deutschland Abhören nur bei „Gefahr im Verzug“, aber inzwischen auch bei Ermittlungen wegen Geldwäsche erlaubt. Der italienische Gesetzgeber macht einen Unterschied zwischen der sog. „normalen“ Abhörmaßnahme – dort wird die Privatsphäre des Bürgers geschützt; bei schweren Verbrechen (Mafia, Terrorismus, Pädophilie) sind alle möglichen Abhörmaßnahmen erlaubt. Hinweis Scarpinato: Transcrime.it

  1. Live-Präsentation: Analyse von internationalen Unternehmensstrukturen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung

 

Referent: Dominik Kampmann, Bureau van Dijk – A Moody’s Analytics Company

Das Bureau van Dijk (soll laut Kongressteilnehmern so teuer sein, dass sich Behörden dessen Dienste nicht leisten können) stellt sich vor: Zusammenarbeit mit Polizei + Europ. Kommission und Parlament; ermittelt im Wirtschaftsbereich, wer versteckt sich hinter wem. Man nützt das Rechercheportal Orbis, das Personen- und Unternehmensnetzwerke recherchieren kann. Steht im Dienste von Falcones Leitsatz: Folge der Spur des Geldes, und du findest die Mafia!

  1. Über zwei Jahre neue FIU – ein Zwischenbericht

Referent: Kriminaloberrat Dr. Steffen Barreto Da Rosa – vom LKA Bayern, Mitverfasser des Standardgesetzeskommentars von Herzog zum neuen Geldwäschegesetz.

Die von Wolfgang Schäuble gewollte FIU (Financial Intelligence Unit) ist keine Strafverfolgungs-, sondern eine administrative Behörde.

Er belegt mit mehreren Zitaten, dass die Behörde mit falschen Zahlen arbeitet.

Die Zahl der unbearbeiteten Verdachtsmeldungen liegt aktuell bei 50 000. Da die Behörde keinen Zugriff auf erforderliche Polizeidateien der Bundesländer hat, kann sie die von Schäuble gepriesene Filterfunktion (wertvolle von wertlosen Verdachtsmeldungen filtern) nicht im mindesten erfüllen. Weiterleitung an Ermittlungsbehörden sehr erschwert durch computertechnische Probleme. (Kommentar einer Kursteilnehmerin, die im Geldwäschebereich in einer Behörde tätig ist: „Vorher habe ich meine Verdachtsmeldungen gleich ans LKA und ans BKA geschickt, und die haben sofort angefangen zu ermitteln, jetzt muss ich mich zuerst durchfragen, an welches Bundesland ich eigentlich meine Meldung schicken muss“)

Zur Qualität der Analyseberichte: Er zeigt wieder ein Zitat aus einem Pressebericht, der die sehr schlechte Qualität der Analyseberichte thematisiert.

Die in § 40 des Geldwäschegesetzes genannten Sofortmaßnahmen wurden in 2018 lediglich 13 Mal umgesetzt. Die geforderten Rückmeldungen an die Meldenden funktionieren nicht.

Sein Fazit über die Arbeit dieser Behörde: „mangelhaft“. Seiner Meinung nach (ich habe im Anschluss gefragt, ob seine Meinung eine Einzelmeinung sei, – nein, wird praktisch von allen Experten so gesehen) ist die Konzeption der Behörde „völlig verfehlt. (…) So wird es nicht gelingen, die FIU arbeitsfähig zu machen.“

Von diesem Bericht war ich in zweifacher Hinsicht erschüttert: positiv erschüttert, dass ein Staatsbeamter so deutliche Worte (und Beweise) für das Totalversagen einer staatlichen Behörde findet, total erschüttert von dem inkompetenten Vorgehen der Politik, von der Unverschämtheit, Zahlen zu fälschen, damit das Versagen nicht so offensichtlich wird, von dem mangelnden Willen, beim Auftreten eines gravierenden Fehlers diesen zuzugeben und Abhilfe zu schaffen. Ich habe Barreto Da Rosa gefragt, weshalb bisher nicht erkennbar sei, dass man die Behörde zum Funktionieren bringen wolle – leider mischte sich kurz darauf jemand in das Gespräch ein, das dann wieder in die Details der Verdachtsmeldungen abglitt. 3 Teilnehmer, von mir befragt, meinten alle, es sei ein Image-Problem der CDU bzw. der Groko. Ich selber habe mich bei dem Gedanken überrascht, dass von Anfang an nicht gewollt war, dass die Bekämpfung der Geldwäsche überhaupt stattfindet.

Handelsblatt.com
Spiegel.de
BR.de/
Handelsblatt.com
BR.de
BR.de/
Tagesschau.de

und als kleine humorige Ergänzung: Banking News vom 19.03.2018

  1. Geldwäsche bei Immobilien in Deutschland, eine Studie von Transparency International Deutschland

Referent: Markus Henn:

Kernaussage der Studie: 15-30% der kriminellen Erlöse wandern in den Immobiliensektor

Jährliche kriminelle Erträge sind schwer zu schätzen: Studie der Universität Trento: 17,6 Mrd. – FATF (Financial Action Task Force) 57 Mrd. (in dieser Zahl allerdings Unternehmenssteuer enthalten) Bafin.de

Prof. Unger von der Universität Utrecht nennt in seiner Studie von 2013 3 Ziele für Geldwäsche durch Immobilien: 1. Zur direkten Einspeisung in die legale Wirtschaft z.B. durch Barzahlung beim Erwerb einer Immobilie 2. Zur Verschleierung (z.B. durch sofortigen Wiederverkauf) 3. Zur Integration (als dauerhafte Wertanlage)

Meist erfolgt der Erwerb einer Immobilie anonym, OK hat Agenturen gegründet, die Immobilienkauf zur Geldwäsche professionell organisieren und daran wieder verdienen. Nimmt man alle Schätzungen zusammen, muss man von einer zweistelligen Mrd.zahl ausgehen, vgl. Bussmann, Geldwäscheprävention im Markt 2018 – Univ. Halle/Wittenberg, der Verdachtsmomente bei Maklern auswertet. Gar nichts weiß man, wenn Gesellschaften oder Fonds oder sogar nur Anteile von Fonds als Käufer auftreten.

Desiderate: bei Notaren existiert keine zentrale Datenbank, in der Personen gespeichert wären, gegen die ermittelt wurde; es existiert kein Transparenzregister, wie es in Großbritannien und Dänemark für jedermann im Netz zu benutzen ist.

Von Prof. Bussmann (s.o.) sei eine weitere Studie zur Geldwäsche kurz vor ihrem Abschluss (offensichtlich hält Henn diesen Prof. für einen ausgezeichneten Experten)

Gesamteindruck Klose (Ich war auf dem Kongress als Vertreterin des Organisationsteams des Antimafia-Projekts „Gelebte Zivilcourage – am Beispiel der Antimafiabewegung in Italien“ – (Seminar für Lehrerbildung und Regierungspräsidium Stuttgart).

Gelungener Kongress, denn die Beiträge waren thematisch vielfältig, die Referenten gut vorbereitet und kompetent, das Publikum rekrutierte sich aus verschiedenen Bereichen. Ich fand es nur sehr schade, dass der Beitrag zur Rolle der Zivilgesellschaft weggefallen ist. Dass der Justizminister von NRW von Worten zu Taten schreitet, hat mir gefallen, – bei einer Bundespolitik, die sich zu Taten nicht entschließen kann. Wünschenswert fände ich auch den Kontakt zu Bildungsministerien, damit ältere Schüler über OK und Wirtschaftskriminalität aufgeklärt werden. Meine Erfahrungen in Baden-Württemberg sind ziemlich entmutigend: Abteilungsleiter im Kultusministerium: Mafia/Antimafia, das interessiert doch niemanden! Auskunft vom Redakteur des Landesamtes für politische Bildung Stuttgart: Ich habe mich umgehört – es besteht unter den Kollegen der Fächer Politik, Geschichte, Wirtschaft, Ethik kein Interesse (am Thema). Es kann doch nicht sein, dass nur das (kleine) Fremdsprachenfach Italienisch sich mit diesem Problem befasst?

