Die Region Emilia-Romagna: „Mafia-Land“ – ein Beispiel aus dem Lehrwerk

Das Beispiel der Region Emilia-Romagna in Norditalien zeigt, wie aus einem „sauberen“ Land „Mafia-Land“ wird: Neben den Aktivitäten der Mafia, im Falle der Emilia-Romagna der `Ndrangheta (aus Kalabrien stammende Mafia), ist entscheidend das Verhalten jedes Einzelnen.

In Ihrem Artikel „Emilia, terra di mafia“ zitiert Sara Donatelli vor allem zwei Quellen, die berichten, wie aus der Emilia-Romagna im Norden Italiens Mafia-Land geworden ist.

Der Abschlussbericht 2015 der DNA (Direzione nazionale Antimafia e Antiterrorismo = Antimafia- und Antiterrorismus-Kommission) bemerkt über die Region Emilia-Romagna:

Sie „hat eine tiefgreifende Veränderung durchgemacht und stellt sich mit den typischen Eigenschaften der von der Mafia heimgesuchten Gebiete dar“. So kommt die Kommission zu dem abschließenden Urteil, dass diese Region Nord-Italiens in jeder Hinsicht „Mafia-Land“ sei.

„Die Einleitung von Geldern krimineller Herkunft in den legalen Geld-Kreislauf, die Verwurzelung in der Region durch Vertreter der kriminellen Vereinigung in Anzug und Krawatte, die über Expertenwissen und Manager-Kompetenzen verfügen, die Unterstützung durch Teile der lokalen Presse, das schuldhafte Schweigen der Institutionen, die besorgt sind, Nachrichten über die Präsenz der Mafia in dem von ihnen verwalteten Gebiet könnten schlimme Folgen haben, die Macht der Einschüchterungsmaßnahmen, die die in der Emilia operierende Gruppe der `ndrangheta einsetzt, haben zu einer wesentlichen Veränderung von Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmertum geführt.“

Die Veränderungen in der Region sind auch Gegenstand des ersten großen Maxi-Prozesses in Reggio Emilia: mehr als 200 Angeklagte, ca. 100 Anklagepunkte, rund 30 Zivilkläger. Der Prozess wird bewusst in Reggio abgehalten, so der vorsitzende Richter, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, an den Verhandlungstagen einigen Personen ins Gesicht sehen zu können, die dazu beigetragen haben, dass die `ndrangheta jetzt fest verwurzelt ist in ihrer Region. Eine besondere Rolle spielte auch Brescello, ein kleiner Ort in der Provinz Reggio, der bisher nur für „Don Camillo und Peppone“ bekannt war. Cortocircuito, ein studentischer Antimafia-Verein, hatte im Netz und dann in den großen Medien Furore gemacht mit seinem Video über die Macht der`Ndrangheta in Brescello. Ein Ausschnitt wurde übrigens am ersten Verhandlungstag des Prozesses “Aemilia“ im Gerichtssaal gezeigt, Der Bürgermeister, der im Video den am Ort ansässigen Boss und Bauunternehmer aus dem Clan Grande Aracri (in 3. Instanz wegen Mafia verurteilt), als „brava persona“, die Respekt verdiene, gelobt hatte, musste seinen Stuhl räumen, die Stadtregierung von Brescello wurde wegen Infiltration durch die Mafia von der Regierung aufgelöst. Bologna.repubblica.it

Im Zusammenhang mit dem Prozess äußert sich Roberto Alfonso, der Oberstaatsanwalt von Bologna, voll Bitterkeit über das, was die Ermittlungen im Vorfeld zu Tage gefördert haben:

