Giovanni Falcones Lehren zum Kampf gegen die Mafia sind nach wie vor gültig

Nando dalla Chiesa*:
Auch 28 Jahre nach dem Attentat auf den Antimafiarichter Giovanni Falcone (23. Mai 1992), in dem auch seine Frau und drei Leibwächter getötet wurden, hält der Mailänder Professor die Lehren seines Vorbilds für entscheidend im Kampf gegen die Mafien.

*Nando dalla Chiesa hat an der „Statale“-Universität in Mailand den Lehrstuhl für die „Soziologie der OK“ aufgebaut, er unterrichtet auch im Ausland (u.a. in Berlin, Halle, Leipzig, in München und Stuttgart). In der vorlesungsfreien Zeit organisiert er die sog. „Università itinerante“ (=die Universität auf Reisen) und internationale Kongresse, die sich mit Aspekten des Kampfes gegen die OK befassen. Außerdem war er als Politiker tätig, er hat Bücher zum Thema veröffentlicht und ist Ehrenpräsident der größten italienischen Antimafia-Organisation Libera…Antimafiaduemila.com

 

 

 

 

 

 

 

Exzerpt

Falcones Erkenntnisse sind auch heute noch gültig. Er ist derjenige Antimafiarichter, der am gründlichsten das Phänomen Mafia studiert hat und seine Erkenntnisse der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt hat, um konkrete Ergebnisse im Kampf gegen die Mafia zu erzielen. Man kann sie nachlesen in: Giovanni Falcone in collaborazione con Marcelle Padovani, Cose di Cosa Nostra, 1991, deutsch: Inside Mafia, 1991.

Die zwei am häufigsten zitierten Sätze Falcones sind: „Folge der Spur des Geldes“ und: „Die Mafia ist ein menschliches Phänomen. Sie hatte einen Anfang und wird auch ein Ende haben“.

„Folge der Spur des Geldes“: Dieses Prinzip hat Falcone zum ersten Mal im Prozess Spatola (palermitanischer Bauunternehmer und Mafioso) angewandt und mit diesen Beweisen eine Verurteilung erreicht (Vorher gab es in Mafia-Prozessen regelmäßig Freisprüche). Es ist klar, dies bedeutet, dass Richter und Staatsanwälte über eine Zusatz-Qualifikation verfügen müssen: Sie müssen in der Lage sein, dieser Spur zu folgen, müssen entsprechende Spezialkenntnisse haben.

Mafia heißt: Kontrolle des Territoriums, die Mafia ist also eine Form von Machtausübung, von Machtanspruch“. Falcone ist einer der wenigen, der die Mafia so definiert. Viele Mafia-Experten finden elegantere Formulierungen dafür, was Mafia ist. Allerdings, wer sich tatsächlich in die direkte Auseinandersetzung begeben hat, er denke da an Falcone, an Pio La Torre und an seinen Vater, der habe die Mafia als Form von Machtausübung beschrieben. Dies bedeutet, dass es nicht nur um Geld geht. Es geht um eine Aushöhlung der Gesellschaft, um bewusste und unbewusste Allianzen, die die Interessen der Mafia bedienen. Mafia ist ein Gesellschaftssystem, Ausdruck der Macht, die man in einem bestimmten Territorium besitzt. Primär ist da die Fähigkeit der Mafia, im eigenen Territorium durch die Beziehungen zu Personen in einer Machtposition illegale Macht auszuüben und Gewalt anzuwenden. Diese Herrschaft wird dann durch das Geld noch verstärkt, das sich die Mafia durch ihr Eindringen in die Wirtschaft angeeignet hat.

Die Mafia hatte einen Anfang und wird auch ein Ende haben.“ Dalla Chiesa überlegt, ob Falcone diesen Satz vielleicht gesagt hat, um anderen Mut zu machen, sich zu engagieren. Denn auf der gleichen Seite im Buch (s.o.) warnt der Antimafiarichter davor, die Bekämpfung der Mafia den folgenden Generationen zu überlassen. Veränderungen in der Kultur sind nicht ausreichend. Für einen Sieg über die Mafia muss man etwas tun, ist harte, beständige Arbeit nötig und totale Professionalität. Man weiß, die Mafiosi sind Profis – und Profis werden schwerlich von Dilettanten besiegt. Voller Einsatz wird verlangt. Denn auch die Mafiosi geben vollen Einsatz. Hinter den Zitaten Falcones stecken also komplexe Ideen, die die eigentlichen Lehren Falcones sind. Deshalb bemühe er sich auch, bei allem was er tue, die Denkweise Falcones, Falcones Konstruktion einer eigenen Disziplin, zu erklären. Es sei ihm ein wichtiges Anliegen, dass Falcones Ideen nicht auf einige wenige, aus dem Zusammenhang gerissene Sätze reduziert würden.

Eine Erfindung Falcones ist auch der Straftatbestand „Beihilfe zu Mafia-Aktivitäten“ (concorso esterno in associazione mafiosa). Dies wird gerne vergessen. Wenn all die Gewerbetreibenden, all die Unternehmer, Politiker, Journalisten usw. nicht ständig Unterstützung leisteten, könnte die Mafia ihre Ziele nicht erreichen. Es wäre fantastisch, wenn man endlich genau untersuchen würde, welche konkreten Hilfestellungen der Mafia von welchen Leuten systematisch zur Verfügung gestellt werden. Im genannten Buch von Falcone finden sich diese Forderungen nach harter Arbeit, nach absoluter Professionalität, die Forderung, dass Staatsanwälte adäquat ausgebildet und die Polizeikräfte auf höchstem Niveau geschult werden, wenn ein Staat Ernst machen will mit dem Kampf gegen die Mafia. Aber wie soll das gehen, so fragt er sich, wenn man in Italien ein vollständiges Jurastudium absolvieren kann, ohne dass ein einziges Mal das Wort Mafia fällt. Die Mafia bekämpft den Staat an allen Fronten, da könne man doch nicht so tun, als handle es sich bei diesem Kampf um ein Spiel. Wissen über die Mafia ist zentral, aber nicht jeder muss alles über die Mafia wissen. Es kann jedoch nicht sein, dass der Staat, die Gesellschaft, aber vor allem Leute in entsprechenden Positionen keine Ahnung von der Mafia haben. Nicht nur, weil sie Verantwortung für das Gelingen haben, sondern auch deswegen, weil sie in ihrer Funktion das Kollektiv gegen die Mafia verteidigen müssen.