Motivierend und interessant waren für mich auch die Gespräche mit Teilnehmern und Teilnehmerinnen aus Bereichen, an die ich beim Thema Geldwäsche bisher gar nicht gedacht hatte. Eine Teilnehmerin verabschiedete sich ausdrücklich von mir und bedankte sich für unser Gespräch, denn sie habe sich danach nicht mehr so alleingelassen gefühlt. Ich könnte mir vorstellen, dass das Gefühl, alleingelassen zu sein, von zahlreichen Teilnehmern und Teilnehmerinnen geteilt wird. Auch mir geht es so: Sobald ich über unsere festen Kooperationspartner hinaus (Regierungspräsidium, LKA, Stadtbibliothek, Kollegen an den Schulen) z.B. mit Behörden zu tun habe, stoße ich auf Desinteresse oder völlige Ignoranz. Fast noch schlimmer ist zu beobachten, mit welcher Sturheit in der Politik und in weiten Teilen der Gesellschaft das Problem ignoriert oder geleugnet wird. Deshalb erfüllte der Kongress der Akademie des bdk auch in diesem Sinne eine wichtige Funktion. Dank an Sebastian Fiedler!

Berlusconi schweigt

In Palermo finden zur Zeit die Gerichtsverhandlungen der zweiten Instanz des Prozesses „zur Trattativa“ statt.

Im Urteil der ersten Instanz vom August 2018 wurde „die rechte Hand von Berlusconi“, Marcello Dell’Utri, der schon in letzter Instanz (2014) wegen Beihilfe zur Mafia verurteilt ist und die entsprechende Gefängnisstrafe absitzt, nun erneut zu 12 Jahren Haft für seine Beteiligung an den Verhandlungen zwischen italienischem Staat und Mafia verurteilt.

Dell’Utris Anwälte haben das Gericht aufgefordert, Silvio Berlusconi im jetzigen Verfahren als Zeugen vernehmen zu können.

Zwar geben die Richter der ersten Instanz in ihren „Urteilsbegründungen“ zu, dass es keinen direkten Beweis dafür gebe, dass Dell’Utri die Drohung der Cosa Nostra an B. weitergeleitet habe, „denn nur die beiden kennen den Inhalt ihrer Gespräche, die sie geführt haben, aber es gibt logisch-sachliche Gründe, die keinen Zweifel daran lassen, dass Dell’Utri B. alles berichtet hat, was sich von Mal zu Mal aus seinen Beziehungen zur kriminellen Organisation Cosa Nostra (…) ergeben hat.“

Außerdem betont das Gericht, dass die Vermittlerfunktion Dell’Utris zwischen Cosa Nostra und B. sich nicht nur auf die Zeit beschränkte, in der B. Unternehmer war, sondern „ohne Unterbrechung weiterging“, auch als B. zum Politiker und Regierungschef wurde. Außerdem sei Dell’Utri der Garant dafür gewesen, dass die beträchtlichen Zahlungen, die B. regelmäßig an die Adresse der Cosa Nostra gerichtet hatte, auch weiterhin flossen.

Die Überlegung der Anwälte Dell’Utris dürfte gewesen sein, wenn B. vor dem Gericht behauptet, dass es eine Erpressung des Regierungschefs B. nie gegeben habe, wie er es bei einer Pressekonferenz nach der Urteilsverkündigung im August letzten Jahres getan hat, dann könnte dies die Situation Dell’Utris im Prozess enorm verbessern.

Aber was passiert? B., dem es bisher stets gelungen ist, wegen wichtiger Geschäfte (dieses Mal als Europa-Abgeordneter), sein Erscheinen in dem symbolträchtigen Gerichtssaal, der „Aula Bunker dell‘ Ucciardone“ von Palermo, zu verhindern (1), verbietet Aufnahmen, setzt sich, verkündet, dass er von der Möglichkeit, nichts zu sagen, Gebrauch machen wird – und entschwindet (2). Die Anwälte versuchen noch, das Gericht von der Notwendigkeit zu überzeugen, die o.g. Pressekonferenz im Gerichtssaal vorzuführen, aber vergebens. Das Gericht ist der Meinung, die Aula Bunker sei ein Gerichtssaal und kein Fernsehstudio, und außerdem seien die Aufnahmen schon zu den Gerichtsakten genommen worden, so dass keine Notwendigkeit bestehe, sie während der Verhandlung anzusehen – und das war’s dann!

Hinzuzufügen ist, dass B. die Möglichkeit hatte, nichts zu sagen, da er nicht als Zeuge geladen war. In diesem Fall hätte er aussagen und die Wahrheit sagen müssen. Da man aber in Florenz in einem Verfahren, das mit dem Prozess von Palermo zusammenhängt, gegen ihn ermittelt (3), hatte er die Möglichkeit zu schweigen, was er übrigens in Dell’Utris erstem Verfahren wegen Zusammenarbeit mit der Cosa Nostra schon einmal getan hat.

Deshalb gibt es jetzt mehrere Leute, die hoffen, dass Dell’Utri zutiefst enttäuscht ist über den zweiten Treuebruch seines angeblich so guten Freundes Berlusconi – und seinerseits anfängt zu reden. Das wäre dann der von der italienischen Antimafia so ersehnte Kronzeuge von Staats wegen. Allerdings hat auch der Mafiaboss Vittorio Mangano, der in B.s Villa, angeblich als Stallmeister, beschäftigt war, bis zu seinem Ende geschwiegen und sich mit einem Grabstein zufriedengegeben, auf dem sein Schweigen als große Tugend gelobt wird: „Er weigerte sich, seine Würde gegen die Freiheit einzutauschen.“ Vielleicht ist ja auch Dell’Utri den Gesetzen der Cosa Nostra treu bis in den Tod?…Antimafiaduemila.com

  1. Der Gerichtssaal im Keller des Gefängnisses Ucciardone von Palermo wurde eigens für den sog. Maxiprozess gebaut, in dem 475 Mafiosi angeklagt waren, von denen die meisten 1992 auch tatsächlich verurteilt wurden – zum ersten Mal in der italienischen Justizgeschichte!
  2. Wer sich B.s Auftritt ansehen möchte, wobei nur Schuhe und Hosenbeine zu sehen sind:
  3. In Florenz wird gegen B. wegen der „gesamten Attentats-Strategie der Cosa Nostra“, wegen der drei Attentate in Mailand, Florenz und Rom (1993), wegen des missglückten Attentats auf das Olympiastadion (1994), wegen des missglückten Attentats auf den Fernsehmoderator Maurizio Costanzo (1993) ermittelt – und das sind nur die wichtigsten Anklagepunkte! Nachdem das Verfahren wegen dieser Anklagepunkte schon zweimal eingestellt worden war, haben in jüngster Vergangenheit abgehörte Aussagen eines hochrangigen Mafiabosses (Giuseppe Graviano) zu einer Neuaufnahme des Verfahrens geführt.

„Echte Rache: Ich werde nicht im Knast enden“ #freesilvio

Umweltzerstörung und Entwaldung durch Korruption

Grün ist hier eigentlich nur die Farbe der Islamisten: In Südostasien hat die Natur kaum Anwälte.

Abholzung der Tropenwälder, Überfischung der Meere, Gewässerverschmutzung und Plastikberge – in Südostasien regt das kaum jemanden auf. Das hat nur bedingt mit dem fulminanten Wirtschaftswachstum zu tun – dafür sehr viel mit Korruption, Missachtung von Minderheitsrechten und autoritären Strukturen.