„Die Operation Aemilia“ – so der Name der Polizei-Aktion – „hat zur Auflösung eines sehr eng gewebten Netzes von Beziehungen der `Ndrangheta zu Politik und Unternehmertum in der Emilia-Romagna geführt und hat neue Szenarien für den Kampf gegen die `Ndrangheta in Nord-Italien sichtbar gemacht. In mehr als 32 Jahren hat sich die `Ndrangheta hier entwickelt, sie ist immer größer geworden wie eine Metastase in einem gesunden Körper. Die kriminelle Organisation hat sich zuerst in diesem Gebiet niedergelassen und Strukturen aufgebaut, dann hat sie verschiedene Bereiche der Wirtschaft infiziert, angefangen vom Baugewerbe, bis sie schließlich auch Sachverständige für sich gewinnen konnte, aber auch Beamte und Abteilungs- oder Referatsleiter im Öffentlichen Dienst, Angehörige der Polizei, auch Journalisten. Das Szenario ist wirklich beeindruckend weil die Basis, auf die sich die `Ndrangheta stützt, so breit gefächert ist, weil die kriminellen Wurzeln, die sie hier geschlagen hat, so fest, so solide sind, und wegen dem Geschick, mit der sie die illegal erworbenen Reichtümer zu produzieren und zu maskieren versteht – und das zum Schaden aller Bürger der Region.“ Ein weiteres trauriges Kapitel, so der Staatsanwalt, sei das Klima der omertà, auf das man bei den Ermittlungen stieß. „Es gab keine Zusammenarbeit mit den ermittelnden Behörden. Kein einziges Mal kam jemand, um auszusagen, so wie das in anderen Regionen geschieht.“

Die problematische Rolle des beharrlichen Schweigens der Zivilbevölkerung hebt auch der Abschlussbericht der DNA 2015 hervor: Das Klima des Schweigens „hat den Prozess der Bewusstwerdung über die tatsächlichen Ausmaße des Phänomens verlangsamt und ein rechtzeitiges und effektives Eingreifen behindert und komplizierter gemacht. Das Schweigen über das Phänomen und über seine Ausbreitung in Nord-Italien, das man zu lange gewahrt hat, hat die Verbreitung einer Anti-`Ndrangheta-Kultur nicht gerade erleichtert, auch wenn die Zivilgesellschaft diesbezüglich in den letzten Jahren reifer geworden ist. Die vielen Informationen über das reale Ausmaß des Eindringens der `Ndrangheta in die Gesellschaft der Emilia hat dazu geführt, dass die Zivilgesellschaft ihr von Widerstand und Misstrauen geprägtes Verhalten geändert und damit die Bedingungen geschaffen hat, dass man in kleinen Schritten die Kontrolle über das Territorium zurück gewinnen kann.“

Auch in Deutschland glaubt man allgemein nicht an eine Präsenz der italienischen Mafia, und vor allem nicht an die Geschäfte der Mafia, die in Deutschland getätigt werden.

Die Leiterin der Abteilung Organisierte Kriminalität des BKA, Sabine Vogt, erklärt sich das so: „Ich als Bürger sehe nicht, was passiert. Ich bin nicht direkt Opfer, nicht betroffen und unterliege sehr schnell dem Eindruck, dass ja gar nichts passiert.“

Siehe die Reportage von RTL (in Zusammenarbeit mit David Schraven, Herausgeber des Recherchezentrums „Correctiv) „Warum die italienische Mafia Deutschland liebt“.

 

„Pate, die roten (=kommunistischen) Staatsanwälte haben die Stadt von Peppone und Don Camillo aufgelöst…“ – BRESCEDDU? (Brescello, imitierte sizilianische Aussprache)

Bresceddu

Die Bürger am Kampf gegen Korruption beteiligen

Der erste Workshop, der die Bürger lehren will, wie man Fälle von Korruption und von kriminellen Handlungen überhaupt in seinem persönlichen Umfeld erkennt (Cittadinanza monitorante e anticorruzione civica) wurde erfolgreich abgeschlossen.

Die no-profit-Organisationen „Gruppo Abele“ und „Libera“ (beide gegründet und geleitet von Don Luigi Ciotti) und der Masterstudiengang „Analyse, Vorbeugung und Kampf gegen die organisierte Kriminalität“ der Universität Pisa haben vom 14.-16. Juli des Jahres in einem ehemaligen Kloster in der Provinz Turin einen Workshop abgehalten, an dem ca. 100 Personen teilgenommen haben, darunter zahlreiche Studenten.