Wenn man sich heute Leute ansehe, die sich von Amts wegen mit den Gesetzen, dem Recht befassen, müsse man sich oft sehr wundern über den Abgrund, der sich auftue zwischen dem, was Falcone vor 30 Jahren forderte, und dem tatsächlichen Verhalten dieser Leute. Das verbittere ihn doch ziemlich. Er, dalla Chiesa, habe sich ganz der Aufgabe gewidmet, die Bildungsinstitutionen zu Orten zu machen, an denen eine adäquate Ausbildung möglich sei, die mit dem Ausmaß der Gefahr durch die Mafien Schritt halte und dass das Thema nicht nur die Domäne der Juristen bleibe. Leider sei das Thema Mafia noch nicht einmal die Domäne der Juristen, denn in diesen Kreisen halte man das Studium der Mafia für nicht besonders elegant. Lieber befasse man sich damit, wie die bestehende Antimafia-Gesetzgebung entschärft werden könnte, als damit, welche neuen Gesetze für einen wirksamen Kampf gegen das organisierte Verbrechen gemacht werden müssten.

Denken können wie die Mafiosi“: Nur wenn man weiß, wie sich Mafiosi in bestimmten Situationen verhalten, ist man in der Lage, sie wirkungsvoll zu bekämpfen oder sogar vorherzusehen, was sie tun werden. So war es 2015 bei der Expo in Mailand möglich, vieles tatsächlich zu verhindern. So mache man es auch jetzt in der Corona-Krise, wenn man sich überlegt, wo die Mafien was tun werden und mit welchen Mitteln.

Die eigentliche Macht der Mafia liegt außerhalb der Mafia.“ Die meisten Helfer der Mafia, die selber nicht zur Mafia gehören, unterstützen nicht direkt deren Aktivitäten, aber sie fördern sie dadurch, dass sie die Gegner der Mafia bekriegen. Ein aktuelles Beispiel: Ein Antimafia-Staatsanwalt fordert, dass die medizinischen Gutachten, mit deren Hilfe vor kurzem zig Hochsicherheitshäftlinge aus dem Gefängnis in den Hausarrest entlassen wurden, genauestens geprüft werden müssten. Im Fernsehen kommentiert dies ein Intellektueller und sagt, die Antimafia sei ja schlimmer, gefährlicher als die Mafia. Eine solche Aussage ist mehr als eine Provokation. Ein Intellektueller kennt die Wirkung von Worten, er weiß haargenau, was er sagt. Und egal welche persönlichen Eitelkeiten ihn leiten, er weiß genauso gut, dass eine solch spektakuläre, skandalöse Äußerung auf jeden Fall ein großes Geschenk für die Mafia ist. Dieses Beispiel verweist auf ein großes Problem: Die Art und Weise wie das Fernsehen, ja wie die ganze Gesellschaft mit verschiedenen Meinungen umgeht, wie sie bestimmte Meinungen unterstützt und andere einfach ignoriert. Das sei schon zu Falcones Zeit so gewesen. Den größten Raum bekommen stets die Kritiker. Auch heute noch sei das so und es lasse erkennen, wie in Italien der Kampf gegen die Mafia geführt werde.

Er wiederholt: Die eigentliche Macht der Mafia liegt außerhalb der Mafia. Ja, das stimmt. Man kann den Kampf gegen die Mafia nicht an einzelne Personen delegieren, man muss auch genau hinsehen, woher die Unterstützung aus der Gesellschaft kommt. Wenn diese Allianzen nicht wären, hätte die Mafia keine Chance.

 

 

Wenn Geld versickert durch Vetternwirtschaft

Markus Zydra berichtet: Im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie übernimmt die Europäische Investitions- bank (EIB) künftig eine wichtige Rolle. Sie rückt damit stärker ins öffentliche Be- wusstsein. Bislang dürften viele Bürger kaum etwas über das Kreditinstitut mit Sitz in Luxemburg gewusst haben, das in Europa und weltweit Infrastruktur- und Klimaschutzprojekte finanziert.

Die EIB hat in der Vergangenheit auch zwei portugiesischen Unternehmen Geld geliehen, an denen Isabel dos Santos betei- ligt war. Die Bank bestätigte vor einigen Wochen entsprechende Informationen der Süddeutschen Zeitung. Die angolanische Justiz hatte Anfang des Jahres gegen die Tochter des ehemaligen angolanischen Präsidenten José Eduardo dos Santos An- klage wegen Betrugs und Geldwäsche erho- ben. Dieser hatte Angola, das zu den ärms- ten und korruptesten Ländern der Welt ge- hört, von 1979 bis 2017 autokratisch re- giert. Die EU-Bank, eine der größten För- derbanken der Welt, vergab von 2014 an im Rahmen verschiedener Projekte Darle- hen im Gesamtvolumen von 2,5 Milliarden Euro an die portugiesische Geschäftsbank BPI und das Medienunternehmen NOS – an beiden Firmen war Isabel dos Santos mit einem größeren Anteil beteiligt. BPI reichte die Mittel als Kredit an kleine und mittelständische Firmen in dem südeuro- päischen Land aus; NOS konnte mit den Krediten das Breitbandnetz in Portugal ausbauen.

