Barrieren werden leicht Renditekiller

Mit tiefen Zinsen und Staatsausgaben auf Kredit wollen Regierungen und Zentralbanken angeblich die Welt vor dem «deflationären Untergang» retten. Faktisch enteignen sie die Anleger mit unglaublich tiefen Zinsen und zwingen sie auf ihrer verzweifelten Suche nach Rendite zu riskanten Manövern.

Dieses Umfeld hat dazu beigetragen, dass Banken und sonstige Anbieter von Finanzprodukten seit der Krise immer mehr strukturierte Anlageinstrumente zur «Renditeoptimierung» auf den Markt bringen. Dazu zählen etwa Discount-Zertifikate, Barrier-Discount-Zertifikate, sogenannte Reverse-Convertibles, Barrier-Reverse-Convertibles und schliesslich gar Multi-Barrier-Reverse-Convertibles. Was sich anhört wie eine Aufzählung mit dramatisierender Klimax, ist es auch. Denn bestand die Grundidee solcher Produkte darin, Anlegern mit der verbrieften Kombination von festverzinslichen Anlagen und dem Verkauf von Volatilität im Rahmen eines halbwegs berechenbaren Rahmens eine «attraktive» Rendite anzubieten, so ist der Ansatz durch die tiefen Zinsen und die geringen Kursschwankungen pervertiert worden.

Da normale Aktienanleihen oder Discount-Zertifikate im Verhältnis zu den asymmetrischen Verlustrisiken, die ihr Kauf ohnehin mit sich bringt, keine «reizvollen» Renditen mehr bieten können, entwickelten die Anbieter «innovative Variationen». Der inzwischen erreichte Höhepunkt wird am besten durch Multi-Barrier-Reverse-Convertibles demonstriert, die sich nicht auf zwei oder drei, sondern sogar auf vier oder gar mehr Aktien beziehen. Fällt der Kurs eines dieser Wertpapiere unter einen vordefinierten Wert, erhält der Anleger am Ende der Laufzeit des Produkts nicht das eingesetzte Geld und den versprochenen Coupon zurück, sondern ihm wird die schwächste Aktie aus dem Korb gutgeschrieben.

Das Resultat lässt sich am Multi-Barrier-Reverse-Convertible auf Holcim, SGS und Syngenta recht gut beschreiben (vgl. Grafik). Bevor das Produkt am 5. 11. ausgelaufen ist, war der Kurs der Syngenta-Aktie im Rahmen eines kurzfristigen Abwärtstrends und einer auffällig grossen Tagesbewegung am 16. 10. unter die im Zertifikateprospekt definierte kritische Marke von Fr. 275.25 gefallen. Das führt dazu, dass einem Anleger, der bei der Ausgabe ein Zertifikat im Wert von 1000 Fr. gezeichnet hatte, zwei Syngenta-Papiere und eine Barauszahlung im Gesamtwert von Fr. 806.81 gutgeschrieben werden. Selbst bei Berücksichtigung eines Coupons von gut 7% hat er über 12% auf das eingesetzte Kapital verloren.

Gewöhnlich erwünschte Diversifikation wird hier zum Problem

Das Problem ist, dass bei der Schaffung solcher Produkte Aktienkörbe mit zum Teil abstrusen Eigenschaften zusammengestellt werden. Je tiefer die Korrelation zwischen den Basiswerten sei, desto attraktiver sehe zwar das Produkt optisch aus, desto grösser werde aber auch das Risiko eines Barriere-Bruchs, sagt Christian König. Der Autor des Blogs finanzprodukt.ch befürchtet, die Investoren seien nicht einmal über die vergangenheitsorientierten Korrelationen der verschiedenen Basiswerte informiert, und weist den Emittenten eine entsprechende Bringschuld zu. Er rät Anlegern zudem, sich mit der Qualität der Basiswerte zu beschäftigen und misstrauisch zu werden, wenn die angebotenen Coupons sehr hoch und entsprechend verlockend seien.

Simon Ullrich vom Berliner Unternehmen SmartTrade denkt, bei der Beurteilung von Multi-Barrier-Produkten müsse der Anleger neben den klassischen Risikofaktoren wie dem Preis und der Volatilität der Basiswerte auch die erwartete Korrelation innerhalb des zugrunde liegenden Aktienkorbs berücksichtigen. Die Attraktivität eines bestimmten Produkts hänge von der Abweichung des fairen Wertes vom Verkaufspreis zum Zeitpunkt des Kaufs ab. Ohne die notwendigen Fachkenntnisse und ohne eine solide IT-Infrastruktur habe ein Anleger praktisch keine Möglichkeit, den fairen Wert eines Multi-Barrier-Produkts zu bestimmen. In Unkenntnis dessen sei aber auch keine belastbare Abschätzung möglich, wie das Verhältnis von Chance zu Risiko sei. Die Würdigungen aus berufenem Mund sprechen für sich selbst.

Renitekiller

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