Verschiedene hochrangige Experten unterrichteten die Teilnehmer z.B. darüber, wie die öffentliche Hand Gelder verwaltet und einsetzt, wie die staatlichen Ausschreibungen funktionieren, und wie man die der Mafia beschlagnahmten Besitztümer verwaltet.
Link zum Programm Carica il Programma

„Die Bürgerschaft insgesamt und einzelne Personen können bei der Bekämpfung der Korruption eine entscheidende Rolle spielen“ betonte Raffaele Cantone, Richter und seit zwei Jahren Präsident der nationalen Antikorruptionsagentur Anac.
Wie kann man die Bürger in den Kampf gegen die Korruption einbinden, durch die nach einer Studie der Universität Bologna dem italienischen Staat jährlich 585 Milliarden Euro entgehen? Mit dieser Frage beschäftigte sich Leonardo Ferrante, Referent von Libera, in seinem Eingangsvortrag: „Das Recht zu wissen, das die Gesetze zur Transparenz anerkennen (1), reicht nicht aus! Um selber einen Beitrag leisten zu können, ist es notwendig zu wissen, wie man dieses Recht in die Tat umsetzt, wie man eine ausgedehnte Kontrolle ausübt, die die staatliche Kontrolle nicht ersetzen, sondern ergänzen soll.“

Ergänzend dazu organisiert eine Unterorganisation von Libera „E`state Liberi“ ein fünftägiges Camp in Castel Volturno mit dem Titel: „Erkenne und bekämpfe die Korruption“

(1) Das Gesetz FOIA (Freedom of Information Act) wurde im Januar 2016 vom italienischen Parlament gebilligt und nach Interventionen verschiedener Organisationen im Mai 2016 verbessert: Es verpflichtet die Behörden, den Bürgern auf Anfrage kostenlosen Zugang zu den einen Vorgang betreffenden Informationen zu geben, also „das Recht zu wissen

max-fraparentesi.blogspot.it

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Eva Klose/ Antikorruption
Eva Klose Porträt

Senat in Rom hebt Immunität auf

Die Staatsanwaltschaft Reggio Calabria hat die Verhaftung eines Senators verlangt, weil er zum okkulten Spitzengremium (der „Cupola“) der kalabrischen `Ndrangheta gehören soll. Wenn die Vorwürfe zutreffen sollten, kann man hier sehen, wie die Mafien vorgehen, um Staat, Wirtschaft und Institutionen zu unterwandern.

In geheimer Abstimmung (154 Ja-Stimmen, 110 Nein-Stimmen, 12 Enthaltungen) hat der römische Senat dem Antrag der Richter Federico Cafiero De Raho und Giuseppe Lombardo, die die Vorermittlungen „Mamma Santissima“ (Mafia-Jargon für den obersten Boss) koordinieren, stattgegeben und die Immunität des Senators Antonio Caridi aufgehoben. Die Abstimmung war möglich geworden, nachdem der Senatspräsident Piero Grasso gegen den heftigen Widerstand verschiedener Senatsmitglieder die Änderung der Tagesordnung verfügt und die Abstimmung an den Anfang der Sitzung verlegt hatte.

Die Staatsanwaltschaft von Reggio Calabria geht davon aus, dass die `ndrangheta sich neu organisiert hat, d.h., dass das strategische Vorgehen der kriminellen Organisation von einem höchsten Gremium geplant und organisiert wird, das aus Personen besteht, die in Politik, Wirtschaft und Finanzwelt wichtige Funktionen bekleiden und den „Soldaten“ der `ndrangheta völlig unbekannt sind. Nur wenige hochrangige Bosse scheinen in die Identität der einzelnen Mitglieder eingeweiht zu sein.

Schon am 15. Juli wurden vier der fünf vermutlichen Mitglieder der Cupola verhaftet: zwei Anwälte, einer davon ein ehemaliger Abgeordneter der sozialdemokratischen Partei Italiens, ein Parteisekretär der Mitte-Rechts-Koalition in Kalabrien und ein ehemaliger Mitarbeiter der Region. Nachdem der Senat nun dem Antrag der Justiz zugestimmt hat, hat sich der Senator Antonio Caridi (der zu einer Parlamentariergruppe aus 14 Senatoren gehört, die alle auf den Listen von Rechts-Parteien 2013 in den Senat gewählt worden waren) im römischen Gefängnis Rebibbia den Behörden gestellt.

Vorgeworfen wird diesen Personen, zur geheimen „Cupola“ der `ndrangheta zu gehören, die das strategische Vorgehen der gesamten kriminellen Organisation bestimmt. Dieses Gremium soll systematisch und im Verborgenen mit bestimmten Kreisen in Politik, Wirtschaft und Institutionen interagieren mit der Absicht, sie zu unterwandern und sich für die Interessen der Organisation gefügig zu machen.

