Nach der Lektüre des SZ-Artikels „Operation Styx“, eines Artikels, der zu Fragen und zu Assoziationen provoziert
„Operation „Styx“ – so der Titel eines Artikels der Autoren Stefan Mayr und Markus Zydra in der Süddeutschen Zeitung vom 2. Oktober. Darin wird über den spektakulären Fahndungserfolg einer italienisch-deutschen Polizeioperation mit dem Namen Styx vom Januar 2018 berichtet, bei der auch ein hochrangiges und in Stuttgart wohnhaftes Mitglied der `ndrangheta, Mario L., Besitzer mehrerer Pizzerien im Großraum Stuttgart, verhaftet werden konnte. Er wurde in Italien als der „auswärtige Arm“ des `ndrangheta-Clans Farao-Marincola aus Cutrò zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren und acht Monaten verurteilt.
Dieser große Erfolg gegen das organisierte Verbrechen – in Italien sind 66 Personen inzwischen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt – hätte doch, so denkt sich der normale Bürger, auch in Baden-Württemberg zu weiteren Ermittlungen gegen Personen des ausgedehnten Netzwerks von „Don Mario“ führen müssen – aber was passiert? Immerhin: In Konstanz muss ein Gebäude von Siemens umgebaut werden, damit der Prozess gegen 11 Mafiosi stattfinden kann, denn die verfügbaren Gerichtssäle sind alle zu klein. Und was tut sich in Stuttgart? Der erfolgreiche LKA- Ermittler, Kriminalhauptkommissar Wolfgang Rahm, wird nicht etwa befördert, sondern er wird von seinen Aufgaben entbunden und versetzt – oder wie die beiden Autoren des SZ-Artikels formulieren „kaltgestellt“. Weitere Angaben zu diesem doch schockierenden Vorgang seien, so die Autoren, weder vom LKA noch von der Staatsanwaltschaft Stuttgart gemacht worden.
Wenn man dies schwarz auf weiß liest, denkt man sofort an Mafia-Kriminalromane z.B. von Leonardo Sciascia, in denen Ermittler, wenn sie im Mafia-Untergrund landen, versetzt werden und die Tatverdächtigen ihre Verbindungen in die Politik nutzen, damit schließlich die Ermittlungen eingestellt werden. Und in der Öffentlichkeit entsteht so wieder mal der gewünschte Eindruck, dass es die Mafia ja eigentlich gar nicht gibt.
Auch beim letzten Punkt sehe ich eine Verbindung zu den im SZ-Artikel geschilderten Ereignissen: Das in Italien „omertà“ genannte Schweigegebot gilt offensichtlich auch in Baden-Württemberg. Der einzige Ermittler, der sich im SZ-Artikel namentlich zitieren lässt, ist der ehemalige Konstanzer Oberstaatsanwalt Dr. Jürgen Speiermann, alle anderen im SZ-Artikel zitierten Fahnder wollen ausdrücklich anonym bleiben. Im Leser entsteht der höchst beunruhigende Eindruck, irgendjemand oder irgendwelche Leute wollten unbedingt vermeiden, dass Baden-Württemberg als das erscheint, was es laut Statistik und laut Warnungen hochrangiger italienischer Ermittler in Wahrheit ist: Eine Hochburg der italienischen Mafia.
Höchst interessant ist übrigens auch, was der Ankläger des Konstanzer Prozesses
Dr. Jürgen Speiermann über den Prozess zu sagen hat. Im Interview mit dem Vorsitzenden des Berliner Antimafia-Vereins „Mafia? Nein danke!“ Sandro Mattioli äußert sich der Staatsanwalt enttäuscht darüber, dass der vorsitzende Richter mehrmals betont hat, „Mafia – das interessiert uns nicht“ und nur über konkrete Drogendelikte richten wollte. Übrigens waren bei Prozessende (März 2020) alle elf Angeklagten verurteilt, und dies, so Speiermann, sei nur möglich gewesen wegen der Zusammenarbeit mit einem „sehr guten Polizeibeamten“, einem Spezialisten im Kampf gegen die italienische organisierte Kriminalität (IOK) mit seinen „wahnsinnig guten Kontakten nach Italien“, gemeint ist der Kriminalhauptkommissar Wolfgang Rahm vom LKA in Stuttgart.
Und was sollen wir jetzt denken?