Das Versagen dieser Länder in Umweltfragen hat laut Heng Kiah Chun von Greenpeace Malaysia klare Ursachen, nämlich Inkompetenz, Korruption, Gesetzeslücken und die mangelnde Durchsetzung von Vorschriften. Das Grundübel sei letztlich Bestechlichkeit und die Tatsache, dass man mit Geld hier alle Interessen durchsetzen könne. Es sei denn auch kein Zufall, dass Staaten wie Kambodscha, Laos, Thailand, Indonesien und Malaysia gemäss den Messungen von Transparency International (TI) zu den weltweit korruptesten Ländern überhaupt zählten.

Autokratien statt Demokratisierung
Michael Vatikiotis, der sich nach einer Karriere beim «Economist» und beim Centre for Humanitarian Dialogue (HD) jahrelang mit Demokratie und Konfliktlösung in der Region beschäftigte, kommt zu einem ähnlichen Schluss: Schlechte Politik und «bad governance» zählten in der Region zu den wichtigsten Hindernissen für Reformen. Über allem stünden ferner eine tief verankerte Raffgier («graft and greed») sowie autoritäre Regierungen, denen es immer wieder gelinge, Angst zu säen, Oppositionelle abzuschrecken und Dissidenten notfalls zu eliminieren, schreibt er im jüngst aufgelegten Buch «Blood and Silk»….NZZ.chOrganisierte Kriminalität- Was geht das Frauen an?

Organisierte Kriminalität- Was geht das Frauen an? / PDF

Kampf gegen Geldwäsche stockt

Bei der zur Bekämpfung der Geldwäsche eingerichteten Behörde Financial Intelligence Unit (FIU) staut sich die Arbeit. Die Effektivität des Konzepts steht in Frage.

Mark Fehr berichtet: Die zur Bekämpfung der Geldwäsche eingerichtete Behörde Financial Intelligence Unit (FIU) schiebt immer mehr Verdachtsmeldungen vor sich her. So stapelten sich bei der FIU im September 48229 Meldungen, die von der Behörde zwar eine Erstbewertung erhalten haben, aber noch nicht abschließend bearbeitet wurden. Das waren deutlich mehr offene Posten als im August mit gut 46000 und fast doppelt so viele wie noch im Februar.

Die aktuellen Daten gehen aus einem Nachtrag des Bundesfinanzministeriums zu Antworten auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Markus Herbrand hervor, die der F.A.Z. vorliegen. „Statt besser wird es immer schlechter“, sagt der Finanzpolitiker. Angesichts des über Monate steigenden Pegels offener Meldungen scheint die FIU überlastet zu sein. Vor allem aus dem Finanzsektor gehen immer mehr Verdachtsmeldungen in der Behörde ein. Diese wurde eingerichtet, um den Kampf gegen Terrorfinanzierung und Geldwäsche zu koordinieren….Faz.net
FAZ /PDF

faz.net

 
 

Die Geldwäscherei- Ein Film „Muss“ für jede Frau

„The Laundromat“
eine Empfehlung von W-T-W Women and Finance aus der Film Reihe:
a“MUST“ for every woman
Offizieller „Die Geldwäscherei“ Trailer Deutsch German 2019

In seinem neuen Film erzählt Steven Soderbergh den Skandal um die Panama Papers von 2016 als bitterböse Satire. „The Laundromat: Die Geldwäscherei“ ist ein Einblick in die Welt der Reichen und das System von Offshore-Bankkonten, die dazu dienen, Steuerzahlungen zu minimieren oder ganz zu vermeiden.

Eine Witwe (Meryl Streep) geht einem Versicherungsbetrug nach, wobei ihre Recherchen sie auf die Spur von zwei Anwälten (Gary Oldman and Antonio Banderas) in Panama-Stadt bringen, die das weltweite Finanzsystem ausbeuten.

„Beenden Sie die massive, weltweite Korruption!“

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The Laundromat / „Die Geldwäscherei“  Full Movie

Weiter Filme die wir empfehlen aus der Reihe: A „Must“ For Every Woman

Big Short – Ein „Muss“ für jede Frau

Kernschmelze auf dem Konto

The Big Short“ mit Ryan Gosling: All das hässliche Geld

Ein Film witzig und wütend zugleich und wie auch der Film Wolf of Wall Street ein unbedingtes „Muss“ für jede Frau. Die *Exzesse des internationalen Finanzsystems gehen uns alle an.

Hannah Pilarczyk berichtet: Gleich in der ersten Szene stellt sich Goslings Figur Jared Vennett direkt dem Publikum vor. (Es ist nicht das einzige Mal, dass „The Big Short“ die sogenannte vierte Wand durchbricht. Und es wird jedes Mal lustiger.) Vennett ist einer der wenigen Finanz-Manager, die bereits 2005 ahnen, dass der US-Immobilienmarkt auf hochriskanten Hypotheken beruht und sein Kollaps mittelbar die Weltwirtschaft bedroht. Welche Rolle Vennett im Vorfeld der globalen Finanzkrise von 2008 spielt, zeigt sich jedoch erst später. Denn zunächst nimmt „The Big Short“ Michael Burry (gespielt von Christian Bale) in den Fokus.Burry ist ein tatsächlich existierender Hedgefonds-Manager, der als einer der Ersten auf den Kollaps des Immobilienmarktes wettete (auf Englisch: to short) und damit Gewinne von rund 100 Millionen US-Dollar für sich und rund 700 Millionen für seine Investoren einfuhr.Während die meisten Figuren in „The Big Short“ auf realen Vorbildern basieren, ist Burry der einzige, dessen Name unverändert geblieben ist. Das hindert Christian Bale jedoch nicht daran, Burry als grandios irritierenden Einzelgänger mit Asperger-Syndrom zu spielen, der ebenso gnadenlos auf sein Schlagzeug eindrischt wie er sich Details über die Zusammensetzung von Collateralized Debt Obligations (CDOs) reinzieht.Wenn Sie jetzt nicht mehr wissen, was CDO sind, ist das nicht schlimm. Zum einen wird das im Film erklärt, zum anderen gehört es zum Erzählprinzip von „The Big Short“, seine Zuschauer lieber mit zu viel als zu wenig Details über die Ursachen der Krise zu versorgen. Basierend auf dem gleichnamigen Sachbuch von Michael Lewis haben Regisseur Adam McKay und sein Co-Autor Charles Randolph weder auf die technische Sprache noch auf das Geflecht an Figuren aus der Vorlage verzichtet. So stoßen neben Christian Bale und Ryan Gosling bald noch Steve Carell und Brad Pitt als Hedgefonds-Manager mit jeweils einem Trupp an Finanz-Minions in hellblauen Hemden zum Ensemble hinzu.„Triple A“ noch für den größten Schrott

Unter der verblüffend souveränen Regie von McKay, der bislang für absurde Komödien wie „Anchorman“ oder „Stepbrothers“ bekannt war, und mithilfe der furiosen Schnittkunst von Hank Corwin wird es jedoch nie unübersichtlich, wenn die vier verschiedenen Teams unabhängig voneinander beginnen, sich einen Überblick über die nahende Katastrophe auf dem Immobilienmarkt zu beschaffen. Eine Reise führt den Trupp um Steve Carells Mark Baum nach Florida, wo sie feststellen müssen, in welchem Ausmaß hier Hypotheken verschleudert werden: Sogar die Stripperin, die Baum einen Lapdance angedeihen lässt, kann sich mehrere Häuser leisten. Mit der entsetzlichen Gewissheit, dass man wahrlich vor dem Abgrund steht, kehrt Baum nach New York zurück.Er ist in mancherlei Hinsicht das emotionale Zentrum eines Films, der ohne klassische Identifikationsfiguren auskommen muss. Schließlich wollen hier alle ausnahmslos das große Geld machen (und sehen dabei auch noch richtig mies aus). Doch Baum kommen – ebenso wie zwei Trader-Rookies unter der Ägide von Börsenguru Ben Rickert (Brad Pitt, dessen Firma Plan B den Film produziert hat) – Zweifel, ob man ein so krankes, aber auch ein so dummes System ausschlachten darf. Fast beleidigt reagieren sie, als sie feststellen müssen, dass die Ratingagenturen auch dem größten Schrott eine „Triple A“-Bewertung hinterherschmeißen. So einfach darf Betrug doch nicht sein.