Zu oft können Herrschaftseliten Förderkredite abzweigen und auf geheime Konten überweisen….EIB SZ / Wenn Geld versickert
Superreiche Frauen in Afrika

„Herr Präsident, ich dachte, dass all die Millionen von Dollars, für unsere Ausbildung , gegen Aids und Hilfe für unsere Familien ihre Pflanzen zu bewässern ist.“
-Cartoon- Derek Easterby
www.w-t-w.org/en/cartoon/derek-easterby

Die Geheimnisse der Russenmafia

Zunehmend entwickelt sich Deutschland zu einem lukrativen Ziel für die Verbrecherbanden der Russenmafia. Dabei bedient sich die organisierte russische Kriminalität brutaler Methoden.

Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter, sagt: „Wenn wir die Geldwäsche bekämpfen würde, hätten wir gar keine Clanbildung in Deutschland.“

Die Geheimnisse der Russenmafia

Zunehmend entwickelt sich Deutschland zu einem lukrativen Ziel für die Verbrecherbanden der Russenmafia. …zdf.de/dokumentation

Was können wir in unseren Städten und Gemeinden dagegen tun.

Empfehlungen des Deutscher Städtetages und der Bundesregierung zur Bekämpfung der Korruption der Organisierten Kriminalität und Geldwäsche in unseren Städten und Gemeinden umsetzen. Unabhängige Antikorruptionsbeauftragte einsetzen.

FunFinance Expert Lilah als  Antikorruptionsbeauftragte:
Antikorruption Koordinatorin zur Korruptionsverhütung in Stadt und Gemeinden

Lilah zur Frage: “ Was ist Korruption?
Korruption ist der Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil. Zielbereiche der Korruption sind neben Politik, Justiz, und Wirtschaft auch die öffentliche Verwaltung. Lilah als Anti-Korruptionsbeauftragte

Organisierte Kriminalität – Geht uns alle an!

 

Staatsanwalt: „Man muss dem Weg des Geldes verfolgen“

Mafia? Nein Danke! berichtet:  „In einem der größten Mafiaprozesse in Deutschland urteilte jüngst das Landgericht Konstanz. Im Interview erläutert der Oberstaatsanwalt Joachim Speiermann die Hintergründe des Prozesses und warum häufig der Satz „Mafia, das interessiert uns nicht“ fiel.

Herr Dr. Speiermann, Sie haben kürzlich einen der größten Mafiaprozesse in Deutschland abgeschlossen und – zugespitzt formuliert – hat es kaum jemand mitbekommen. Wie fühlt sich das für Sie an?

Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass wir in Corona-Zeiten leben. Die letzten Verhandlungstage sind daher nicht so stark besucht worden. Überhaupt, nach 100 Verhandlungstagen lässt das Interesse spürbar nach.

Der Vorsitzende Richter sprach von einem „Mafia-Verfahren, das keines war“ und er sagte auch, dass es ihn nicht interessiert, ob jemand zur Mafia gehöre, weil das nach deutschem Recht nicht relevant sei. Heißt das, dass die deutsche Justiz blind ist für das Thema Mafia?

So direkt will ich das nicht sagen, aber ich bin über diese Aussage auch etwas verwundert gewesen. Das Verfahren hatte seinen Beginn in einer Information der amerikanischen Anti-Drogenbehörde DEA an die Italiener. Wir wurden dann informiert, weil Beteiligte in unserem Bezirk wohnten. Wir haben im Rahmen der Ermittlungen eindeutige Erkenntnisse gewonnen, dass dieses Verfahren Mafia-Bezüge hat. Dies wurde dann auch im Prozess durch Zeugenaussagen bestätigt. Sicherlich können wir in Deutschland nicht im Einzelnen feststellen, wer ein Mafia-Mitglied ist und wer nicht. Aber so ein großer Drogenhandel ist nur möglich, wenn man die Hintermänner miteinbezieht. Und es hat mich schon ein Stück weit enttäuscht, dass das nicht passiert ist – man kann nicht nur rein tatbezogen arbeiten. Und auch für die Strafzumessung ist es ein Unterschied, ob eine Mafia-Gruppierung im Hintergrund steht. Das sollte die Kammer schon aufklären. Für mich symptomatisch war zu Beginn ein Satz des Vorsitzenden an den Chefermittler. ‚Bleiben Sie bitte an der Oberfläche‘, forderte der Richter ihn auf. Man wollte ihn wohl gar nicht umfassend berichten lassen. Außerdem fiel während der langen Hauptverhandlung leider mehrfach der Satz: „ Mafia, das interessiert uns nicht“.

Wie erklären Sie sich das?

Das ist generell die Tendenz von Gerichten. Es ist einfacher, an der Oberfläche zu bleiben. Es ist am einfachsten, nur Geständige zu verurteilen und nur wenn es schwierig wird, in die Tiefe zu gehen. Dieses Verfahren war am Anfang kein einfaches, mit etwa 20 Verteidigern, von allen Seiten wurde geschossen. Aber ich hätte schon schön gefunden, man hätte die italienischen Beziehungen da auch ausgeleuchtet. Die Kammer wollte jedoch am liebsten nur Rauschgift-Geschäfte aburteilen, die in Deutschland getätigt worden sind, und nicht Straftaten im Ausland wie etwa einen geplanten Raub auf einen Juwelier in Verona, der nur durch die Ermittlungen verhindert worden war.
Es wurde leider kein einziger Polizist aus Italien als Zeuge geladen und angehört, obwohl dort ja auch ermittelt wurde.