Die Zeitung „il fatto quotidiano“ veröffentlicht einige Abhörprotokolle aus der Zeit der Wahlkampagne für die Regionalwahlen in Kalabrien 2010. Gesprächspartner: Jimmy Giovinazzo, der laut Staatsanwaltschaft Mitglied des Clans Raso-Gullace-Albanese ist und jahrelang als „unverdächtiger Mittelsmann“ und als Sprecher des Bosses Raso fungiert hat.

Am anderen Ende der Leitung der Senator Antonio Caridi, für den Jimmy, wie die Abhörprotokolle belegen, zahllose Treffen mit „Personen, die dich wählen wollen“ organisiert hat. Caridi soll den Sprung in die regionale Politik 2010  dank der über 11000 Stimmen, die die `ndrangheta ihm „besorgt“ hat, geschafft haben. In einem anderen Abhörprotokoll aus dem Hause des Bosses Pelle hört man, wie über den Senator gesprochen wird: Dass man „näher an den Senator rankommen“ müsse, denn sein Referat sei „sehr wichtig für die Beziehung zu den Banken, eigentlich für alles“!

Die Rekonstruktion der Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Caridi nach seiner Wahl in den Senat (2013 über die Listen des „Popolo della libertà“ – die damalige Berlusconi-Koalition „Volk der Freiheit“) sich für die Unterstützung durch die `ndrangheta entsprechend revanchiert hat– durch Vergabe von Posten und Zuweisung von öffentlichen Geldern. Antonio Caridi bestreitet dies.

…..und was lehrt uns ein Blick in die Schweiz? In der Schweiz nicht mehr sicher

Marilena Nardi www.w-t-w.org/en/cartoon/marilena-nardi http://www.marilenanardi.it

Marilena Nardi
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Eva Klose Antimafia

Geldwäsche Erdogans Sohn Bilal

Geldwäsche: Die Staatsanwaltschaft von Bologna ermittelt gegen Erdogans Sohn Bilal.

Gegen Bilal Erdogan, der – mit Frau und Kindern – im Sommer 2015 plötzlich seinen Wohnsitz nach Bologna verlegt hat, offiziell um seine Doktorarbeit an der John Hopkins University fertig zu stellen, hat die Bologneser Staatsanwaltschaft ein offizielles Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche eröffnet. Ausschlaggebend war die Anzeige des türkischen Unternehmers Murat Hakan Huzan, der als politischer Gegner des türkischen Präsidenten Erdogan nach Frankreich geflüchtet ist und dort um politisches Asyl gebeten hat. Bilal Erdogan wird beschuldigt, bei seiner Einreise riesige Geldsummen nach Italien geschmuggelt zu haben, die er aus dem Verkauf von Erdöl des Islamischen Staates an Abnehmer-Staaten erzielt haben soll.

In einem Interview, das der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan dem Fernsehsender RAINews24 gegeben hat, teilt das Staatsoberhaupt der Türkei nach allen Seiten aus: Seine Vorwürfe richten sich gegen Barack Obama und die USA, gegen Europa – und explizit gegen Italien. „Die Mogherini (Vertreterin der Außenpolitik in Brüssel) eilt sofort nach Paris, wenn dort 5 oder 6 Leute sterben. In der Türkei spielt sich ein Staatsstreich gegen die Demokratie ab, und zu uns ist niemand gekommen!“ empört er sich. Aber noch viel schlimmer ist seiner Meinung nach das in Bologna eröffnete Verfahren gegen seinen Sohn Bilal: Ermittlungen – „und keiner weiß, warum.“ Und er fährt fort: „ Diese Sache könnte die Beziehungen Italiens zu Ankara gefährden, Italien sollte sich lieber um die Mafia kümmern als um meinen Sohn.“

Kurz darauf meldet sich der italienische Premier Matteo Renzi zu Wort: „In Italien gibt es eine autonome und unabhängige Justiz, die gemäß den Gesetzen agiert und gegen jede Form der Illegalität vorgeht. Unsere Richter sind der italienischen Verfassung verpflichtet und nicht dem türkischen Präsidenten. Dieses System heißt bei uns „Rechtsstaat“ und wir sind stolz darauf!“ Auch das italienische Außenministerium äußert sich zu Erdogans Vorwürfen: „Die italienische Justiz und die Polizei bekämpfen erfolgreich die Mafien und brauchen deshalb keine Ermunterung von irgendeiner Seite.“ Außerdem verurteilt es noch einmal ausdrücklich den versuchten Staatsstreich des 15. Juli und äußert seine Sorge, die es mit der ganzen Europäischen Union teile, über die Vorfälle, die im Augenblick in der Türkei im Gange seien.

