Tax Wars – Krieg der Steuern

Wirtschaft und Finanzen sind zu wichtig, um sie allein den Politikern und Technokraten zu überlassen. Wir alle brauchen mehr Finanzbildung, sagt Jayati Ghosh/ ICRICT in diesem hochinteressanten Arte Beitrag .

Der Dokumentarfilm blickt hinter die Kulissen im weltweiten Kampf gegen die Steuerflucht von Großkonzernen. Das Thema ist von großer Bedeutung: Steuereinnahmen dienen in Zeiten zunehmender Ungleichheit und eines erstarkenden Populismus dazu, den Sozialstaat und den Kampf gegen den Klimawandel zu finanzieren.

Dabei gibt es Ansätze für eine gerechtere und nachhaltige Gesellschaft. Einer von ihnen fußt auf der Beendigung der Steuerflucht von Großkonzernen.

Thomas Piketty, Joseph Stiglitz, Eva Joly, Gabriel Zucman und Jayati Ghosh haben sich diesem Ziel verschrieben und 2015 die Unabhängige Kommission für die Reform der Internationalen Unternehmensbesteuerung (ICRICT) gegründet. Sie schrieben Berichte, kontaktierten Ministerien, gaben zahlreiche Konferenzen und unterstrichen immer wieder die Dringlichkeit einer Neuordnung des globalen Steuersystems.

Nach sechs Jahren wurden ihre erst als utopisch abgetanen Forderungen zum Leitfaden für eine historische Steuerreform, die im Oktober 2021 von 140 Staaten unterzeichnet wurde. Sie könnte den Staaten um die 220 Milliarden Dollar an zusätzlichen Steuereinnahmen verschaffen. Das wäre zwar immer noch nicht genug, aber immerhin ist es die erste derartige Veränderung in diesem Jahrhundert. Steuerflucht ist kein Kavaliersdelikt mehr und wird härter geahndet.

Der Dokumentarfilm zeichnet die Überzeugungsarbeit dieser Wirtschaftsweisen nach: wie sie die öffentliche Meinung für sich gewannen und sich gegen die mächtigsten Konzerne der Welt behaupten konnten.

 

Dokumentarfilm von Hege Dehli und Xavier Harel (F/N 2024, 93 Min)

Dr. Jan Tomaschoff
www.w-t-w.org/en/dr-jan-tomaschoff/

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Italien: Schrittweise Demontage einer demokratischen Republik?

 – Persönliche Gedanken einer Zeitungsleserin.

Freunde Italiens gibt es bei uns in Deutschland zu Hauf. Wer von ihnen sich auch für italienische Politik interessiert, hatte in der Vergangenheit schon manches Mal Grund, fragend die Stirne zu runzeln, gleichzeitig konnte man von 2012  bis 2018 verfolgen, wie „das andere Italien“ – so nennen sich Antimafia-Aktivisten selber –  einen unglaublichen Erfolg feiern konnte. In Palermo mussten im sog. Prozess zur trattativa (1) neben Mafiabossen auch ehemalige Minister und hohe Ränge der Carabinieri nebeneinander auf der Anklagebank Platz nehmen: „Erpressung eines  staatlichen Gremiums“ lautete die Anklage. Sie bezog sich auf die Verhandlungen, die 1992 einige Carabinieri durch Vermittlung des Mafia-Politikers Vito Ciancimino mit dem Boss der Bosse, Totò Riina, aufgenommen hatten. Die erste Instanz endete mit hohen Haftstrafen. Doch danach wendete sich insgesamt das Blatt: Man musste feststellen, dass die Mafia sich auch unter der Maske der Antimafia versteckt, das höchste Richtergremium, der CSM, wurde von Skandalen erschüttert, und im Januar 2022 musste ein neuer Staatspräsident gewählt werden. Es erfolgte ein würdeloser Kampf der Parteien um einen geeigneten Kandidaten. Darunter der 86jährige Silvio Berlusconi, der übrigens von Manfred Weber CSU/EVP unterstützt wurde! Das Spektakel endete zur Erleichterung ganz Italiens damit, dass Sergio Mattarella (damals 81) einer Wiederwahl zustimmte.

Auch der Verlauf des Prozesses zur trattativa nahm eine negative Wendung: In der 2. Instanz sprachen die Richter außer den Mafiabossen alle Angeklagten frei:  die 3 Carabinieri „weil die Tat“, dass Staatsvertreter mit Cosa Nostra verhandeln „kein Verbrechen ist“ (2), Dell’Utri „weil er die Tat nicht begangen hat“ (3). Und die 3. Instanz bestätigte 2023 die Freisprüche und hob u.a. hervor, dass die Carabinieri „die Tat nicht begangen“ hätten.  Die Anklage lautete „Erpressung des italienischen Staats“, die Richter der 3. Instanz aber attestierten den Polizeibeamten, spontan, vielleicht etwas unüberlegt, aber in bester Absicht – nämlich weitere blutige Attentate zu verhindern – gehandelt zu haben.

Werfen wir einen Blick auf die Regierungen: Die Regierungschefs Conte und Draghi hielten nicht lange durch, und so kam es, dass im Oktober 2022 zum ersten Mal in Italien eine Frau Ministerpräsidentin wurde. Sie führt mit ihrer Partei Fratelli d’Italia (FDI) „Brüder Italiens“ – mit diesen Worten beginnt die italienische Nationalhymne  – eine rechtsextreme Koalition an: Der Stammbaum der Meloni-Partei reicht über die  postfaschistische Alleanza nazionale und den Movimento Sociale Italiano, der im Dezember 1946 gegründet wurde, zurück bis in die Zeiten des italienischen Faschismus. Koalitionspartnerin ist die erzkonservative Lega, ehemals Lega Nord, für die ein einheitliches Etikett zu finden mir schwerfällt (4). Die Dritte im Bunde ist Berlusconis Forza Italia: Was auch in der deutschen Presse immer wieder ausgeklammert wird (ist das jetzt Diskretion oder Omertà?): Forza Italia ist die Partei der Mafia, denn die beiden wichtigsten Gründungsmitglieder waren Berlusconi, der jahrelang Cosa Nostra finanziert hat, und „die rechte Hand von Berlusconi“, Marcello Dell’Utri, der eine 7jährige Haftstrafe absitzen musste, weil er der „Botschafter“ der Cosa Nostra im Hause Berlusconi gewesen war.