Sie sagten, die Hinterleute dieser Drogengeschäfte in Italien stammten aus dem Mafia-Umfeld. Macht es für sie einen Unterschied, wenn Sie Im Gericht Leute mit solchen Verbindungen vor sich haben?

Ja sicher, für die Strafzumessung ist das ein fundamentaler Unterschied. Ob sie einen Einzeltäter haben, es um Spontantaten geht oder organisierte Kriminalität. Wenn es dann Bezüge zur kalabrischen ’ndrangheta gibt oder zur sizilianischen Cosa Nostra, dann ist das ein entscheidender Punkt.

Und wie ist das für Sie persönlich, das sind ja keine Engelsbuben. Die Mafia-Organisationen haben viele Richter und Staatsanwälte, die ihre Arbeit taten, auf dem Gewissen.

Nachdem die Gruppe in Deutschland Schwierigkeiten mit dem Absatz hatte und das Geld nicht reinkam, haben wir im Verfahren ein Telefongespräch gehört. Da hieß es dann, man müsse das Gespräch bei der Cupola in Palermo suchen, der obersten Machtzentrale der Cosa Nostra.

Sie dachten aber nicht an Leute wie Giovanni Falcone Paolo Borsellino, die ermordet wurden wegen ihres Kampfes gegen die Mafia?

Nein, das nicht. Sicher sind mir diese Taten bekannt und ich bin beeindruckt. Ich weiß um die Hochachtung der Italiener vor diesen Kollegen. Wer in Italien zur Mafia arbeitet, arbeiten unter ganz andere Bedingungen als bei uns, auch heute noch, sagen die Kollegen.

Wie haben Sie die deutsche Polizei erlebt? Man hört ja manchmal den Vorwurf, man wolle nicht gegen die Mafia vorgehen.

Im Gegenteil, das Team hier war wahrscheinlich der Schlüssel zum Erfolg. Wir hatten einen sehr guten Polizeibeamten, einen Hauptkommissar, der beim LKA Ansprechpartner für italienische organisierte Kriminalität war und der über wahnsinnig gute Kontakte nach Italien verfügte. Den haben wir mit ins Boot geholt, er hat den direkten Kontakt zu Ermittlern in Palermo geknüpft. Dann kam ich in Kontakt mit dem zuständigen Staatsanwalt. Da hat man sich kennen- und schätzen gelernt. Nur so hat das Verfahren überhaupt funktioniert. Wir haben dann frühzeitig den direkten Informationsaustausch zwischen den Polizeien vereinbart. So erspart man sich den umständlichen Weg über Interpol oder die Polizei-Schiene. Die Verwertung lief dann natürlich ordnungsgemäß im Rahmen der Rechtshilfe. Es gab zwei Verfahren, sogenannte Spiegelverfahren: meines in Deutschland und das des Kollegen in Italien. Die jeweiligen Erkenntnisse wurden zeitnah ausgetauscht und man hat sich immer abgestimmt.

Bringt dieses Vorgehen auch Probleme?

Dieses Vorgehen kann schon Modell stehen. Es setzt aber voraus, dass man auf der Polizei-Seite die richtigen, motivierten Leute hat. Wenn von vorneherein Bedenkenträger dabei sind, dann funktioniert so etwas nicht. Wir haben hier ein relativ kleines Polizeipräsidium, das in Rottweil, das aber schon einige relativ große Verfahren zum Erfolg geführt hat. Ich denke, ähnliche Verfahren hat es zumindest hier in Baden-Württemberg nicht gegeben. Im Grunde genommen müssten solche Verfahren angesiedelt sein beim LKA. Nach Abschluss der Ermittlungen hat der damalige Leiter des Polizeipräsidiums Rottweil die Arbeit seines Teams beim BKA in einem Vortrag vorgestellt. Da waren die überrascht, sinngemäß kam rüber, das könnten sie beim BKA so nicht leisten. Das BKA selbst war aber nie im Boot und das Landeskriminalamt mit der Ausnahme dieses einen Polizeibeamten auch nicht. Die Ermittlungen haben sich später ausgeweitet auf den Stuttgarter Bereich und auf Abnehmer in Münster. Diese Verfahren sind abgegeben worden – nach Münster, das hat sehr gut geklappt. Dort kam es auch schon zu rechtskräftigen Verurteilungen. Das Verfahren in Stuttgart wurde bereits vor einiger Zeit übernommen. Zu einer Anklage kam es meines Wissens bisher nicht.

Ich habe gelesen, dass insgesamt sechs Millionen Euro beschlagnahmt worden sind.

Wir gehen in Deutschland anders an die Verfahren heran als in Italien. Klar versuchen auch wir in Deutschland Vermögen abzuschöpfen. Wir haben Bank-Auskunftsersuchen und alles gemacht, konnten aber leider nicht so viele Vermögenswerte feststellen und beschlagnahmen. Auch darin liegt ein Vorteil eines deutsch-italienischen Spiegelverfahrens: die Italiener haben dann im Wege der präventiven Sicherstellung sechs Appartements und Grundstücke vorläufig sichergestellt.

Was bedeutet das, präventiv sichergestellt?

Wenn der Beschuldigte nicht darlegen kann, woher das eingesetzte Kapital kommt oder die Herkunft dubios ist, nicht nachvollziehbar, dann können in Italien Vermögenswerte sichergestellt werden. Wenn jemand kaum Steuern zahlt und dann aber Vermögen besitzt, dann sind die Italiener relativ schnell mit der präventiven Beschlagnahme. Der Beschuldigte muss dann die ordnungsgemäße Herkunft nachweisen. Kann er dies nicht, kann das Vermögen eingezogen werden. So war das in diesem Fall auch. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass das Kapital dann für weitere Straftaten dienen kann.

Und da geht nach deutschem Recht nicht?