In solchen Momenten des Mit-Wissens um die Fehler im System fühlt man mit den Hauptfiguren von „The Big Short“ durchaus mit. Dennoch baut McKay sie nie zu falschen Helden auf, im Gegensatz zu Martin Scorseses „Wolf of Wall Street“ hält er stets Distanz. Wo Scorsese die ekstatische Gier seiner Hauptfigur im inszenatorischen Exzess doppelte und sich so mit ihr gemein machte, verweigert sich McKay dem vermeintlichen Sog der Ereignisse. Nach anderthalb Stunden sagt Mark Baum lapidar „It’s happening“ – die Lehman Brothers gehen pleite, der Kollaps beginnt. Die Finanzkrise fällt jedoch nicht in eins mit der dramaturgischen Krise, die Katharsis bleibt aus, die Empörung, die sich in einem als Zuschauerin angestaut hat, bleibt ohne Ventil. Mit der unbändigen Energie (oder ist es Wut?), mit der einen „The Big Short“ durch die Geschichte der Finanzkrise gefegt hat, scheucht er einen auch wieder aus dem Kino raus.

Was man im Jahr acht nach der Krise vom Finanzsystem und seiner derzeitigen Regulierung zu halten hat? „The Big Short“ vertraut darauf, dass sein Publikum schon die richtigen Antworten darauf finden wird.

„The Big Short“ und Wolf of Wall Street sind Filme die jede Frau kennen sollte. Den die Exzesse des internationalen Finanzsystems gehen uns alle an.

*Frauen und Kinder leiden unter Korruption

Die Lehre aus dem Wolf von der Wall Street
Geldgier und ihr Lohn

Wie Banker und Investoren die Staatskasse plünderten

Zeuge im Cum-Ex-Prozess

Der Staat hat kein Geld für Kindergärten? Na und! Im ersten Cum-Ex-Prozess beschreibt ein Zeuge die Skrupellosigkeit der Täter. Und warum der Gesetzgeber die krummen Geschäfte weiter anfachte.

Der Staat habe im Kampf gegen hoch umstrittene Cum-Ex-Steuerdeals krasse Fehler gemacht, so die Aussage eines zentral beteiligten Akteurs. Ein 2007 beschlossenes Gesetz habe die Geschäfte nicht trockengelegt, sondern erst richtig angefacht, sagte der 48-jährige Anwalt am Dienstag vor dem Bonner Landgericht, wo er als Zeuge im ersten Cum-Ex-Strafprozess auftrat (Az: 62 KLs 1/19). „Es war gedacht zur Eindämmung von Cum-Ex, aber es war ein Brandbeschleuniger.“ Die Akteure hätten ihre Geschäfte teilweise ins Ausland verlagert und danach stärker weitergemacht als zuvor. Erst 2010 hätten diese Geschäfte ihren Höhepunkt erreicht.

Der 48-Jährige war lange Berater von Investoren, die mit dem Hin- und Herschieben von Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch viel Geld machten: Anleger ließen sich eine einmal gezahlte Kapitalertragsteuer auf Aktiendividenden mithilfe von Banken mehrfach erstatten und strichen so über Jahre Milliarden zulasten der Staatskasse ein. Der Jurist trat als Zeuge auf, wegen seiner tiefen Verstrickungen in Cum-Ex-Transaktionen ist er in anderen Verfahren aber auch Beschuldigter….

Allen Beteiligten seien die Fakten bekannt gewesen, sie hätten alle ein Ziel gehabt: „Es ging nur um Profitmaximierung.“

Der aufwendige Strafprozess geht mindestens noch bis Anfang 2020. Angeklagt sind zwei britische Ex-Aktienhändler, ihnen werden 33 Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung und ein Versuch im Zeitraum 2006 bis 2011 vorgeworfen, dabei soll ein Schaden von 447 Millionen Euro entstanden sein. Es gibt noch zahlreiche weitere Verfahren – der Cum-Ex-Gesamtschaden für die Staatskasse soll im zweistelligen Milliardenbereich liegen….Der Spiegel

Bund verlor Milliarden:
Zeuge im „Cum-Ex“-Prozess: Staat selbst förderte Steuerdeals
FinanzTreff:  Cum-Ex und Cum-Cum

„Es handelt sich um den bisher größten Steuerraub in der Geschichte Europas“, sagt Christoph Spengel, Steuerprofessor an der Universität Mannheim. www.w-t-w.org/en/stephanie-franziska-scholz

Bestechungsverdacht Fresenius-Millionen für Ärzte?

Der deutsche Konzern Fresenius Medical Care ist nach Informationen von WDR, NDR und SZ im Visier der Frankfurter Staatsanwaltschaft. Betrieb der Konzern ein weltweites Schmiergeldsystem.

Massimo Bognanni berichtet: Der Sturm, so schien es, war an Fresenius Medical Care (FMC) vorbeigezogen. Am 29. März dieses Jahres veröffentlichte das Unternehmen, das weltweit führend bei Produkten und Dienstleistungen für Nierenkranke ist, eine nüchterne Mitteilung. Man habe sich mit US-Behörden im Rahmen eines Vergleiches auf eine Strafzahlung von 231,7 Millionen Dollar geeinigt. Eine Untersuchung der US-Justizbehörde und der US-Börsenaufsicht sei damit abgeschlossen. Ein paar Medien griffen die nüchterne Nachricht auf. Auf der Hauptversammlung im Mai schimpften die Aktionäre. Ansonsten herrschte bis heute: Stille.

Kaum jemand stellte die Frage, warum eines der 30 größten Unternehmen im Deutschen Aktienindex (Dax) mit 114.000 Mitarbeitern und mehr als 16 Milliarden Euro Umsatz die sagenhafte Strafe von 231,7 Millionen Dollar akzeptiert hatte. Niemand schien sich für den möglichen weltweiten Schmiergeldskandal zu interessieren, den die US-Ermittler bei Fresenius Medical Care untersucht hatten.

Jahrelang Schmiergeldzahlungen in vielen Ländern….
WDR/ Fresenius Bestechung
Welt.de

ZWISCHENBERICHT 2019
Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA

Bildergebnis für fresenius bestechung cartoonKorruption: Ermittlungen gegen Fresenius-Mitarbeiter – WELT

 

Schattenmacht BlackRock

Keiner verfügt über mehr Geld als der amerikanische Finanzinvestor BlackRock.

Die Jounalistin Heike Buchter:
BlackRock: Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld

Über sechs Billionen Dollar verwaltet der Konzern. Wer über so viel Geld verfügt, hat großen Einfluss. Doch was genau bedeutet das für uns alle? Längst gibt es Experten, die in der unfassbaren Größe von BlackRock eine Bedrohung für den freien Wettbewerb und die Stabilität der Finanzmärkte sehen. Es ist das geliehene Geld der Kunden, das BlackRock immense Macht verleiht. Denn BlackRock entscheidet darüber, was mit den Billionen Dollar geschieht. Mit ihnen hat sich der Finanzinvestor bei führenden Weltkonzernen eingekauft.