Zurück zur aktuellen Regierung Meloni (Hier ein auch nur annähernd vollständiges Bild zeichnen zu wollen, ist mir kaum möglich):

Zuerst wurden die meisten Corona-Maßnahmen beendet und dann starb Silvio Berlusconi! Mit ihrem pompösen Maßnahmenkatalog brachte die neue Regierung wie gehabt alle etwaigen Seufzer der Erleichterung und alle kritischen Stimmen zum Verstummen:  Staatsbegräbnis (die einzige gesetzlich  vorgesehene Maßnahme) + Trauerbeflaggung im ganzen Land + dreitägige Staatstrauer der Regierung, + Trauerpause des Parlaments, Dauer: 1 Woche. Ehrungen und Lobhudeleien auf den Verstorbenen in allen Fernsehkanälen und fast allen Presseorganen. (5)  Und was das Schlimmste ist: Falls jemand hoffte, der Berlusconi-Spuk habe jetzt ein Ende, der musste erkennen, dass er sich irrte: Die Ideen des Ex-Cavaliere leben munter weiter: Als z.B. der Justizminister Nordio sein Reformpaket für die italienische Justiz im Sommer 2023 vorstellt, betont er, es sei der Erinnerung an Berlusconi gewidmet. Es sei so schade, dass dieser die Umsetzung der von ihm schon immer geforderten Reformen der Justiz nicht mehr miterleben könne, und er schließt: „Und die Verfassung ändern wir auch noch!“ (6) Vorläufig letzte staatliche Huldigung: Berlusconi erhält eine eigene Briefmarke.

Berlusconi hat mit seiner Politik übrigens für einen neuen Begriff gesorgt: le leggi ad personam, d.h. Gesetze, die nicht für das Wohl der italienischen Bürger gemacht wurden, sondern damit eine einzelne Person, nämlich Berlusconi selber, daraus Nutzen ziehe. Die Zeitung repubblica zählte 18 dieser Gesetze auf (7): Hat er die Abgeordneten überzeugt, gezwungen, erpresst, gekauft? Das weiß man nur in wenigen Fällen. Jedenfalls ist es ihm gelungen, sich mit einer Ausnahme (wegen Steuerhinterziehung) jeder Strafverfolgung zu entziehen. Und der vielleicht heikelste Prozess, der in Florenz vorbereitet wird – angeklagt sind Berlusconi und Dell’Utri, die Auftraggeber der „Mafia“-Attentate in Florenz, Rom und Mailand (1993) gewesen zu sein, hat sich für ihn durch seinen Tod nun ebenfalls erledigt.

Wir sind im Sommer 2023: Viele Italiener erleben kurz vor Ferienbeginn einen Schock, ausgelöst durch eine SMS auf dem Handy: Auf diesem Wege wurde den Beziehern des „Bürgergeldes“, das erst 2019 von der Regierung Conte eingeführt worden war, mitgeteilt, dass ihre Berechtigung zum Bezug gecancelt werde (8). Die Zahl der Berechtigten schrumpft damit von ca. 1,7 Millionen auf 300 000. Was passiert, wenn sich der Staat aus einer Pflicht verabschiedet, die er seinen Bürgern schuldet? Die Mafien springen ein. In der Vergangenheit, wenn die Bürger zu den Wahlurnen gerufen waren, war es schon gang und gäbe, dass die Mafia Wähler-Stimmen statt in Euro mit vollen Einkaufstüten bezahlte. Auch während der Corona-Pandemie wurden die Ärmsten der Armen nicht nur von kirchlichen Organisationen, sondern auch von Lieferdiensten der lokalen Mafia versorgt. Was wird also die Abschaffung des Bürgergelds bewirken? Man kann es sich vorstellen.

Das wichtigste Reformpaket der Berlusconi-Nachfolger aber ist die Reform der Justiz: Stets vorgebrachter Vorwand für die Reformen ist die Aufforderung aus Europa, die Prozessdauer zu verringern. Ein Gerichtsurteil ist in Italien erst endgültig, wenn es in 3. Instanz bestätigt ist. Beim Prozess zur sog. trattativa (Beginn 2012) kam das endgültige Urteil Ende 2023. Man kann aber von einem Vorwand sprechen, denn er macht auch Reformen möglich, die dazu dienen, die von der italienischen Verfassung vorgesehene völlige Unabhängigkeit der Justiz von der Exekutive zu modifizieren oder gar abzuschaffen. Was Berlusconi in den langen Jahren seiner Herrschaft nicht gelungen ist, schafft jetzt die Regierung Meloni. Wenden wir uns zunächst den Reformen des Justizministers Nordio zu. Die wichtigsten Punkte:

  • Untersuchungshaft: Sie muss nun von drei Richtern statt von einem angeordnet werden und darf nicht mehr unangekündigt erfolgen: Die betroffene Person muss fünf Tage vorher benachrichtigt werden, dass sie sich einer Befragung stellen muss, die zur Untersuchungshaft führen kann. (Das heißt, wer sich der Verhaftung entziehen will, hat künftig fünf Tage Zeit, um sich aus dem Staub zu machen).
  • Die Staatsanwaltschaft kann nach einem Freispruch in 1. Instanz (betrifft eine Reihe von Vergehen) nicht mehr in Berufung gehen.
  • Abschaffung des Gesetzes gegen Amtsmissbrauch. Es wird ersetzt durch eines, das „unerlaubte Einflussnahme“ (durch Geldzuwendungen oder andere Geschenke) auf Behördenvertreter oder Personen, die im Auftrag einer Behörde handeln, unter Strafe stellt. (9)
  • Die Veröffentlichung von Abhörmaßnahmen ist nur noch dann erlaubt, wenn der Richter deren Inhalt in der Begründung einer gerichtlichen Maßnahme oder im Verlauf der Gerichtsverhandlung verwendet. Ebenfalls nicht veröffentlicht werden dürfen Abhörprotokolle, in die dritte Personen involviert sind. Begründung: Sie kosten zu viel, verletzen die Privatsphäre. Außerdem soll verhindert werden, dass Staatsanwälte daraus falsche Beweise konstruieren, und dass In den Medien Prozesse geführt werden, die vor Gericht gehören. (10)
  • Die Verjährung wird ohne Übergangslösung neu geregelt.
  • Smartphones, Tablets und Computer der Beschuldigten dürfen nur noch beschlagnahmt werden, wenn der Ermittlungsrichter dies erlaubt. Eine zweite richterliche Erlaubnis ist notwendig, wenn von dem darauf gespeicherten Material etwas für die Ermittlungen verwendet werden soll.
  • Neue Regelungen für magistrati (11): Die Abschlussprüfungen für angehende Richter und Staatsanwälte werden durch psychologische Eignungstests ergänzt, außerdem sollen Rechtsanwälte (von denen sehr viele für eine bestimmte politische Partei oder gar für die Regierung im Parlament sitzen) eine pagella, ein „Zeugnis“, für deren Arbeit erstellen. Kriterium für die Bewertung ist Erfolg oder Nichterfolg der von ihnen geführten Prozesse. Wird einem Richter/Staatsanwalt zum zweiten Mal mangelnder Erfolg bescheinigt, wird er entlassen.