Doch, diesen Gedanken haben wir jetzt auch ansatzweise im deutschen Recht. Auch da kann man – selbst wenn ein Verfahren eingestellt oder jemand freigesprochen wird – sichergestellte Vermögenswerte einziehen, wenn man überzeugt ist, dass sie nicht rechtmäßig erworben worden sind. Nach Paragraph 76a des Strafgesetzbuchs ist das jetzt möglich. Es ist eine Frage der Beweiswürdigung, das Instrument dafür haben wir.

Welche Lehren haben Sie denn aus diesem Verfahren gezogen?

Positiv für mich und die Mannschaft, für die Polizei, habe ich gelernt, dass ein gemeinsames Vorgehen auch grenzüberschreitend funktioniert, wenn die richtigen Handelnden dabei sind und wenn die Leute motiviert sind. Das war das erfreuliche. Die lange Verfahrensdauer macht mürbe, es sind jetzt über 100 Verhandlungstage gewesen, und da ist die Frage schon von den Kosten her, ob das gerechtfertigt ist. Im Ergebnis muss ich aber sagen: von den elf Angeklagten sind alle verurteilt worden; das stimmt mich froh. Die Strafhöhe liegt im Ermessen des Gerichts, sie hat mich nicht vollständig überzeugt. Aber es war ein Erfolg.

Sind wir in Deutschland für das Problem transnationale organisierte Kriminalität gut aufgestellt?

In erster Linie braucht es motivierte Polizeibeamte und motivierte Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Das ist das Wichtigste. Wenn man mit Bedenken an Verfahren rangeht, dann kommt man nicht weit. Man muss manchmal auch ein Stück mutig sein, neue Wege gehen, dann funktioniert es. Ich habe keinen genauen Überblick über die Zahl der Verfahren, aber es macht mich nachdenklich, wenn man sieht, wie wenig Verfahren in diesem Bereich in Deutschland durchgeführt werden. Vor allem weil es immer heißt, es gebe mehrere hundert Mafiosi in Deutschland. Und in unserem Fall haben wir noch nicht mal festgestellt, dass es sich um Mafiosi handelt.

Wie haben Sie ihre Polizistin und Polizisten motiviert? Kann die Staatsanwaltschaft dazu beitragen?

Natürlich. Aber wir hatten auch zuvor schon zwei, drei große Verfahren. Wir hatten einfach das Glück in Rottweil sehr, sehr motivierte Beamte zu haben.

Wie haben sie die Angeklagten im Prozess erlebt? Als Männer mit schwarzem Anzug und Sonnenbrille wie in Mafia-Filmen?

Nein! Sie waren mir gegenüber respektvoller als die Verteidiger. Einer der Angeklagten war etwas geltungsbedürftig, aber das waren ganz normale Angeklagte, wie man sie immer wieder erlebt.

Glauben Sie, dass dieses Verfahren bei der Gegenseite wahrgenommen wird? im Publikum soll ein verurteilter Mafioso gesessen haben.

Inwiefern es da ein Interesse gibt, kann ich nicht beurteilen, das weiß ich nicht. Sicher werden die aber ein Interesse haben am Ausgang des Verfahrens, davon kann man ausgehen.

Man kann diesen Prozess als Teil eines Großen und Ganzen sehen, das man gemeinhin als „War on Drugs” bezeichnet. Doch sehr wirksam ist dieser Krieg gegen die Drogen nicht, wir erleben in Europa eine Kokainschwemme.

Von einer Liberalisierung halte ich nichts, einfach aus gesundheitspolitischen Gründen. Man sieht gerade bei Jugendlichen, welche Folgen schon die weiche Droge Marihuana haben kann. Teilweise verursacht das Rauschgift schlimme Psychosen. Aber ich gebe Ihnen zu, es ist sehr viel Rauschgift auf dem Markt, es ist ein Kampf gegen die Windmühlen.

Wie könnte man diesen Kampf erfolgreicher gestalten?

Man muss den Weg, den die Italiener gegangen sind, forcieren – man muss den Weg des Geldes verfolgen. Das passiert in Deutschland zu wenig. 2017 wurden ja einige Gesetze geändert, es bleibt abzuwarten, ob die tatsächlich umgesetzt werden. Das Instrumentarium ist da, aber man muss es auch nutzen. Und das ist mit viel Arbeit verbunden. Man braucht motivierte Staatsanwälte und es kostet einen Haufen Zeit. Und auch wir in der Staatsanwaltschaft werden an Statistiken gemessen. So ein OK-Verfahren verlangt viel Zeit und Personal. In meinem Verfahren etwa waren das allein im Hauptverfahren 100 Sitzungen mit zwei Personen jeweils aus meiner Abteilung. Zusätzliches Personal haben wir für das Verfahren leider nicht bekommen. Nach dem Personalbedarfsberechnungssystem (Pebb§y) wird uns ein solches Verfahren mit 2000 Minuten – wobei es sich natürlich um einen Durchschnittswert handelt – angerechnet! Da bringen viele einfache Verfahren wie Ladendiebstähle für eine Behörde mehr Personal und das erklärt dann vielleicht auch die insgesamt relativ wenigen OK-Verfahren.

Und jetzt ist alles vorbei?

Wir haben gegen die letzten beiden Urteile Rechtsmittel eingelegt und warten die schriftlichen Gründe ab. Die Kammer hat jetzt 6 Monate ungefähr Zeit die Urteilsbegründung abzufassen. Wir werden das dann revisionsrechtlich prüfen, ob Fehler vorliegen in der Strafzumessung oder der Beweiswürdigung.

Gab es denn danach noch Kontakt zwischen ihnen und den Angeklagten irgendeiner Form?