Derzeit ist BlackRock Großaktionär bei Apple, Microsoft, Facebook, McDonald’s, Siemens, BASF, Bayer und vielen, vielen mehr. BlackRocks Einfluss geht jedoch weit über Unternehmensbeteiligungen hinaus. Der Investor berät Notenbanken und Finanzminister, hat Zugang zu Staatschefs. Kein anderer Konzern und keine Behörde der Welt besitzt heute einen so umfassenden Einblick in die globale Finanzwelt wie BlackRock.

In diesem Zusammenhang warnen Experten auch vor „Aladdin“, dem computergestützten Analyseprogramm des Konzerns. Dessen Algorithmen sind längst nicht mehr nur für das Risikomanagement bei BlackRock verantwortlich, sondern auch für das anderer Investoren. Dadurch wird der Markt mehr und mehr gleichgeschaltet – und anfälliger für Krisen.

Finanzexperten fragen sich: Wie groß darf der Einfluss von BlackRock noch werden? Sie treibt die Sorge um, dass die wachsende Dominanz des amerikanischen Finanzinvestors bei einer zukünftigen Börsenkrise zu einem gefürchteten „Run for the Exit“ führen könnte, zu einer Panik, bei der alle ihre Aktien nur noch verkaufen wollen.

Harm Bengen
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Der europäische Gerichtshof für die Rechte von Mafiabossen

Diesen Titel wählt der italienische Mafiaexperte, Journalist und Herausgeber der Zeitung Antimafiaduemila Giorgio Bongiovanni für seinen Bericht über ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Geklagt hat ein Boss der `ndrangheta, Marcello Viola. Er sitzt im Gefängnis wegen mehrfachen Mordes, wegen Beseitigung einer Leiche, wegen Entführung und illegalem Waffenbesitz. Insgesamt vier Mal lebenslänglich haben die Gerichte verhängt. Einer der Morde ist wegen der besonderen Grausamkeit erwähnenswert: 1991, am sog. „Schwarzen Freitag“, wurden in Taurianova (Kalabrien) innerhalb weniger Stunden vier Personen getötet, und eines der Opfer, Giuseppe Grimaldi, wurde von dem Killerkommando geköpft. Anschließend wurde der abgeschlagene Kopf auf der Piazza als Ziel eines Schießstandes zum Abschuss für alle freigegeben. Noch am gleichen Tag versuchte Viola, die ganze Familie Grimaldi auszulöschen: Mit zwei anderen Männern brach er ins Haus der Familie ein und versuchte, den Sohn und die anderen Verwandten zu entführen, was glücklicherweise nicht gelang. Deshalb sitzt er jetzt im Gefängnis, wobei ihm Vergünstigungen versagt werden, weil er bisher jede Art von Zusammenarbeit mit der Justiz verweigert hat. Allerdings konnte er im Gefängnis Hochschulabschlüsse in Biologie, Medizin und Chirurgie machen und folgt aktuell einem Studiengang in Betriebswirtschaft. Nun haben sich seine Anwälte an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gewandt und gegen die Verhängung der Urteile zu lebenslänglicher Haft geklagt – und am 13.6.2019 Recht bekommen. Der EGMR stellt fest, dass das italienische Gesetz zum „ergastolo ostativo“ (lebenslängliche Haftstrafe ohne die Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung) Artikel 3 der Europäischen Konvention zu den Menschenrechten verletze, die Folter, unmenschliche und herabwürdigende Strafen, und das Fehlen einer Möglichkeit zur Resozialisierung untersage.

Italien hat daraufhin Widerspruch eingelegt und argumentierte mit der invasiven Präsenz der Mafia-Organisationen auf italienischem Gebiet. Auch wenn im Art. 4bis der italienischen Strafvollzugsordnung festgelegt sei, dass Haftvergünstigungen (Preise, Arbeit außerhalb des Gefängnisses, Alternativen zur Haft, doch nicht die vorzeitige Entlassung) dem Häftling im verschärften Strafvollzug nur zugestanden werden, wenn er mit der Justiz zusammenarbeitet, so dass evident werde, dass seine Beziehungen zur OK unterbrochen seien, so sei trotzdem im gleichen Artikel festgelegt, dass die Vergünstigungen auch dann möglich sind, wenn seine Zusammenarbeit mit der Justiz für Ermittlungen „objektiv irrelevant“ sei. Die einzige conditio sine qua non sei, wenn der Häftling auch im Gefängnis noch Verbindung zur OK habe. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben. Die Behörden sind sich sicher, dass Viola für seinen Clan immer noch die Rolle des Bosses innehat.

Und wie argumentiert Straßburg?

Ein Staat könne nicht lebenslänglich ohne die Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung verhängen, nur weil der Häftling nicht zur Zusammenarbeit mit der Justiz bereit sei. Die Verweigerung einer Zusammenarbeit bedeute, „nicht notwendigerweise“, dass der Verurteilte seine Taten nicht bereut habe und immer noch in Kontakt mit seiner kriminellen Organisation stehe, was ja tatsächlich eine Gefahr für die Gesellschaft bedeutet. Die Weigerung könne auch andere Gründe haben, z.B. die Angst um das eigene Leben oder das seiner Angehörigen. Also, so die Richter von Straßburg, sei eine Entscheidung für die Zusammenarbeit mit der Justiz nie ganz freiwillig. Und Italien wird aufgefordert, das entsprechende Gesetz zu ändern.

Die Mafiabosse und ihre Anwälte jubilieren!

Und die Stellungnahmen italienischer Experten?

Zitiert werden im Artikel von Antimafiaduemila nur zwei Stellungnahmen (des ehemaligen Staatsanwalts Gherardo Colombo und des Ex-Senators Luigi Manconi), die den „ergastolo ostativo“ für nicht mit der italienischen Verfassung vereinbar halten. Die überwältigende Mehrheit derer, die sich zu Wort melden, sind jedoch gegenteiliger Meinung und über den Richterspruch empört oder entsetzt:

Stellvertretend für die vielen Experten (Antimafia-Richter, Politiker, Journalisten, Vertreter der Mafia-Opfer) hier nur die Stellungnahme von Nicola Morra, dem Präsidenten der Parlamentarischen Antimafia-Kommission: Das Urteil bedeute auch „eine Beleidigung für Generationen von Sizilianern, Italienern, Richtern und Kriminalbeamten, die zur Verteidigung des Staates gehandelt haben und deshalb in abscheulichen Attentaten von der Mafia eliminiert wurden. (…) Der Staat bekämpft den Einsatz von Sprengstoff, indem er mit Margeriten wirft.“

Von Alfonso Bonafede, Justizminister: Er sieht auch den Artikel 41 bis in Gefahr (Haft zu verschärften Bedingungen)

Und von Roberto Scarpinato,dem leitenden Antimafia-Staatsanwalt von Palermo: Er meint, den ergastolo ostativo abzuschaffen, bedeute, den Kampf gegen die OK aufzugeben. (…)

Zu behaupten, dass die Gefangenen keine freie Wahl hätten, ob sie mit der Justiz zusammenarbeiten wollten oder nicht, weil sie sich damit der Gefahr für Leib und Leben aussetzten, sei gleichbedeutend mit der Behauptung, der italienische Staat hätte bewiesen, dass er nicht in der Lage sei, das Leben der Kronzeugen und ihrer Angehörigen zu schützen, während die Realität der letzten Jahrzehnte eindeutig das Gegenteil beweist, nämlich dass der italienische Staat sehr wohl in der Lage war und ist, das Leben von Hunderten von Kronzeugen und ihrer Familien dadurch zu schützen, dass man sie mit einer neuen Identität an anderen Orten untergebracht und ihnen die Möglichkeit eröffnet habe, ein neues Leben zu beginnen.