Angriffe der Meloni-Regierung auf Presse- und Meinungsfreiheit: Das Staatsfernsehen RAI wurde schon in der Vergangenheit von der jeweiligen Regierung für eigene Zwecke missbraucht. Auch die Regierung Meloni macht da keine Ausnahme: In den Medien nennt man die RAI inzwischen Tele-Meloni: zu Recht, denn die Regel, dass die verschiedenen Parteien die gleiche Sendezeit in Anspruch nehmen dürfen, gibt es nicht mehr und die Regierung kann sich zu allem direkt äußern, ohne dass eine journalistische Einordnung oder die Präsentation von Gegenstimmen verlangt wäre. Unliebsame Sendungen und Moderatoren werden abgesetzt: Beispiele sind Roberto Savianos Sendung faccia a faccia col crimine (von Angesicht zu Angesicht mit dem Verbrechen) und Sigfrido Ranucci mit seiner Sendung „Report“, die für ihre journalistischen Recherchen zu heiklen Themen aller Art bekannt ist. Der Moderator wurde vom Aufsichtsgremium der RAI zu einer Befragung einbestellt, die letzten Folgen seiner Sendung, die bisher stets im Sommer wiederholt wurden, sind für 2024 gestrichen. Fabio Fazio, ein Moderator, der für die journalistische Qualität seiner wöchentlichen Talkshow sehr geschätzt wurde, bekam seinen Vertrag einfach nicht verlängert. Letztes Beispiel: Der 25. April ist in Italien ein nationaler Feiertag, an dem der Befreiung vom Nazifaschismus durch den Aufstand der Partisanen gedacht werden soll. Was passiert in einem Land, das von Anhängern des Faschismus regiert wird? Der fürs Staatsfernsehen vorgesehene Monolog des mit einer dreibändigen Mussolini-Biographie berühmt gewordenen Autors Antonio Scurati zum Thema Faschismus wird kurz vor Sendungsbeginn abgesetzt. Dem Vorwurf der Zensur begegnet die Regierungschefin mit der Begründung, Scuratis Beitrag koste zu viel, außerdem  ist sie so klug, den Text auf ihrer Facebook-Seite zu veröffentlichen (12)

Und der Wind für Journalisten wird in nächster Zukunft noch rauer werden: Im April 24 kündigt die Regierung an, das Gesetz gegen Diffamierung durch die Presse dahin gehend verbessern zu wollen, dass Journalisten in einem solchen Fall bis zu 4 ½ Jahre Gefängnis riskieren müssen.

Unbeliebt in Regierungskreisen sind nicht nur viele Medienvertreter, sondern auch Oppositions-Politiker, die sich nicht an das Regierungsnarrativ halten. Darunter ist auch Roberto Scarpinato, einer der klügsten Köpfe der Antimafia-Richter, die sich in ihrer Arbeit den Werten der italienischen Verfassung verpflichtet fühlen. Nach seiner Pensionierung wurde er auf der Liste der Fünfsterne-Bewegung in den Senat gewählt. Seine Redebeiträge sind dort ziemlich unbeliebt, weil er es gewohnt ist, stets den Finger in die Wunde zu legen – so unbeliebt, dass ihm der Senatspräsident Ignazio Benito La Russa (13) einmal, als der Senator auf Mafia und Dell’Utri zu sprechen kam, einfach das Mikrofon abdrehte.

„… und die Verfassung ändern wir auch noch!“ hat der Justizminister im Parlament verkündet. Er bezieht sich dabei auf „die Mutter aller Reformen“, wie Meloni das Projekt nennt. Es sieht die Direktwahl des Regierungschefs durch „das Volk“ vor, es genügt dabei die einfache Mehrheit. Die Wahlbündnisse müssen jeweils einen Kandidaten benennen, und ist er gewählt, erhält dessen Bündnis automatisch 55 Prozent der Sitze im Parlament und im Senat. – Allerdings braucht man auch in Italien zu einer Verfassungsänderung eine Zweidrittel-Mehrheit – noch gilt das.

Anmerkungen:

  1. Vollständiger Name: processo sulla trattativa Stato-mafia“– Prozess zu den Verhandlungen des italienischen Staates mit der Mafia. Wie kam es zu diesem Prozess? Im Januar 1992 bestätigte die 3. Instanz des von Falcone und Borsellino instruierten „Maxiprozesses“ gegen die Mafia die Urteile der vorangegangenen Instanzen: Für über 400 angeklagte Mafiosi wurden insgesamt 2665 Jahre Haft, darunter 19 Mal lebenslänglich, verhängt. Diesen Schlag hatte Cosa Nostra nicht erwartet – in der Vergangenheit endeten Mafia-Prozesse mit Freisprüchen – und so begann der Rachefeldzug der Mafia mit der Ermordung des für die Mafia tätigen Politikers der Democrazia cristiana Salvo Lima (März), es folgten die Attentate auf Giovanni Falcone (23.Mai1992) und Paolo Borsellino (19. Juli 1992). Etwa gleichzeitig machten sich hochrangige Polizeibeamte daran, den Kontakt zu Totò Riina für Verhandlungen zu suchen, um zu ermitteln, unter welchen Bedingungen die Mafia bereit wäre, den Kampf gegen den Staat einzustellen. Es existiert auch eine handgeschriebene Liste Totò Riinas mit seinen Forderungen: fast alle beziehen sich auf die Haftbedingungen für Mafiosi.
  2. Das ist sachlich richtig. In der italienischen Strafprozess-Ordnung kommt ein solches Vergehen gar nicht vor (vielleicht, weil man es sich davor gar nicht vorstellen konnte?)
  3. In der Begründung des Urteils wurde bemängelt, dass kein Beweis dafür vorgelegen habe, dass Dell‘Utri die Nachricht der Cosa Nostra, die er Berlusconi überbringen sollte, auch tatsächlich ausgerichtet habe.
  4. Die Lega Nord, gegründet 1989, vertrat zuerst separatistische Ziele, v.a. die Loslösung eines eigenen norditalienischen Staates, Padaniens, vom Süden. Man könnte sie als rassistisch, als gegen den Zentralstaat und manche seiner Gesetze gerichtet und als migrationsfeindlich bezeichnen.
  5. Die einzige mir bekannte Zeitung von nationaler Bedeutung, die nicht in irgendeiner Weise zum Medien-Imperium der Familie Berlusconi gehört, ist der Fatto quotidiano
  6. Zum Inhalt der geplanten Verfassungsänderung: s.u.
  7. Repubblica.it/
  8. Vielleicht vergleichbar mit Hartz IV
  9. Die italienische Regierung ignoriert damit die Vorgaben aus Brüssel zur Bekämpfung von Korruption und Amtsmissbrauch
  10. Der erbitterte Dauer-Protest zahlreicher Staatsanwälte weist darauf hin, dass die Abhörmaßnahmen eines der wichtigsten Instrumente der Strafverfolgung sind und betont, dass die schlimmsten Mafiabosse ohne sie nie im Gefängnis gelandet wären und dass Erkenntnisse über verbrecherische Machenschaften in Politik, Behörden, Wirtschaft usw. nie ans Tageslicht befördert worden wären. Roberto Scarpinatos Kommentar: „Die Mächtigen wollen sich nicht nur nicht den Prozess machen oder sich von einem Gericht verurteilen lassen, – sie wollen vor allem nicht, dass man erzählt, was sie tun“
  11. Im Italienischen gibt es für Richter und Staatsanwälte das gleiche Wort: il magistrato
  12. Das Phänomen hat auch einen nicht zur RAI gehörenden Sender erreicht: Der Betreiber des Fernsehsenders La7, Urbano Cairo, ein Schüler Berlusconis, was die Schaffung eines Medien-Imperiums angeht, setzte die Sendung Non è l’Arena von Massimo Giletti ab, als die anstehende Folge Berlusconis rechte Hand Dell’Utri zum Thema machte. Cairo ist übrigens seit 2016 zum Herrn über den Corriere della Sera geworden.
  13. Das Amt des Senatspräsidenten ist das zweithöchste im italienischen Staat. La Russa ist bekennender Faschist. Dem Corriere della Sera gab er anlässlich eines Interviews einen Einblick in seine Privatwohnung: Im Wohnzimmer hat er Mussolini-Büsten und andere Erinnerungsstücke an die Mussolini-Zeit gesammelt. Auch vor dem Hitlergruß in der Öffentlichkeit oder im Parlament scheut er nicht zurück:
    La Russa saluto romano

Zu Corona-Zeiten empfahl er, anstelle eines Händedrucks den Hitlergruß zu machen, denn dadurch würden keine Viren übertragen.

By ismail dogan
on September 26, 2022

 

Wirtschaftskriminalität jedes dritte Unternehmen betroffen!

Weltweit ist fast jedes zweite Unternehmen von Wirtschaftskriminalität betroffen.

Betrug, Korruption, Preisabsprachen, Steuerhinterziehung oder Schwarzarbeit: Von Wirtschaftskriminalität ist 2023 ein Drittel der Unternehmen in Deutschland konfrontiert gewesen. manager-magazin

Entwicklungen, Täterprofile und Präventivmaßnahmen

Neben einem Vertrauens- verlust und Reputationsschäden führt Wirtschaftskriminalität zu finanziellen Einbußen und erheblichem Mehraufwand für Ermittlungen, Folge- und Präventionsmaßnahmen. Zur Reduktion von wirtschaftskriminellen Handlungen bedarf es verschiedener Ansätze:

Es sollten vor allem präventive Vorkehrungen getroffen werden, beispielsweise durch die Etablierung eines Wertemanagementsystems. Das Thema Wirtschaftsethik sollte Gegenstand von Führungskräfteausbildungen sein, um die Basis für integres Wirtschaften zu legen.

Außerdem sollten interne Anlaufstellen im Betrieb eingerichtet werden da diese es den Mitarbeitenden ermöglichen auf wirtschaftskriminelles Verhalten zu reagieren, beispielsweise indem sie illegale Aktivitäten durch Whistleblowing-Programme melden können. Ergänzend dazu können Unternehmen auf Nudges wie Reminder zurückgreifen, um es den Mitarbeitenden so leicht wie möglich zu machen, sich integer zu verhalten. Neben verhaltensbezogenen Ansätzen muss auch die Sicherheit durch technische Maßnahmen gewährleistet werden, um sich vor externen Gefahren abzusichern.

Da Unternehmen einem ständigen Wandel mit neuen Sicherheitslücken ausgesetzt sind, gilt es die technologischen wie auch verhaltensbezogenen Maßnahmen regelmäßig auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität als kontinuierlichen Prozess zu verstehen.

IW-Report_2024-Wirtschaftskriminalität

Hawala-Banking

und unerlaubte Zahlungsdienstleister – Kein Auslaufmodell für Geldwäsche.

mafianeindanke.de berichtet:
Typologien und Methoden der Geldwäsche sind einem ständigen Wandel unterworfen. Neue Techniken in und auch außerhalb des Finanzsektors wie die Nutzung von privaten Kryptowerten (etwa Bitcoin, Etherum oder Ripple) kommen zumindest bei professionellen Geldwäschern zum Einsatz, um die Spur des Geldes noch effizienter zu verwischen, dadurch Ermittlungen zu erschweren und sich die illegal generierten Vermögensgegenstände dauerhaft anzueignen.

Das Massengeschäft im Zahlungsverkehr ist für Geldwäsche vulnerabel – auch der legale ZahlungsverkehrDies bedeutet nicht, dass sich Geldwäscher traditioneller Typologien nicht mehr bedienen. Es ist auch ein ständig gepflegter Mythos, dass der Finanzsektor heute aufgrund konsequenterer Regulierung geringeren Geldwäscherisiken als der Nicht-Finanzsektor unterworfen ist. Unter den Bankgeschäften ist gerade der Zahlungsverkehr, den von der BaFin lizensierte Zahlungsdienstleister einschließlich der Banken im Massengeschäft anbieten, vulnerabel. Dies ist Resultat seiner Effizienz, Gelder von A nach B in Sekundenschnelle vom Auftraggeberkonto über den ganzen Globus zum Empfängerkonto zu bewegen. Im Zeitalter der Globalisierung und der weitgehenden Beseitigung von Kapitalverkehrskontrollen gibt es keine staatlichen Schranken mehr. Davon profitiert das legale wie das illegale Kapital. Sogenannte Instant Payments müssen im Europäischen Zahlungsraum zukünftig aufgrund der EU-Vorgaben innerhalb von 10 Sekunden durchgeleitet werden können.