Zum Teil habe ich auch positive Rückmeldung bekommen, wo ich sie nicht erwartet hätte. Ein Angeklagter aus Kalabrien hat sich persönlich verabschiedet. Er hat sich bedankt für die Fairness und mir gesagt, wenn ich dort mal Urlaub machen sollte, in Kalabrien, sollte ich vorbeischauen bei der Familie. Was ich natürlich abgelehnt habe. Die Angeklagten waren wirklich respektvoller als die Verteidiger. Die Verteidiger waren eher das Problem des Verfahrens, es war eine ihrer Strategien, das Gericht mürbe zu machen, was zum Teil auch gelungen ist.

Wenn Sie gerade über die Verteidiger sprechen: es gab ja einen Verteidiger, dessen erster Satz im Verfahren überhaupt im Grunde als eine Drohung verstanden werden konnte an die Zeugen. Sinngemäß zusammengefasst sagte er: Wer den Mund hält, wird 100 Jahre alt.

Das kann man natürlich so verstehen, wobei, bei dem Anwalt weiß ich nicht, ob er überhaupt verstanden hat, was er gesagt hat. Vielleicht wollte er sich damit nur brüsten. Ob das tatsächlich eine Drohung war, muss ich offenlassen. Fakt war aber, dass zunächst eisern geschwiegen wurde.

Hatten Sie das Gefühl, genug Wissen über das Thema Italienische Organisierte Kriminalität zu haben?

Ich habe viel gelernt in diesem Verfahren, muss ich ehrlich sagen. Es war mein erstes großes Rauschgift-Verfahren mit Mafia-Bezug. Nein, ich bin da relativ neu reingegangen und habe mich damit erst dann beschäftigt, als ich Kontakte in Italien geknüpft habe und es in den Ermittlungen um das Thema ging.

Sehen Sie da Handlungsbedarf, etwa in politischer Hinsicht? Müsste man Staatsanwälte schulen?

Ja. Vor allem wegen des grenzüberschreitenden Aspekts der Arbeit. Wir sind jetzt da ja auf dem Weg mit der europäischen Staatsanwältin und es gibt Eurojust als europäische Koordinierungsstelle für Ermittlungen. Aber eine entsprechende Schulung, Tagungen zum Thema wären sicherlich gut, zu denen man auch die jungen Kolleginnen und Kollegen hinschickt. Das JIT Verfahren (Justice Investigation-Team) mit Ermittlungsteams in zwei oder mehr europäischen Ländern ist ein wichtiges Mittel. Wir hatten auch zwei solcher Verfahren bei uns in der Behörde. Die Rechtshilfe ist teilweise sehr, sehr formal und zeitaufwendig, das schreckt viele Kollegen ab. Die sagen dann, ach, Rechtshilfe ist schwierig. Das ist dann der Grund für die Angst vor dem Ausland bei den Kollegen. Das JIT vereinfacht das.

Mir fällt in Gesprächen mit italienischen Staatsanwälten auf, dass sie sehr viel besser über kriminelle Strukturen Bescheid wissen. Warum ist das so?

Grundsätzlich ist es in Deutschland viel einfacher, einen Delinquenten festzunehmen mit 5 Kilo Drogen als in die Tiefe zu gehen und Strukturen zu ermitteln. Strukturermittlungen kosten Zeit, und wir werden danach beurteilt, wie viel Fälle wir machen. Deswegen werden zu wenig solcher Entwicklungen in Deutschland gemacht.

Wie oft mussten sie für diese Ermittlung nach Italien reisen?

Ich war dreimal in Sizilien. Das war persönlich bereichernd, die Gastfreundlichkeit der Kollegen dort. Und wenn man sieht, wie die italienischen Polizisten arbeiten, unter welchen Bedingungen und für wie wenig Geld, da haben unsere deutschen Polizisten auch erst gesehen, wie gut es ihnen hier eigentlich geht. Außerdem lernt man voneinander: die Italienischen Ermittler schauen zum Beispiel viel mehr nach den Erträgen krimineller Geschäfte als wir in Deutschland. In unserem Verfahren wurden sechs Millionen Euro beschlagnahmt, der größte Teil in Italien.

Was ist der besondere Reiz an Ermittlungen im Drogen- und Mafia-Bereich?

Man hat einen sehr direkten Kontakt zur Polizei, das schweißt zusammen. Und es ist spannend, auch wenn man dank Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung sieht, was so läuft. Das ist einfach sehr, sehr interessant.

Haben sie noch Kontakt nach Italien jetzt?

Ich gehe jetzt ja in Pension; zu meinem Ausstand wollten eigentlich vier Polizisten kommen. Aber wegen Corona ging das nicht. Ich habe weiterhin Kontakt und wenn ich einmal in Sizilien bin, werde ich die Kollegen sicher besuchen.

Schauen Sie jetzt noch Mafiafilme?

(lacht) Eher selten. Ich schalte ja noch nicht mal Tatort an. Das hat mit der Realität wenig zu tun.

Dieses Interview wurde in gekürzter Form in Cicero Online – Magazin für politische Kultur veröffentlicht.“  mafianeindanke

ZUR PERSON

Dr. Joachim Speiermann ist in Rendsburg (Schleswig-Holstein) geboren und verheiratet. 1986 ist er in die Justiz eingetreten und war bis 2002 Richter in verschiedenen Gerichten: am Amtsgericht, der Großen Strafkammer und am Schöffengericht in Konstanz und Singen. Von 1993 bis 1996 wirkte er als abgeordneter Richter an der Universität Konstanz. 2002 wechselte er in die Konstanzer Staatsanwaltschaft, zuerst als Abteilungsleiter einer Allgemeinen Abteilung und ab 2014 als stellvertretender Behördenleiter und Leiter der OK- und Rauschgiftabteilung.