Zu ergänzen ist vielleicht, dass diese Nachricht in den italienischen Online-Zeitungen als eine der letzten erscheint.

Tjeerd Royaard www.tjeerdroyaards.com/

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Eva Klose Antimafia

Eva Klose Antimafia Engagement

Eva Klose und ihr Team berichten für W-T-W Women and Finance über Korruption, Organisierte Kriminalität und die Antimafia Bewegung. Eines der Ziele ihrer Beiträge ist es, in Italien vorhandenes Knowhow auch für deutschsprachige Länder verfügbar zu machen.

Eva führt zusammen mit Kollegen und Kolleginnen in den Gymnasien Baden-Württembergs ein interdisziplinäres Projekt zum Thema Antimafia durch. Sie steht seit  Jahren in ständigem Kontakt mit verschiedenen Institutionen, Vereinen und Experten in Deutschland und Italien.

Designed Dieter Huthmacher www.w-t-w.org/en/dieter-huthmacher www.dieter-huthmacher.de

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Eva Klose/ Porträt

Team Beiträge
Der leitende Oberstaatsanwalt aus Palermo schlägt Alarm
Das Erfolgrezept der Mafia Unsichtbarkeit
Italien Streit um die strengen Haftbedingungen für Mafiabosse
Beschlagnahmung wirksame Waffe gegen OK
Ndrangheta kauft im Tessin alles auf

Der leitende Oberstaatsanwalt aus Palermo schlägt Alarm

Oberstaatsanwalt Roberto Scarpinato analysiert die Verflechtungen von Wirtschaft und Mafien, wie sie sich aus den Ermittlungen zu aktuellen Mafia-Prozessen ergeben, und beschreibt, wie sich die Mafien bei ihren Geschäften die „Gesetze des freien Marktes“ zunutze machen.

Vorbemerkung: Der Begriff Legalität ist definiert als „Beachtung der Gesetze“ und „Handeln im Rahmen der Gesetze“. Der Begriff wird in Italien häufiger verwendet als z.B. in Deutschland.

Aus Anlass der Gedenkfeierlichkeiten zum 24. Jahrestag des Bombenattentats auf den Antimafia-Richter Paolo Borsellino am 19. Juli 1992 trafen sich Vertreter des ANM (nationale italienische Richter-Vereinigung) in Palermo, um die aktuelle Situation im Kampf gegen die Mafia zu reflektieren.

Ich zitiere hier aus einem Artikel (von Francesca Mondin und Miriam Cuccu) der Online-Zeitung Antimafiaduemila, der wesentliche Äußerungen des leitenden Oberstaatsanwalts von Palermo Roberto Scarpinato und des nationalen Antimafia-Staatsanwalts Franco Roberti wiedergibt.

Roberto Scarpinato: Das große Versprechen, dessen Erfüllung nach den Attentaten von 1992 möglich erschien, dass man Legalität und wirtschaftliche Entwicklung vereinen könnte, ist bis heute nicht wahr geworden und ist eine verpasste Gelegenheit: Sizilien ist die ärmste Region Italiens mit der stärksten wirtschaftlichen Ungleichheit. Aber das größte Problem ist ein Phänomen, das ganz versteckt abläuft: Die Legalität ändert gerade ihre DNA: Wenn die Legalität früher, zu Borsellinos Zeiten, Rechte garantierte, so entwickelt sich heute in Riesenschritten eine „verträgliche“ Legalität, die den Rechten ihre Macht entzieht und sie den Erfordernissen des Marktes unterordnet. Ein Phänomen, das eine Politik verantwortlich macht, (…), die nicht bemerkt, dass sie an Glaubwürdigkeit verliert, wenn sie keine soziale Gerechtigkeit und Gleichheit herstellt.“

Ein anderes Problem, so betont Franco Roberti, sei die „Verbreitung und die Verwurzelung der Mafia auch im Ausland, während die internationale Zusammenarbeit erst noch in Gang gesetzt werden muss. Es besteht in den verschiedenen Ländern eine große Ungleichheit bei den zur Verfügung stehenden Handhaben, die uns nicht erlauben, an die Vermögen der Mafiosi heranzukommen, wenn sie sich im Ausland aufhalten. Die Korruption ist jetzt das bevorzugte Mittel, das die Mafia einsetzt, so wie sie früher das Mittel der Einschüchterung benützte.