Eine entsprechende EU-Verordnung steht kurz vor der Finalisierung. Im bargeldlosen Zahlungsverkehr wird Giralgeld mittels unbarer Zahlungsinstrumente wie z. B. Überweisung, Lastschrift, Scheck mit E-Geld oder Kartenzahlung von einem Konto zu einem anderen übertragen. Im Jahr 2021 wurden im Bereich der Europäischen Zentralbank 114 Milliarden Transaktionen im bargeldlosen Zahlungsverkehr getätigt.Geldwäscherisiken bestehen im Massengeschäft selbst für diejenigen Institute, die im internen Risikomanagement ihre geldwäscherechtlichen Organisationspflichten ordnungsgemäß erfüllen und im Rahmen ihrer Customer Due Diligence-Pflichten EDV-gestützte Monitoringsysteme in den Instituten zur parametrisierten Herausfilterung von Transaktionen einsetzen, die unter Geldwäscheaspekten auffällig sind.

Diese im Massengeschäft des Zahlungsverkehrs aufgrund bestimmter Parameter herausgefilterten Transaktionen sind dann in einer zweiten Phase einer händischen Detailprüfung im Verbund mit den über den Kunden vorhandenen, sonstigen Kundendaten zu unterziehen. Zweck dieser Monitoringsysteme ist es, auf der Grundlage von Parametern, die auf dem Erfahrungswissen über Geldwäschetypologien beruhen, typischerweise geldwäscherelevante Transaktionen und Fallkonstellationen aus den banktäglich in Millionenhöhe von Banken durchgeleiteten Transaktionen herauszufiltern, diese auf Geldwäscherelevanz zu überprüfen und die entsprechenden Sicherungsmaßnahmen einschließlich der Erstattung einer Meldung nach § 43 GwG an die FIU zu treffen.

Verbotene Transfersysteme im Zahlungsverkehr – Das Beispiel Hawala Banking. Neben den lizenzierten und von der Finanzmarktaufsicht BaFin beaufsichtigten Zahlungsdienstleistern und der von der Europäischen Zentralbank überwachten Zahlungssysteme existieren auch etablierte, verbotene (informelle) Zahlungssysteme. Diese betreiben das Finanztransfergeschäft, insbesondere für Zahlungen in Echtzeit etwa in den Vorderen Orient, nach Westafrika oder nach Indien und in die Volksrepublik China. Sie werden erfolgreich zur Geldwäsche genutzt. Das sogenannte Hawala-Banking oder Underground Banking eignet sich auch für die Finanzierung des Terrorismus.Offen geworben wird für diese Dienstleistung nicht; es wird einer ausgewählten Klientel in ethnischen Communities oder gegenüber Organisierten Kriminellen angeboten.

Die Kategorie der ethnischen Abgeschlossenheit solcher Systeme verliert interessanterweise im Zeitalter der Globalisierung immer mehr an Bedeutung – wie bei einzelnen regionalen Mafiastrukturen in Italien. Dies belegen die von den Ermittlungsbehörden aufgedeckten und erfolgreich abgehörten Chatgruppen in den Hawala-Netzwerken, die nichts mehr von ethnischer Abgeschlossenheit erkennen lassen.

Wurde das Hawala Banking ursprünglich als Medium zur Überweisung von Beträgen in Regionen genutzt, in denen kein dichtes Netz formeller lizenzierte Banken auf der Empfängerseite vorhanden ist oder wie im Irak legale Netzwerke durch Kriegshandlungen und Finanzsanktionen im Kapital- und Zahlungsverkehr zerstört wurden, wird es heutzutage verstärkt zur Geldwäsche, zur Steuerhinterziehung, zur Umgehung von Kapitalverkehrskontrollen einzelner Länder und der Terrorismusfinanzierung genutzt.

Der Anteil an Transaktionen, die in und von der Türkei über solche Systeme durchgeleitet werden, ist überdurchschnittlich hoch, obwohl die Türkei auch außerhalb der großen Städte ein modernes formelles Bankensystem besitzt.Lizenzierte und beaufsichtigte Zahlungsdienstleister sind u. a. der Dokumentationspflicht nach § 8 GWG unterworfen. Abgesehen vom Vorhalten handelsrechtlicher Geschäftsunterlagen müssen sie sich die Identitäten der Zahler und Empfänger offenlegen lassen, diese dokumentieren und nachhalten. Anders als lizenzierte Zahlungsdienstleister werden bei den sogenannten Hawaldaren zur Abwicklung der Zahlungen in der Regel keine komplexen EDV-Systeme festgestellt, sondern oft simple Dokumentationsinstrumente wie Kladden oder Informationen, die auf dem Handy gespeichert sind.

Die Netzwerke basieren auf Vertrauen. Es gibt eine Nachricht, einen Code, die dem Auszahlenden sagen, wieviel der Hawaldar an den Empfänger auszahlen soll.Es wird die Position – auch von der Weltbank oder in der Entwicklungspolitik insgesamt – vertreten, dass die Hawala-Systeme in erster Linie von Migranten für die Durchleitung von Kleinbeträgen (sog. Remittance Zahlungen) an Verwandte im Heimatland genutzt werden, weil die Gebühren bei Hawala-Zahlungen niedriger als im beaufsichtigen Finanzsektor und die Durchleitungen schneller als bei legalen Dienstleistern wie Western Union oder Money Gram sind.

Dies wird implizit mit der Forderung verbunden, Hawala-Systeme lax oder gar nicht zu regulieren.Bei dem Internationalen Standardsetzer gegen Geldwäsche, der FATF, sind sie damit zum Glück mit diesem Petitum nicht erfolgreich gewesen Die Realität ist nämlich eine andere. Solche Systeme sind auch für Unternehmen attraktiv, sofern damit das Interesse an intransparenten Zahlungsströmen, Anonymität und der Verhinderung der Papierspur sichergestellt werden kann. Das klandestine Wesen des Hawala-Systems, die Anonymität und Diskretion, zieht alle möglichen Interessenten an – nicht nur Teppichhändler und Menschen, die ihre Verwandten unterstützen wollen.