Das Foto zeigt den Staatsanwalt Dr. Joachim Speiermann (rechts) mit Wolfgang Rahm vom LKA Stuttgart und Thomas Flaig und Thomas Hechinger von der Polizeidirektion Rottweil.

 

Wem gehört die Stadt?

 

Aktuelle Untersuchung: Anonymität im Berliner Immobilienmarkt.
Transparenzregister sorgt nicht für Transparenz.

Seit Januar 2020 ist in Deutschland das Transparenzregister auch für die Öffentlichkeit einsehbar. Für das Projekt der Rosa-Luxemburg-Stiftung „Wem gehört die Stadt?“ untersuchten Christoph Trautvetter und Markus Henn, ob das Register wie versprochen für mehr Transparenz am Berliner Immobilienmarkt sorgt. Die Antwort ist so eindeutig wie erschreckend: Von 111 Immobiliengesellschaften, bei denen der tatsächliche Eigentümer nicht aus deutschen Registern erkennbar war, waren im Transparenzregister 83 gar nicht eingetragen und nur bei 7 fand sich der tatsächliche Eigentümer dort. Ein großer Teil der Berliner Immobilieneigentümer bleibt so weiterhin anonym….Finanznachrichten.de

Viele Berliner Immobilieninvestoren verstecken sich

Windige Immobiliendeals sorgen in Berlin seit Jahren für Schlagzeilen. Ein Transparenzregister soll für mehr Klarheit sorgen. Doch einer Studie zufolge wird es von vielen Investoren ignoriert.

Mafia und Corona-Krise IV: Mafiabosse können nach Hause gehen

 

In Italien sind in letzter Zeit gefährliche Mafiabosse, mehrere Schwerkriminelle und Kriminelle aus dem Heer der Mafia-Soldaten in den Hausarrest entlassen worden. Verwunderlich nur, dass erst seit einer Fernsehsendung vom 3. Mai, in der dies Thema war (Non è l’Arena, auf La7), die Wogen auch außerhalb der wenigen Medien, die sich traditionell mit dem Thema Mafia befassen, hochschlagen. Jetzt sucht man nach Schuldigen.

  1. bis 9. März 2020: Ganz Italien, das von der Corona-Pandemie besonders stark betroffen ist, wird von Revolten in 22 Gefängnissen erschüttert. Die Aufstände fordern zahlreiche Opfer, darunter auch 12 Tote. Und da die Rebellionen am gleichen Tag, zur gleichen Stunde losgehen und auch zeitgleich wieder enden, und auf Grund weiterer merkwürdiger Vorkommnisse gehen die Ermittler von einer gemeinsamen Regie aus dem Untergrund aus: Die Mafia nutzt die Pandemie, um für ihre Häftlinge Verbesserungen oder gar die Freiheit zu erreichen…..Ilfattoquotidiano.it
  2. April 2020: Nachdem schon mehrere Häftlinge „wegen Corona“ in den Hausarrest entlassen wurden, entscheidet der zuständige Richter, dass der Camorra-Boss Pasquale Zagaria, der in Sassari in Isolationshaft einsitzt (der sog. 41bis, vorgesehen für Mafiabosse, für Terroristen und Pädophile), in den Hausarrest entlassen wird. Der Richter hatte immer wieder darum gebeten, für den kranken Boss einen alternativen Gefängnisplatz zu den Bedingungen des 41 bis zu finden. Doch von der zuständigen Behörde, dem Dap (die nationale Gefängnisverwaltung), kam im Laufe eines ganzen Monats keine entsprechende Antwort. So entschied sich der Richter für den Hausarrest. Übrigens: Außer Zagaria dürfen auch andere Häftlinge nach Hause. Die Meldungen überschlagen sich, Vertreter der Antimafia kritisieren, der Staat erwecke den Anschein, sich der Erpressung der Mafia durch die Gefängnis-Revolten zu fügen.
  3. April 2020: Der Chef des Dap tritt zurück. Der Justiziminister Bonafede installiert an der Spitze der Behörde zwei Antimafia-Richter.
  1. Mai 2020: Der Journalist Massimo Giletti lädt in seine Sendung hochrangige Experten ein, um eine sachgerechte Rekonstruktion der Ereignisse zu ermöglichen: Warum werden gefährliche Schwerkriminelle aus dem 41bis entlassen und in Hausarrest geschickt? Im Lauf der Sendung gelangt man zu dem Ergebnis, dass bisher 3 Häftlinge, die zu den Bedingungen des 41 bis einsaßen, in den Hausarrest entlassen wurden. Aber auf dem Schreibtisch des Leiters des Dap bzw. des Ministers liege ein Stapel von knapp 300 Anträgen auf Umwandlung der Haftstrafe in Hausarrest. Man diskutiert über die Frage, weshalb der Justizminister sich nicht rechtzeitig um spezielle Maßnahmen für die italienischen Gefängnisse in Zeiten der Pandemie gekümmert habe, weshalb der Leiter des Dap zurückgetreten ist, warum überhaupt jemand zum Chef dieser Behörde gemacht wurde, der trotz seiner persönlichen Meriten nicht geeignet war, die besonderen Probleme mit den gefährlichen Mafiabossen zu händeln.