Deshalb haben wir für den Artikel 416 des Strafgesetzbuches, der die Zugehörigkeit zur Mafia bestraft, vorgeschlagen, Korruption als „erschwerenden Umstand“ hinzuzunehmen.“ Am Ende seiner Rede fordert Roberti die italienische Regierung auf, die Bekämpfung der Mafia als Priorität in ihr Programm aufzunehmen.

Roberto Scarpinato: Ein (weiteres) Problem ist, dass man sich heute an die Behauptung gewöhnt hat, dass die Mafien eben Teil der Politik und der Wirtschaft Italiens seien. In Wirklichkeit aber muss man drei Gesichter der Mafia auseinanderhalten: die traditionelle Mafia, die Freimaurer-Mafia, und die Mafia, die sich an den Regeln des Marktes orientiert. Die traditionelle Mafia befand sich schon ab 1992 in großen Schwierigkeiten wegen der Einschnitte bei den öffentlichen Ausschreibungen, bei der Verwendung von Steuergeldern und bei der Vergabe von Bauaufträgen. Damals hatte man sich die Privilegien mit Politikern geteilt, (…) heute aber (…) ist der Zugang zu den öffentlichen Geldern und zu den wirklich großen Geschäften einer Elite vorbehalten, und so haben wir jetzt das gemeine Volk der Mafiosi, das eine Verarmung hinnehmen muss so wie das auch in der Bürgerschaft geschieht, während die Mafia-Eliten bzw. die Freimaurer-Mafia die großen Geschäfte macht und dabei die Organisation der Mafien weiter entwickelt. Z.B. hat die ‚Ndrangheta ein neues Organ geschaffen, das kollegial vorgeht, sozusagen eine „Super-Cupola“, die aus einer kleinen Elite besteht – bevorzugt aus Freimaurer-Kreisen – und die für sich eigene Regeln aufgestellt hat.

Und dann gibt es die Mafia, die sich auf einem Markt bewegt, der nicht mehr so aggressiv ist wie der bisherige, bei dem man Geschäfte mit dem Mittel der Erpressung macht, weil man jetzt eine Service-Leistung anbietet, die der andere akzeptieren kann oder nicht. Dies ist ein Ergebnis der Ermittlungen zum Prozess „Aemilia“(Prozess gegen die ‚ndrangheta in der Emilia-Romagna) , wo es im betroffenen Gebiet keinen Widerstand gibt, weil alles unter dem Blickwinkel „Nachfrage und Angebot“ gesehen wird. Ein Problem ist, dass diese Vorgehensweise von der EU legitimiert wurde, die seit 2014 erlaubt, Erträge aus Prostitution und Drogengeschäften zum Bruttoinlandsprodukt dazuzuzählen, weil es sich dabei um Service-Leistungen handele.

Das ist eine schizophrene Situation, auf der einen Seite arbeiten wir für die Seite der Legalität, auf der anderen legitimieren wir die Mafia-Wirtschaft.“

„Mit dieser völlig veränderten Situation“, so Scarpinato, „kommen wir wahrscheinlich eines Tages plötzlich zur Einsicht, dass es die Mafia nicht mehr gibt: Weil wir als Mafia nur die bezeichnen, die mit Erpressung arbeiten, während wir nicht mehr in der Lage sein werden, die Freimaurer-Mafia zu erkennen. Oder wir werden sagen müssen, dass die Mafia eben Teil des freien Marktes ist, weil sie fester Bestandteil des Finanzkapitalismus geworden ist, der auf diese Weise zu einer der realen Mächte geworden ist.“

„Das Gesetz ist für alle gleich“
Antimafiaduemila.com

A judge's robe lies in Milan's High Court in this undated file photo. A national magistrates' strike is taking place Tuesday, May 25, 2004, to protest against the governments' reforms of the judicial order. (AP Photo/Giuseppe Aresu)

A judge’s robe lies in Milan’s High Court in this undated file photo. A national magistrates‘ strike is taking place Tuesday, May 25, 2004, to protest against the governments‘ reforms of the judicial order. (AP Photo/Giuseppe Aresu)

 Das Erfolgrezept der Mafia – Unsichtbarkeit

Das Erfolgsrezept der Mafia: Unsichtbarkeit

Ihr Verfechter: Bernardo Provenzano.