Der mutmaßlich größte Hawala-Banker der Welt, ein indischer Geschäftsmann, soll zwei Milliarden Dollar am Tag bewegt haben. Zu seinen Kunden gehörten auch lateinamerikanische Drogenkartelle – und Terrororganisationen. 2022 wurde ein spanisch-britisches Hawala-System aufgedeckt, über das über 200 Mio. Euro für verschiedene Strukturen der Organisierten Kriminalität gewaschen worden sind. 2019 wurde in mehreren deutschen Bundesländern und den Niederlanden ein solches Netzwerk aufgedeckt, welches über 200 Millionen Euro in die Türkei geschleust haben soll. Im Oktober 2021 ergaben Ermittlungen, dass über ein System in NRW über 140 Millionen Euro durchgeleitet worden sind.

Bei der Regulierung und der Aufsicht über den unerlaubten Bereich des Finanztransfergeschäfts wird dem Hawala Banking von der Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) derzeit zu wenig Beachtung auf Leitungsebene und dem BMF, das die Rechts- und Fachaufsicht über die BaFin innehat, geschenkt. Die vorgeschobene Begründung: Hier seien Strafverfolgungsbehörden gefordert und im Übrigen handele es sich um „Kleine Fische“. Die Deutschland-Prüfung 2022 der FATF hat in ihrem Prüfungsbericht diese Lücke bei der Implementierung der FATF-Standards durch die BaFin kritisiert. Geschehen ist seither nichts.Stellen für die spezifische Verfolgung unerlaubter Finanztransfergeschäfte sind bei der BaFin nicht ausgewiesen. Ebenso wenig beim BKA. Aus diesem Grund verwundert es nicht, dass BaFin und Ermittlungsbehörden keinerlei Erkenntnisse über den Verbreitungsgrad und den Geschäftsumfang sowie die Methoden der Hawala-Anbieter haben (BT-Drs. 19/16621).

Soweit Erkenntnisse aus einzelnen Strafverfahren in den Ländern vorhanden sind, werden diese auf Bundesebene nicht zusammengetragen. Diese Erkenntnisse könnten hilfreich sein, die Wirtschaft und den Finanzsektor zu sensibilisieren. In den Nullerjahren hatte dies die BaFin bzw. der Vorläufer BAKred mit Erfolg gemacht. Damals waren die Verdachtsmeldungen an die FIU zum Hawala Banking erheblich höher als heute und Dutzende unerlaubte Betreiber des Finanztransfergeschäfts, insbesondere nach dem Iran und den Kosovo, wurden von der Aufsicht vom Markt genommen. Auch bei Polizei und Justiz hat, wie Huth zutreffend festgestellt hat (Geldwäsche & Recht 03/2021, 90ff.) die Verfolgung des Hawala Banking trotz seiner kriminalpolitischen Bedeutung derzeit nicht die personelle und sächliche Unterstützung, die sie benötigen würde.

Aufsichtsrechtliche und strafrechtliche Bewertung des Hawala Banking.

Wer ohne Erlaubnis oder Registrierung Zahlungsdienste, darunter auch das Finanztransfergeschäft erbringt, kann gem. § 63 Nr. 4, 10 Abs. 1 Satz 1 ZAG mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden.

Geschäfte können darüber hinaus von der BaFin untersagt und die Geschäfte abgewickelt werden. Voraussetzung bei der Erfüllung des Tatbestands des Finanztransfergeschäfts und der Strafnorm ist nicht, dass mit diesen durchgeleiteten Zahlungen Gelder illegalen Ursprungs bewegt werden. Die Sicherheit und Leichtigkeit des volkswirtschaftlich bedeutsamen bargeldlosen Zahlungsverkehrs ist Hintergrund der spezifischen Marktzugangsanforderungen des ZAG (Findeisen, in Ellenberger/Findeisen/Nobbe/Böger, Zahlungsverkehrsrecht 3. Auflage ZAG § 1 RN 101ff). Der Nachweis etwa des Vorliegens der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung als Zahlungsweck muss also für eine Untersagung bzw. ein Strafverfahren gem. § 63 Nr. 4 ZAG nicht geführt werden.

Dieser Aufsichtsmechanismus entspricht der EU-Zahlungsdiensterichtlinie. In Deutschland war man schneller als in der EU und hatte vergleichbare Normen bereits 7 Jahre vorher geschaffen (Findeisen, WM 2000, 2125ff.)

Der Bundesgerichtshof in Strafsachen stuft neuerdings solche unerlaubten Netzwerke nach Art des Hawala-Banking unter bestimmten Umständen als gemeinschaftlich betriebene inländische kriminelle Vereinigung gem. § 129 Abs. 2 StGB ein, was Ermittlungen und die Sanktionierung nicht nur des unmittelbaren Betreibers solcher Geschäfte, sondern auch sonstiger Beteiligter wie für den Betreiber tätige Kuriere oder Agenten ermöglicht. Insoweit kommt es auf die Festlegung von Rollen der Mitglieder und der Kontinuität der Mitgliedschaft in der Vereinigung nicht an (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2022 – 3 StR 403/20, juris Rn. 8 ff.; vom 2. Juni 2021 – 3 StR 61/21, GHR StGB § 129 Abs. 2 Vereinigung 2 Rn. 7 ff.). Bei der kriminellen Vereinigung muss es sich allerdings um eine inländische, nicht um eine ausländische Vereinigung handeln (s. zur Abgrenzung BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 – 3 StR 403/20, juris Rn. 19), sodass es einer Verfolgungsermächtigung des Bundesministeriums der Justiz gemäß § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB (s. hierzu BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 – 3 StR 403/20, juris Rn. 21) nicht bedarf. Dies ist dann der Fall, wenn sich die wesentlichen Strukturen der Vereinigung in Deutschland befinden und dort schwerpunktmäßig agiert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juni 2021 – 3 StR 61/21, NJW 2021, 2979 Rn. 14; s. auch BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 – 3 StR 403/20, juris Rn. 20).

Wie funktioniert ein solches Zahlungssystem?

Simple Formen des Hawala Banking zwischen zwei Ländern funktionieren technisch nach dem System der zwei Töpfe. Der Zahler, der etwa von Deutschland in einen bestimmten Drittstaat überweisen will, wendet sich an einen Händler, der Teil eines grenzüberschreitenden Netzwerks ist. Meist handelt es sich um Juweliere, Import-Export-Unternehmen, Reisebüros, Telefon-Shops, Logistikunternehmer. Diese wenden sich an einen Händler, der Teil des Netzwerks am Ort des Empfängers ist und den Betrag ohne zwingende Zwischenschaltung von Banken an den Empfänger auszahlt. Meistens in bar. Der Zahler hat kein Konto bei dem Händler, der Empfänger in der Regel bei seinem Händler auch nicht.