Der ehemalige Staatsanwalt De Magistris erwähnt, dass der Justizminister 2018 den Richter Nino Di Matteo gefragt hatte, ob er nicht die Leitung des Dap übernehmen oder eine Position im Justizministerium haben wolle – ein Posten, den als erster Giovanni Falcone eingenommen hatte. Er solle zwischen diesen beiden Optionen wählen. Daraufhin meldet sich Di Matteo telefonisch in der Sendung und rekonstruiert, wie es kam, dass er eben doch nicht Chef der Gefangenenverwaltung geworden ist: Als nämlich bekannt wurde, dass möglicherweise Di Matteo zum Leiter des Dap ernannt werde, meldete die Gefängnispolizei, dass Mafia-Bosse sich von einem Stockwerk zum anderen zugerufen hätten, „Der scharfe Hund, wenn der kommt, dann ist es aus mit uns!“ Sie hätten mit Streik und Revolten gedroht. Und als Di Matteo am nächsten Tag dem Minister mitteilen wollte, er akzeptiere die Aufgabe im Dap, habe er zur Antwort bekommen, man habe es sich anders überlegt, die Aufgabe im Ministerium sei doch viel interessanter. Im Fernsehstudio streitet man nun über die Frage, ob der Protest der Mafiosi Einfluss auf die Entscheidung des Ministers gehabt haben könnte, einen Rückzieher zu machen. Nun meldet sich auch der Minister telefonisch zu Wort. Bonafede weicht aus, unterstreicht mit vielen Worten, dass dies ein konstruierter Zusammenhang, eine persönliche Wahrnehmung Di Matteos sei, aber kein Fakt. Aber weshalb er dann Di Matteo abgesagt hat, darauf gibt er keine Antwort.

www.la7.it (das Thema der aus dem Gefängnis entlassenen Häftlinge beginnt nach 1 Stunde und 10 Minuten)

  1. Mai 2020: Der Justiziminister Bonafede verkündet: „Die Unabhängigkeit der für die Haftbedingungen zuständigen Richter ist heilig, sie wenden geltendes Gesetz an. Aber die Gesetze machen wir. Der Hausarrest wurde wegen der Krise im Gesundheitswesen zugestanden. Aber jetzt hat sich die Lage geändert.“ Er kündigt damit an, an einem Gesetz zu arbeiten, das die entlassenen Häftlinge wieder in die Gefängnisse zurückbeordern soll. – Die Opposition stellt ein Misstrauensvotum gegen den Minister, über das am 13. Mai abgestimmt werden wird. Il fatto berichtet, es seien 456 Mafiabosse, die einen Antrag gestellt haben, wegen der Coronakrise in Hausarrest gehen zu dürfen.

Geldpolitik teilweise verfassungswidrig

 

Verfassungsgericht: Bundesregierung und Bundestag hätten es vorher prüfen müssen.

Das Urteil ist gefallen: Regierung und Parlament dürfen nicht der Zentralbank allein überlassen, Anleihen von Krisen-Staaten der EU zu erwerben.
Beschlüsse der EZB zum Staatsanleihekaufprogramm kompetenzwidrig /Urteil

Der Aufkauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) verstößt teilweise gegen das Grundgesetz. Dieses Urteil hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag verkündet. Grund: Bundesregierung und Bundestag hätten die EZB-Beschlüsse prüfen müssen. Das geschah aber nicht.

Das Urteil erging mit sieben zu eins Stimmen. „Bundesregierung und Deutscher Bundestag sind aufgrund ihrer Integrationsverantwortung verpflichtet, der bisherigen Handhabung der PSPP (das EZB-Aufkaufprogramm) entgegenzutreten“, heißt es in dem Urteil.

Bedeutet: Regierung und Parlament dürfen es nicht allein der Zentralbank überlassen, Anleihen von kriselnden EU-Staaten zu kaufen, um sie damit zu unterstützen.

Auswirkungen auf Corona-Hilfen?

Die aktuellen Corona-Hilfen der EZB sind nicht Gegenstand der Entscheidung. Trotzdem könnte das Urteil jetzt Auswirkungen haben. Unlängst hatte die Euro-Notenbank im Kampf gegen die Coronavirus-Krise ein zeitlich begrenztes neues Rettungsprogramm zum Kauf von Staatsanleihen und anderer Bonds im Volumen von 750 Milliarden Euro beschlossen. Nach dem Urteil vom Dienstag müssen Bundesregierung und Parlament das aber prüfen und absegnen…..Tagesschau

Arend van Dam
https://www.w-t-w.org/en/arend-van-dam/

Holt die Billionen der Geldwäscher
Warum nicht ran an die illegalen Schwarzvermögen?

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit weltweit geschwächt

 
Laut der Bertelsmann-Stiftung (Studie, Economy gehen Gewaltenteilung und Redefreiheit zurück. Besonders alarmierend: Auch einst stabile Demokratien werden zusehends autoritär regiert.
Zudem habe sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre die Finanzlage der Staaten verschlechtert: Während im Jahr 2020 fast 40 Prozent der untersuchten Länder eine stabile Fiskalpolitik aufweisen konnten, seien es inzwischen nur noch halb so viele. Zahlreiche Länder kämpfen mit sehr hohen Staatsschulden, einige von ihnen müssen ein Fünftel ihres Budgets für Zinszahlungen aufwenden.

Als Ursachen für den weltweiten Demokratieabbau sehen die Autorinnen vor allem Machtsicherung und Vetternwirtschaft, die wirtschaftliche Ungleichheit verstärkten und zur Spaltung der Gesellschaft beitrügen. Im Weltdurchschnitt seien schwache Sozialsysteme, hohes Armutsrisiko und strukturelle wirtschaftliche Diskriminierung von Frauen und Minderheiten der Normalfall. Alle diesbezüglichen Werte seien im Vergleich zur Untersuchung von 2010 gestiegen – und damit parallel zur Auswettung autoritärer Tendenzen…Die Zeit

Organisierte Kriminalität – Geht uns alle an!

 

Die jährliche Geldwäsche wird weltweit auf bis zu $ 4,2 Billionen geschätzt, mit steigender Tendenz. (Munich Security Conference – Transnational Security Report June 2019.

Diese illegalen Gelder unterminieren die Demokratie und den Rechtsstaat wie der Europarat festgestellt hat (Resolution2279 (2019) vom 11.04.2019).