Am 13.7.2016 verstarb im Alter von 83 Jahren in einem Mailänder Krankenhaus Bernardo Provenzano, die Nummer 1 der Cosa Nostra. Sein Tod ist eine Nachricht in diesem Blog wert. Denn Provenzano, zuerst für seine Unbarmherzigkeit und Brutalität „der Traktor“ genannt, wandelte sich im Lauf seiner kriminellen Karriere zum „ragioniere“, das ist der, der sich um die Finanzen eines Konzerns kümmert, der „Buchhalter“. Der Wechsel der Spitznamen ist Indiz für den Wechsel der Strategie von Cosa Nostra. Sein Landsmann aus Corleone, Totò Riina, bis zu seiner Festnahme 1993 die Nr. 1,  hatte die Erweiterung der Macht, den Machterhalt und die Beseitigung jedes Rivalen zum Ziel, bis die Bestätigung der Urteile des Maxiprozesses im Januar 1992 zeigte, dass die Ära der Straffreiheit für Mafiosi endgültig vorbei war.

Von da an, so liest man in der italienischen Presse, wandelte sich Riinas Blutdurst in Raserei: Es folgten die zwei Jahre der blutigen Attentate (1992-93), die nicht nur den italienischen Staat, die Gesellschaft aufwühlten, sondern auch zu heftigen Auseinandersetzungen im Innern der Organisation führte. Nach dem Attentat auf Giovanni Falcone am 23. Mai des Jahres, so die Rekonstruktion der Staatsanwaltschaft Palermo, wurden Verhandlungen mit Staatsvertretern eingefädelt, um die Phase der blutigen Attentate zu beenden. Regisseur dieser Verhandlungen: Bernardo Provenzano, der auch der Cosa Nostra eine neue Strategie verordnete: Die Strategie des Untertauchens, die Strategie der Unsichtbarkeit. Was er für seine eigene Karriere zum obersten Prinzip erhoben hatte, das Untertauchen, das wurde jetzt die neue Strategie der Mafia, die hervorragende Ergebnisse erzielte.

Er selbst hat es 43 Jahre lang geschafft, von Verstecken in Sizilien aus zu operieren, einträgliche Verbindungen zu Unternehmern, Geschäftsleuten, Politikern, Vertretern der Finanzwelt, Juristen, zur Kirche, zu den Freimaurerlogen, zu den Geheimdiensten zu knüpfen und die Schicksale und vor allem die Geschäfte der Cosa Nostra zu lenken. Kronzeugen berichten, er habe mehrfach betont „Mich sucht niemand“, was deutlich macht, dass er von verschiedener Seite gedeckt wurde.

Letztes Foto von Provenzano von 1959; das Fahndungsfoto, konstruiert mit dem Computer auf der Basis des letzten Fotos, und Provenzano bei seiner Festnahme 2006.
Foto von ProvenzanoIm April 2006 gelang die Festnahme des Bosses, er wurde im Hochsicherheitsgefängnis von Parma inhaftiert zu den harten Bedingungen des „41bis“ (das Gesetz, das für gefährliche Mafiabosse und Terroristen die Isolationshaft vorsieht). Als sein Gesundheitszustand sich rapide verschlechterte, wurde er in das Hospital San Paolo von Mailand verlegt, wo er jetzt gestorben ist. Jetzt diskutiert man in den Medien, wie man seinen Besitz verstaatlichen könnte. Doch scheint keiner zu wissen, wo seine Reichtümer, die auf mehrere Milliarden geschätzt werden, versteckt sind. (Wer weiß? Angehörige von Provenzano leben in Deutschland, vielleicht würde man auch in Deutschland fündig?)

Wichtig ist seine Person auch für Deutschland, da die italienischen Mafien in unserem Land seine Strategie der Unsichtbarkeit perfektioniert haben, abgesehen von zwei „Ausrutschern“, dem Blutbad von Duisburg 2007 und der Autobombe von Berlin (März 2016, Opfer: ein Kokainhändler). Nach einem kurzen Aufschrei in den Medien versackt bei uns in Deutschland die Aufmerksamkeit und man tröstet sich wieder mit der Annahme, dass die Mafia „bei uns“ nicht existiere oder geht vielleicht sogar in ein „Mafia-Musical“, um sich an der Vorstellung, Mafia sei sizilianische Folklore, zu vergnügen.