Beim System der zwei Töpfe müssen beide Töpfe gleich voll sein, damit das System für das Clearing einfach funktioniert. Dies kann bei bestimmten Ländern wie Somalia oder Afghanistan Schwierigkeiten bereiten, da Zahlungen von Deutschland in diese Länder Zahlungen nach Deutschland weit übersteigen, Deshalb wurden die Systeme auf mehrere Empfängerländer ausgedehnt, was eine Echtzeit-Abwicklung erheblich erschwert.

Eine festumrissene Methode der Geldtransfers gibt es bei den Hawala-Systemen nicht (mehr). Zahlungen im Barmodus von Beginn bis zum Ende der Zahlungskette beim Empfänger verlieren an Bedeutung. Die Zwischenschaltung von bei lizenzierten Instituten geführten Konten, die zum Teil als Poolkonten geführt werden, gewinnt an Bedeutung. Aus diesem Grunde wurde der Tatbestand des Finanztransfergeschäfts von Anfang an als Auffangtatbestand konzipiert, um alle Varianten zu erfassen. Benötigt werden jedoch in jedem Fall interne Verrechnungssysteme. Wenn 10.000 Euro nach Mogadischu geflossen sind, aber nur 5000 nach Frankfurt, muss die fehlende Summe ausgeglichen werden. Entweder durch eine traditionelle Überweisung, per Kreditkarte oder per Lastschrift.

Oft sind aber komplexere Strukturen im Einsatz, bei denen viele Händler untereinander die Salden verrechnen. Der Fantasie sind da kaum Grenzen gesetzt.

Hawala-Banking Razzien wegen Millionen-Überweisungen in die Türkei

Gekaufte Politik? Europa in der Korruptionskrise

2022 erschüttert ein Korruptionsskandal Brüssel und das Europäische Parlament. Im Zentrum: Eva Kaili, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Es geht um Korruption, um mutmaßlich erkaufte politische Einflussnahme von Drittstaaten und Koffer voller Bargeld.

Es ist ein politisches Beben: Im Dezember 2022 erschüttert ein Korruptionsskandal rund um die ehemalige Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili – auch „Katargate“ genannt – Brüssel und die EU. Es geht um mutmaßlich erkaufte Einflussnahme von Drittstaaten. Aktive und ehemalige EU-Abgeordnete wurden verhaftet, Ermittler beschlagnahmten Koffer voller Bargeld in den Wohnungen der Politiker, mutmaßlich bezahlt von Marokko und Katar, die sich so Einfluss auf die Gesetzgebung in der EU erkaufen wollten.
„Katargate bedroht die ganze Institution“, sagt Nick Aiossa von „Transparency International“. Die ohnehin schwachen Ethikregeln des Parlaments würden kaum befolgt, Verstöße seit Jahrzehnten so gut wie nie geahndet. Aiossa: „Eine fatale Kultur der Straflosigkeit!“. Steckt der Fehler im System?

Der Dokumentarfilm rekonstruiert „Katargate“, den bislang größten Korruptionsskandal in der EU. Im Interview bezieht Eva Kaili als eine der Hauptbeschuldigten Stellung. Sie sieht sich als Opfer eines Justizskandals. Auch andere Beschuldigte, wie Niccolò Figà-Talamanca und die unter Verdacht geratene EU-Abgeordnete Marie Arena geben Auskunft.
Der Dokumentarfilm nutzt Unterlagen und Protokolle der Ermittlungsbehörden und der Bundesanwaltschaft in Brüssel und verfolgt die Frage, was die EU-Institutionen der Einflussnahme entgegensetzen können und vor allem wollen. Ein System von mangelnder Transparenz und zu laschen Regeln wird erkennbar – der Wille nach Aufklärung und stärkeren Anti-Korruptions-Gesetzen scheint kraftlos. Dabei steht angesichts von wachsendem Euroskeptizismus und den kommenden EU-Wahlen viel auf dem Spiel.

Harm Bengen
www.w-t-w.org/en/harm-bengen/

Europas Machtspielchen auf der Spur / Follow the Money

Money trails don’t lie; that’s why we follow them
Follow the Money is a platform for radically independent investigative journalism.

 

 

Frankfurt bekommt die EU-Anti-Geldwäschebehörde

Die Bankenmetropole Frankfurt am Main wird Sitz der neuen EU-Anti-Geldwäschebehörde Amla.

Die 27 EU-Mitgliedsstaaten haben sich für einen Standort ihrer neuen Anti-Geldwäsche Behörde entschieden. In Frankfurt am Main soll diese künftig ihren Sitz haben.

Einige Kommentare aus der Presse:

„Schön wär´s. Ich fürchte nur, da wird wieder der Bock zum Gärtner gemacht.

DAS Bundesland der Banken, das erfolgreiche Steuerfahnder mobbt und für paranoid erklärt… OK, nun europ. Behörde… aber effektiver könnte die Geldwäscheverfolgung wohl nicht verhindert werden.
https://www.fr.de/politik/streit-steuerfahndern-beigelegt-10957996.html

Deutschland, das Land mit Geldwäsche und Politikern mit Gedächtnislücken diesbezüglich.“

 

Warum wird die Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung „AMLA“ gegründet?

Die AMLA ist ein Kernelement des Geldwäschepakets, das die EU-Kommission im Juli 2021 zur Stärkung der EU-Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorgelegt hat.

Welche Aufgaben wird die AMLA haben?

Die Behörde wird im Finanzsektor besonders risikoreiche grenzüberschreitend tätige Institute direkt beaufsichtigen und auch bei anderen Instituten und im Nicht-Finanzsektor ergänzende Aufsichtsbefugnisse erhalten. Zudem soll die Behörde mit ihren voraussichtlich 400 bis 500 Beschäftigten die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Stellen koordinieren und optimieren.

Wer hat das Bewerbungsverfahren für die neue EU-Behörde konzipiert und wie wurde es umgesetzt?

Der Gerichtshof der Europäischen Union hatte am 14. Juli 2022 mit Urteilen zu der Europäischen Arzneimittel-Agentur und der Europäischen Arbeitsbehörde beschlossen, dass die Standortentscheidungen für europaweit agierende Agenturen bei der Europäischen Union als Gesetzgeber liegen.