Indem das Gericht den Häftlingen das Recht zuspricht, nicht mit der Justiz zusammenzuarbeiten, weil sie sich damit der Rache der Mafia aussetzten, vermittle es damit eine äußerst negative Boschaft: Man könne kein Vertrauen haben in den Staat, dass er in der Lage sei, das Gesetz gegen die Übermacht der Mafia durchzusetzen. Damit sei auch gesagt, dass die Mafia mächtiger sei als das Gesetz. (…)

Noch paradoxer sei das Argument der Straßburger Richter, das italienische Gesetz (…) verletze das Recht des Gefangenen auf Selbstbestimmung und seine Würde. Scarpinato zitiert den Richter Wojtyczek, der als einziger gegen den Straßburger Richterspruch gestimmt und das o.g. Argument schlichtweg „rätselhaft“ genannt hat. Dieser Richter kritisiert das Urteil, da das Gericht damit seine Kompetenzen überschritten habe, indem es sich an die Stelle des italienischen Gesetzgebers setze und eine politisch alternative Gesetzgebung fordere, die dem Recht des Gefangenen selbst zu bestimmen, wie er seine Resozialisierung gestalten wolle, mehr Gewicht gebe als dem Schutz der Kollektivität. (…)

Die Abschaffung des ergastolo ostativo nähme dem Staat ausgerechnet das Instrument, das die Mafiosi wirklich fürchten: Lebenslange Haft, was für sie bedeute, ihre Macht zu verlieren und ihre angehäuften Reichtümer nicht mehr genießen zu können. Aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung könne er sagen, dass Mafiabosse auch nach 30 Jahren Haft sofort wieder in die Aktivitäten der Mafia Eingang fänden. Mafia-Häftlinge seien außerdem stets mustergültige Gefangene, die dadurch nach dem italienischen Gesetz eine Reduktion ihrer Strafe erführen: Für jedes Jahr ihrer Haft mit guter Führung erhielten sie drei Monate angerechnet. Eine 10jährige Haftstrafe reduziere sich so auf achteinhalb Jahre und zwanzig Jahre auf fünfzehn. Gebe der Gefangene dann noch ein formelle Erklärung ab, mit seiner Vergangenheit als Mafioso gebrochen zu haben, sei klar, wie schwierig eine Entscheidung über Hafterleichterungen für den zuständigen Richter würde. Geht die Erklärung, sich von Cosa Nostra zu distanzieren auf eine gelungene Resozialisierung, auf eine tatsächliche Änderung der Lebenseinstellung des Gefangenen zurück oder ist sie das Ergebnis einer geschickten Strategie der Verschleierung? Entdecke man dies erst nach der Haftentlassung, riskiere man damit das Leben weiterer Opfer und die Glaubwürdigkeit des Staates im Kampf gegen Mafia-Verbrechen. Ein Problem, das der italienische Gesetzgeber vermeiden wollte, indem er den Zugang zu Hafterleichterungen der Zusammenarbeit mit der Justiz untergeordnet habe, womit er ein Gleichgewicht herstellen wollte zwischen dem Interesse der Gesellschaft und den Rechten des Einzelnen.

Ich persönlich halte die Differenzierung des italienischen Gesetzgebers nach Gefangenen und Gefangenen, die sich bei ihren Verbrechen durch besondere Unmenschlichkeit und Gefährlichkeit ausgezeichnet haben, für weise. Die von Straßburg kritisierte Gesetzgebung betrifft Mafia-Verbrechen, Terrorismus und Pädophilie. Dies befriedigt mein Bedürfnis nach Gerechtigkeit.

Der `ndrangheta-Boss, der in Straßburg geklagt hat, ist wegen mehrerer Morde und anderer Vergehen zu vier Mal lebenslänglich verurteilt worden. Einem Opfer den Kopf abzuschlagen und ihn dann auf der Piazza zum Abschuss für alle freizugeben, halte ich für eine beispiellose Grausamkeit, für Unmenschlichkeit. Der Boss Viola verdient für mich damit keine zweite Chance.

Dass es für das Gericht keine Rolle zu spielen scheint, dass Viola von den zuständigen Richtern in Italien immer noch für den Boss seines Clans gehalten wird – was einhergeht mit der Aussicht, dass neue Opfer für seine „nicht entwürdigende“ Behandlung bezahlen müssen, empört mich ebenso wie die Tatsache, dass der besonderen Grausamkeit, die Tausende von Mafia-Opfern, darunter Richter, Polizisten, Politiker, Journalisten usw. usw., in Italien erfahren haben, nicht im mindesten Rechnung getragen wird. Ich verstehe vollkommen die Verbitterung zahlloser Angehörigen von Mafia-Opfern. Das Urteil bedeutet für mich, dass nach Meinung der Straßburger Richter die Interessen eines einzelnen Bosses (Hunderte werden seinem Beispiel folgen) wichtiger sind, als die von Opfern und ihrer Angehörigen. Auch die Interessen der Gesellschaft, dass nämlich die Mafiosi daran gehindert werden, weitere Verbrechen und weitere Morde zu begehen, sollen nach diesem Urteil den Interessen eines einzelnen untergeordnet werden. Das scheint jetzt europäisches Recht zu sein, aber Gerechtigkeit ist das nicht! Das Gericht hätte besser die Mitgliedsstaaten aufgefordert, sich an der beispielhaften und effizienten italienischen Antimafia-Gesetzgebung ein Beispiel zu nehmen und endlich den Kampf gegen die OK wirklich aufzunehmen!..rsw.beck.de

Sie haben Falcone und Borsellino ein zweites Mal umgebracht. Die Straßburger Richter legen Italien nahe, den zu lebenslänglicher Haft verurteilten Gefangenen Vergünstigungen zu gewähren. – Gratteri: Der Staatsanwalt von Catanzaro, der zur `ndrangheta ermittelt: „Damit sind 150 Jahre Antimafia zunichte gemacht, die Bosse jubeln“

Nino Di Matteo – der bestbewachte Antimafia-Staatsanwalt Italiens

Bongiovanni Di Matteo

Seitdem Totò Riina, Boss der Bosse, aus dem Gefängnis heraus die Ermordung des Antimafia-Staatsanwalts Nino Di Matteo angeordnet hat (2013) – eine Drohung, die durch Angaben eines glaubwürdigen Polizeispitzels bestätigt und um das Detail ergänzt wurde, dass der für das Attentat vorgesehene Sprengstoff schon in Palermo lagere, ist der Schutz des Staatsanwalts aus Palermo auf die höchste Stufe angehoben worden:

Di Matteo bewegt sich ständig mit einem Konvoi von drei gepanzerten Fahrzeugen, in denen die neun Carabinieri Platz finden, die für seinen Schutz zuständig sind. Seine Wohnung ist rund um die Uhr bewacht, andere Carabinieri sind dafür abgeordnet, die Sicherheit der Straßen und Plätze zu prüfen, die der Konvoi nehmen wird. Außerdem hat ihm der frühere Innenminister Alfano nach massivem Druck aus der Bevölkerung einen Bomb jammer (Störsender, der im direkten Umkreis des Geräts eventuelle Funksignale unterbricht) genehmigt.

Nun könnte man meinen, der Status als bestbewachter Staatsanwalt bringe eine besondere Wertschätzung von Seiten des italienischen Staates und der Kollegen zum Ausdruck, doch dieser Eindruck täuscht.

Giorgio Bongiovanni, Herausgeber der Zeitung Antimafiaduemila, hielt anlässlich des 27. Jahrestages des Attentats auf den Antimafia-Richter Paolo Borsellino in Via D’Amelio eine flammende Verteidigungsrede für den Staatsanwalt, in der er dessen Tätigkeit in den letzten Jahren schildert und beschreibt, wie sich manche Vertreter von Politik, Medien, Institutionen und manche Kollegen ihm gegenüber verhalten haben. Die Rede dauert 59 Minuten und kann immer noch über diesen link verfolgt werden.