Das neue Verfahren zur Standortentscheidung wurde angesichts der genannten Rechtsprechung erstmals für die Sitzentscheidung der AMLA angewandt.

Am 28. September 2023 veröffentlichte die Europäische Kommission die Aufforderung zur Einreichung von Bewerbungen, nachdem sich Rat und Parlament auf gemeinsame Standortkriterien geeinigt hatten.

Bis zum 10. November 2023 reichten folgende Mitgliedstaaten Bewerbungen ein: Belgien (Brüssel), Deutschland (Frankfurt), Irland (Dublin), Spanien (Madrid), Frankreich (Paris), Italien (Rom), Lettland (Riga), Litauen (Vilnius) und Österreich (Wien). Nach Prüfung der Eignung der Bewerbungen durch die EU-Kommission stellten die Mitgliedstaaten ihre Bewerbungen in einer gemeinsamen Anhörung von Rat und Parlament am 30. Januar 2024 noch einmal vor und beantworteten ergänzende Fragen. Die deutsche Bewerbung wurde dabei von Bundesfinanzminister Lindner, Hessens Finanzminister Prof. Dr. Lorz und Frankfurts Oberbürgermeister Josef präsentiert.

Wie wurde die Entscheidung heute getroffen?

Die Entscheidung über den Sitz der AMLA wurde heute im Rahmen einer interinstitutionellen Sitzung von Vertretern des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments getroffen. Sie muss nun bei der förmlichen Verabschiedung des Verordnungstextes noch einmal bestätigt werden. 

Frankfurt to host the EU’s new anti-money laundering authority (AMLA)

 

Die EU: Ein Paradies für Geldwäscher?

Der Rat der Europäischen Union und das EU-Parlament haben eine vorläufige Einigung über Rechtsvorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche erzielt. Experten auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung begrüßen die Einigung als „einen wirklich guten Schritt nach vorne.“

Ziel der Vereinbarung, die am frühen Donnerstagmorgen (18. Januar) bekannt gegeben wurde, ist die Bekämpfung von Betrug und der „Schutz der EU-Bürger und des EU-Finanzsystems“ vor der Finanzierung von terroristischen Gruppen und organisierten Verbrechersyndikaten.

„Dies wird sicherstellen, dass Betrüger, das organisierte Verbrechen und Terroristen keinen Raum mehr für die Legitimierung ihrer Erlöse durch das Finanzsystem haben werden“, sagte der belgische Finanzminister Vincent Van Peteghem, dessen Land die rotierende EU-Ratspräsidentschaft innehat, in einer Erklärung.

Neben weiteren Maßnahmen würde eine Höchstgrenze von 10.000 Euro für Bargeldtransaktionen in der gesamten EU festgelegt…. euractiv

Terror Finance

Die blutigen Konflikte in der Ukraine und Gaza, die Unterwanderung Deutschlands durch die Organisierte Kriminalität, Terrorgruppen, gewalttätige links- und rechtsextremistische Grup- pen mit Verbindung zur OK, die Unfähigkeit Sanktionen durchzusetzen und die ungezügelte Korruption haben sich zu einer unkalkulierbaren Bedrohung für die nationale Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union entwickelt.

Am 15.01.2024 ist ein Interview mit Dr. Udi Levi – ehemals Mitarbeiter des israelischen Geheimdienstes Mossad – in der Süddeutschen Zeitung erschienen, in welchem zum Ausdruck gebracht wird, dass das Morden in Israel und Gaza durch eine konsequente Bekämpfung der Terrorfinanzierung hätte verhindert werden können.

Terror und seine Finanzierung
Hamas
Jagt endlich das Geld der Hamas

So gefährlich ist Geldwäsche für die Demokratie

Für die beiden Finanzexperten Dagmar und Andreas Frank aus Pforzheim ist eines ganz klar: Die größte Gefährdung für die Demokratie in unserem Land geht ihrer Meinung nach von Geldwäsche aus. Mit diesem Mittel gefährden autokratische Regime, die organisierte Kriminalität und internationale Banden nicht nur den Rechtsstaat, sondern „zerstören auch die Freiheit“. Die Herkunft des Geldes bleibt dabei meist im Verborgenen – und wird weitestgehend verschleiert.

Wir reden oft über hybriden Krieg. Das heißt, über illegale Gelder werden Aktionen gegen die Demokratie gestartet. Und die sind sehr erfolgreich.

Finanzexperte Andreas Frank
Geldwäsche in Baden-Württemberg – und die Politik sieht zu

Bemerkenswert ist dabei, in welch geringem Umfang sich Behörden und Politik offenbar mit der Geldwäschebekämpfung beschäftigen. Dazu ergab jüngst auch eine Anfrage der SPD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg, die dem SWR vorliegt: Baden-Württemberg ist ein Zentrum der italienischen organisierten Kriminalität in Deutschland.

Die Mafia kauft Unternehmen, auch in Baden-Württemberg. Damit ist der Wettbewerb gestört. Ein gesetzestreuer Unternehmer, Mittelständler, kann nicht gegen ein mafiafinanziertes Unternehmen ankämpfen.

Finanzexperte Andreas Frank
Zu wenige Ermittler im Kampf gegen Geldwäsche, Mafia und organisierte Kriminalität

Von den bundesweit 770 Personen, die mafiösen Organisationen zugerechnet werden, lebt rund ein Fünftel im Land. Demgegenüber stehen nur zwei spezialisierte Ermittler im Landeskriminalamt (LKA). Warum das so ist, wie weit das Problem der Geldwäsche in Baden-Württemberg, Deutschland und international reicht und wie man es bekämpfen könnte, darüber sprechen wir in SWR1 Leute mit Dagmar und Andreas Frank.

Dagmar Frank ist Finanzexpertin und Gründerin von „W-T-W Women and Finance“ , einer Plattform speziell für Frauen im Finanzbereich. Sie beschäftigt sich intensiv mit den Themen Geldwäsche und Korruption. Andreas Frank ist Ex-Investment-Banker und inzwischen Experte für den Kampf gegen Geldwäsche. Er hat bereits den Bundestag, den Europarat und das Europäische Parlament beraten und zwei Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelhafter Umsetzung der EU-Geldwäscherichtlinie initiiert.

So gefährlich ist Geldwäsche für die Demokratie

Leute, SWR1 Baden-Württemberg: 15.9.2023
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