Seit Gründung der Zeitung Antimafiaduemila im Jahre 2000 verfolge er, Bongiovanni, genauestens, was in Politik und bei der Bekämpfung der Mafia vor sich gehe. Und während er anfangs die Justiz fast für eine Priesterschaft im Dienste der Wahrheitsfindung gehalten habe, müsse er inzwischen sagen, dass es unter den Richtern, in der Justiz allgemein, solche und solche gebe. Seit 20 Jahren habe er auf den Kongressen, die Antimafiaduemila jedes Jahr veranstaltet, jeweils den Moderator gegeben, jetzt aber sei es das erste Mal, dass er selber das Wort ergreife, das erste Mal, dass man ihm zuhören müsse. Und mit ihm warteten fast 100 000 Unterzeichner eines Appells zur Verteidigung von Nino Di Matteo auf Antworten des italienischen Staates.

Er vergleicht Nino Di Matteo mit dem 1992 von Cosa Nostra ermordeten Antimafiarichter Giovanni Falcone, weil es auffällige Parallelen gebe: Beide wurden lächerlich gemacht, geradezu verfolgt, bei Bewerbungen abgewiesen, und man versuchte ständig ihnen die Legitimität abzusprechen. Eine Presse, die einer gewissen politischen Richtung hörig ist, hat ihn als Scheriff, als Primadonna beschimpft, ihm vorgeworfen, er bereise ganz Italien, um von möglichst vielen italienischen Städten zum Ehrenbürger ernannt zu werden.

Nino Di Matteo hat Drohungen und Einschüchterungsversuche erlebt:

(Anm. Verf.: Die Angriffe auf Di Matteo sind im Zusammenhang mit dem 2012 eröffneten Prozess zur trattativa Stato mafia zu sehen: In diesem Prozess, der im Sommer 2018 mit der Verurteilung aller Angeklagten bis auf einen endete, war Di Matteo Hauptvertreter der Anklage. Als historisch kann der Prozess deshalb gelten, weil hier die Justiz eines Landes sozusagen gegen sich selbst ermittelt hat: Auf der Anklagebank saßen neben den bekannten Mafiabossen Riina, Bagarella, Brusca, Cinà zwei ehemalige Minister, hohe Ränge einer Sondereinheit der Carabinieri und die „rechte Hand von Berlusconi“, Marcello Dell’Utri. Die Anklage lautet „Erpressung eines staatlichen Gremiums“: Cosa Nostra hat kurz vor den Attentaten auf die beiden Antimafiarichter Falcone und Borsellino Verhandlungen mit Vertretern des italienischen Staates aufgenommen: Die Strategie der blutigen Attentate werde erst beendet, wenn der italienische Staat vor allem die strengen Antimafia-Gesetze rückgängig mache und weitere Forderungen der Mafia erfülle.)

2012-2013: Im Gericht und in der Privatwohnung des Staatsanwalts treffen verschiedene anonyme Briefe ein. Darunter das sog. Protocollo fantasma, ein anonymes Schreiben von 12 Seiten mit dem offiziellen Briefkopf „Ministerium der Republik Italien“. Es enthält Warnungen und Drohungen. Und 2013 liest man in einem Brief: „Die Freunde von Matteo Messina Denaro in Rom (Messina Denaro hat in der Cosa Nostra Führungsfunktion und ist seit 1993 untergetaucht) haben entschieden, dass es reicht: Italien in der Hand von Schwulen (gemeint ist der Regionspräsident von Apulien Nichi Vendola) und Komikern (der Gründer der Fünfsternebewegung Beppe Grillo)! Unterzeichnet ist der Brief mit „ein Mafioso aus Alcamo“.

Es gibt auch Drohungen anderer Art im Umfeld des Prozesses: 2013 erfolgt ein Einbruch in die Wohnung von Roberto Tartaglia, ebenfalls Anklagevertreter im Prozess zur trattativa. Aus seinem Arbeitszimmer werden Ermittlungsakten gestohlen. Kurz darauf erhält der Staatsanwalt Giuseppe Lombardo, der die Anklage in einem Prozess mit ähnlicher Thematik in Reggio Calabria vertritt, einen Brief mit Sprengstoff und der Ankündigung, man werde ihn mit 200 kg Sprengstoff in die Luft jagen.

Ebenfalls 2013 wird Totò Riina im Gefängnis bei seinen täglichen Spaziergängen mit einem Mafioso aus Apulien abgehört: „Wir müssen uns Di Matteo vom Hals schaffen. …. Und zwar sofort!“ Und in Palermo kommt ein Brief mit dem Poststempel Castelvetrano an (von dort stammt Matteo Messina Denaro). „Die Brüder in Palermo“ sollten hören, was ihnen ihr Boss zu sagen habe: Nino Di Matteo „hat sich zu weit vorgewagt. Er muss beseitigt werden!“

Ein weiterer höchst beunruhigender Vorfall: Einbruch ins Büro des leitenden Staatsanwalts von Palermo, Roberto Scarpinato. Auf seinem Schreibtisch liegt ein Drohbrief: „Passen Sie bloß auf, Dr. Scarpinato! Wir finden Sie überall! Sie übertreiben bei Ihrer Arbeit und in Ihrer Rolle im Amt! Lassen Sie endlich den Dingen ihren Lauf. Unsere Geduld hat bald ein Ende!“ Hier überlegt Bongiovanni: Die Procura von Palermo ist das am besten bewachte Gericht Italiens, und Scarpinato hat dort die Leitung. Ist es vorstellbar, dass ein normaler Mafioso ins Allerheiligste der Hochsicherheits-Procura vordringen kann? Seiner Meinung nach sind es „staatliche Gespenster“, die sich dort Zutritt verschafft haben. Und der Grund: Scarpinato vertritt zu der Zeit die Anklage in einem Prozess in Caltanissetta, den man als Ableger des Prozesses in Palermo bezeichnen könnte.

Aber das ist nicht alles: 20 Tage später kommt Scarpinato in sein Büro und findet dort noch einmal ein Schreiben vor. Dieses Mal ist es nur ein Zettel mit einem Wort im sizilianischen Dialekt: „Accura!“ (Pass bloß auf).

Auch Kronzeugen sagen aus: Da ist als erster Vito Galatolo, der für eine der gefährlichsten Mafia-Familien von Palermo arbeitet, für die Familie Madonia. Er sagt aus, er sei es, der den Auftrag für das Attentat auf Di Matteo erhalten habe. Cosa Nostra habe 600 000 € gesammelt, um den nötigen Sprengstoff von den calabresi, also in Kalabrien von der `ndrangheta, kaufen zu können. Di Matteo und der `ndrangheta-Staatsanwalt Giuseppe Lombardo sind sich einig: Hinter dem geplanten Attentat steckt ein ganzes kriminelles System, zu dem auch Freimaurer, Politiker und Vertreter der Institutionen gehören. Dasselbe kriminelle System, das die Ermordung Paolo Borsellinos und seiner Eskorte zu verantworten hat. Die Staatsanwälte wollen deshalb einen anderen Kronzeugen befragen, der als erster das kriminelle System der `ndrangheta beschrieben hat: Leonardo Messina. Er hat seine Strafe abgesessen und ist seit 2016 frei. Doch er ist seit Monaten nicht mehr auffindbar. Das, so fragt sich Bongiovanni, ist doch kein Zufall?

Auch die schon längst verurteilten Mafiabosse der Attentate auf Falcone und Borsellino sagen über die Anschläge von 1992/93 aus. Brusca und Cancemi nennen schon 1998 Dell’Utri und Berlusconi als Auftraggeber von außerhalb der Mafia.

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen für den Prozess zur trattativa befragen die Staatsanwälte auch den ehemaligen Staatspräsidenten (1992-99) Oscar Luigi Scalfaro. In der Urteilsbegründung von 2018 wird betont, dass Scalfaro nachweislich gelogen hat, genauso wie der Polizeichef Vincenzo Parisi (Beide sind verstorben, bevor man ihnen einen Prozess wegen Falschaussage machen konnte).

Auch der letzte Staatspräsident Giorgio Napolitano spielt eine doch sehr zweifelhafte Rolle: Er zieht alle ihm zu Verfügung stehenden Register, um den Prozess zu stoppen! Einer Befragung durch die Staatsanwälte (Er hatte in der Zeit der Mafia-Attentate das Amt des Parlamentspräsidenten inne) versucht er mehrmals zu entkommen. Als Vorsitzender des CSM (höchstes Gremium der italienischen Justiz) leitet er ein amtliches Verfahren gegen die gesamte Procura di Palermo und einen der Staatsanwälte ein. So gelingt es ihm, Antonio Ingroia, der wesentlich an der Vorbereitung des Prozesses beteiligt war, aus dem Pool zu entfernen:

Dann ereignet sich ein kleines Wunder: 2015 beobachten zwei kleine Jungs auf dem Gelände eines Tennisplatzes in Palermo zwei bewaffnete Männer, die sie dort noch nie gesehen haben und melden es sofort weiter. Dies geschieht unmittelbar, bevor Di Matteo den bomb jammer erhält. Offenbar wollte man das Attentat vorher noch durchziehen. Kurz darauf meldet sich der Kronzeuge Galatolo, der den Auftrag für das Attentat bekommen hat, er müsse Di Matteo dringend sprechen: Der mit Sprengstoff gefüllte Wagen stehe bereit, aber jetzt habe Matteo Messina Denaro Palermo informiert, dass die Vorbereitungen abgeblasen seien. Für das geplante Attentat sei eine Autobombe nicht geeignet, man brauche dafür spezielle Waffen. Er habe einen Experten an der Hand, der nicht zur Cosa Nostra gehöre und der sich mit solchen Waffen auskenne und das Attentat bewerkstelligen werde. Und übrigens: Außer Di Matteo seien noch weitere 23 Personen dran.

Dann wird zufällig ein normaler Mafioso aus Palermo abgehört, der sich am Telefon mit seiner Frau heftig streitet: „Was machst du denn da für einen Mist? Ich habe dir schon mehrfach gesagt, du darfst das Kind nicht mehr auf den Tennisplatz X bringen. Das ist der Tennisplatz, auf dem auch Di Matteo spielt, den sie jetzt umbringen müssen.“

Bongiovanni zieht hier eine Zwischenbilanz: Die Serie von Morddrohungenm zeigt, dass die Strategie der blutigen Attentate der Cosa Nostra und des italienischen Staates nicht beendet ist, sie befindet sich lediglich im stand by!

Und was hat sich in den letzten Jahren ereignet? Nino Di Matteo, ein Spitzenmann im Bereich von Mafia-Ermittlungen, bekommt in Palermo nun Feld-Wald-und-Wiesen-Ermittlungen aufgetragen, Einbrüche, Diebstähle, Streitigkeiten unter Nachbarn usw. Weshalb?

2018 soll Di Matteo Mitglied im neu gegründeten Pool zur Ermittlung der externen Auftraggeber der Attentate von 1992-94 werden. Offenbar sind aber nicht alle Kollegen einverstanden: Gegen Luca Palamara, den ehemaligen Präsidenten eines Gremiums der italienischen Justiz (ANM) wird ermittelt wegen Korruption – ein riesiger Skandal. Also wird er abgehört, und das auch bei einem Gespräch, in dem er zu einem Kollegen sagt, er müsse unbedingt verhindern, dass Di Matteo zu diesem Pool gehöre. Und was passiert? In einer Mail schreibt Cafiero De Raho, der Nationale Antimafia-Staatsanwalt, an Di Matteo, er könne nach dem Fernsehinterview auf La7 nicht mehr in den Pool aufgenommen werden, weil er Geheimnisverrat betrieben habe. Er habe damit das Vertrauensverhältnis unter Kollegen zerstört, das Voraussetzung sei für die Arbeit im Pool. In Wahrheit aber (unddas kann man in einer Video-Registration überprüfen) hat er dort nur Fakten genannt, die jederzeit auch im Internet gegoogelt werden können.

2018 erhält Italien eine neue Regierung aus der Fünfsterne-Bewegung und der Lega. Es werden die Ministerposten verteilt, man schlägt Di Matteo als Innenminister vor – man diskutiert und berät, und statt Di Matteo macht man schließlich Matteo Salvini von der Lega zum Innenminister – was für eine Alternative zu Di Matteo! Die Fünfsterne wollen aber doch an dem Spitzenbeamten Di Matteo festhalten und so hat der neue Justizminister die Idee, Di Matteo zum Chef des DAP (der Gefängnisverwaltung) zu machen.

Was er jetzt berichte, könne man für die Phantasien eines Filmregisseurs halten, warnt Bongiovanni, es handle sich aber um Tatsachen: Der Chefposten der Gefängnispolizei ist ein strategisch enorm wichtiges Amt. Man ist dort im engen Kontakt mit den Mafiabossen, hört, was in den Gefängnissen kolportiert wird, die Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften ist zu koordinieren – also ein sehr wichtiger Posten. Nach Bekanntwerden dieses Plans trifft beim Justizminister Bonafede ein Informationsschreiben der Gefängnisverwaltung ein: Die Mafiabosse seien in heller Aufregung und wollten unbedingt Di Matteo als Chef des DAP verhindern, sie wollten streiken, um ihre Forderung durchzusetzen. Und der Minister? Er verspricht, dass man Di Matteo einen anderen Posten geben werde!

Hier wendet sich Bongiovanni direkt an den Innenminister: „Minister Bonafede. Warum???? Warum haben Sie das getan? Das müssen Sie uns erklären!“

Und Di Matteos Kollege Giuseppe Ayala? (Einst im Antimafia-Pool von Palermo. Er war während des Attentats von Via D’Amelio vor Ort, hat aus dem zerstörten Auto von Paolo Borsellino dessen Aktenmappe mit dessen rotem Notizbuch genommen und vom Tatort entfernt).

Fünf Mal erklärt Ayala, er könne sich nicht erinnern, wem er Borsellinos Aktenmappe gegeben habe, was daraus geworden sei. Und als er vor kurzem wieder danach gefragt wird, bekommt er einen Wutanfall und weigert sich zu antworten: „Wenn ich einst gestorben bin, soll Gott mich richten!“

Abschließend appelliert Bongiovanni an die Staatsanwaltschaften von Caltanissetta, Florenz und an die Nationale Staatsanwaltschaft, er hoffe, sie hätten sich im Streit, ob Di Matteo Geheimnisverrat betrieben habe, zu seiner Verteidigung eingesetzt! Er fürchte aber, dass das nicht geschehen sei.

Einen weiteren Appell richtet er wieder an die Staatsanwaltschaft Caltanissetta und ihren Leiter Amedeo Bertone, die die Ermittlungen wegen des geplanten Attentats auf Di Matteo geführt haben. Sie haben nun die Ermittlungen eingestellt, obwohl sie in der Begründung zugeben zu wissen, dass die Mordpläne gegen Di Matteo weiter verfolgt werden und nicht etwa erledigt sind. Und was macht man in Caltanissetta? Man archiviert das Verfahren, man tut nichts! Und er schließt: „Diese Staatsanwaltschaft ist schuldig, schuldig, schuldig!“

Corruption Only the Shadow Knows

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