Die deutsche Politik macht den gleichen Fehler wie die italienische: Man ignoriert, man bagatellisiert, man leugnet die Existenz der Mafia im „Mafiaparadies Deutschland“!
Dabei mahnen ernstzunehmende Experten wie der leitende Oberstaatsanwalt in Palermo, Roberto Scarpinato, endlich von dieser „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“-Einstellung wegzukommen:

„Mafia-Investitionen haben in Deutschland ja eine lange Geschichte, sizilianische Clans haben bereits in den 80er Jahren hier Geld gewaschen. Nach dem Mauerfall begannen sie, vor allem in Immobilien sowie in die Energie- und in die Müllwirtschaft zu investieren. Heute sind sie eher in der Finanzwelt aktiv. Die ‚Ndrangheta dagegen hat sich auf die Gastronomie und Hotellerie spezialisiert. (…) Wir müssen aufhören, so zu tun, als beschränke sich die Mafia auf wenige Krisenregionen. Es geht um ganze Staaten, die unterwandert werden. Indem die Mafia dort Verbündete an zentralen Stellen platziert. Das kann der Vertreter einer Schweizer Bank, ein Politiker oder ein Mailänder Spitzenanwalt sein. Ein Schulterschluss zwischen traditioneller Mafia und Funktionären. Und derzeit entwickelt sich die organisierte Kriminalität zu komplexen kriminellen Großsystemen, die undurchschaubar werden.“

(Aus einem Interview mit der SZ 2010)
‚Ndrangheta, Cosa Nostra und das „integrierte kriminelle System“

Schweigen ist Mafia
Schweigen ist Mafia

Mehr Informationen zu Eva Klose
Haftbedingungen für Mafiabosse

Italien: Streit um die strengen Haftbedingungen für Mafiabosse

Gennaro Migliore, Mitglied der Regierungspartei Partito democratico und Staatssekretär im Justizministerium, gibt nach seinem Besuch im Hochsicherheitsgefängnis von L’Aquila Ende Juni eine Pressekonferenz und entfacht mit seinen Äußerungen einen heftigen Streit in den Medien. Der Artikel 41 bis, der besonderes strenge Haftbedingungen für Terroristen und Mafiabosse vorsieht, müsse auf jeden Fall beibehalten werden, so Migliore, aber man müsse auch neu darüber nachdenken – auch für Häftlinge in Isolationshaft gälten Menschenrechte und Menschenwürde. Außerdem hatte er vor der Presse offenbar nicht deutlich gemacht, dass sein Vorschlag, SKype-Telefonate zu erlauben, nur für normale Häftlinge gelte.

Seit Anfang Juli melden sich nun verschiedene Gruppen zu Wort. Losgetreten hatte den Streit ein Artikel der Tageszeitung „Il fatto quotidiano“: „Die Regierung der laxen Haftbedingungen – Geben wir den Bossen Skype!“ Der Autor betont, dass dieser Vorschlag der grundlegenden Intention des Gesetzes, jeden Kontakt eines Mafia-Bosses zu seinem Umfeld unmöglich zu machen, diametral entgegenstehe.

Für die Antimafiarichter sei hier Gian Carlo Caselli zitiert, der darauf hinweist, dass die Isolationshaft für Mafiabosse „mit dem Blut von Falcone und Borsellino“ bezahlt worden sei. Tatsächlich hatte die italienische Regierung nur 16 Tage nach dem Attentat auf den Antimafiarichter Falcone bei Capaci (23. Mai 1992) ein Dekret erlassen, das ein für Terrorismus, Revolutionen und ähnliche Notlagen schon vorhandenes Gesetz auf gefährliche Mafiabosse ausdehnte. Kurz darauf (19.Juli 1992) jagte eine weitere Bombe den zweiten Protagonisten des Maxiprozesses, den Antimafiarichter Paolo Borsellino, mit seiner Eskorte in die Luft., Anlass genug für die Regierung, das Dekret in ein Gesetz umzuwandeln.

Davor, so Caselli, konnten Mafiabosse ihren Aufenthalt im Gefängnis sich so angenehm wie möglich gestalten, „mit Austern und Champagner“, und vor allem konnten sie ihre Rolle als Boss behalten, ihre Geschäfte weiterführen und aller Welt beweisen, dass sie mächtiger waren als der italienische Staat. Deshalb Caselli: Solange es die Mafia gibt, kann man auf die Hochsicherheitshaft nicht verzichten.
Auch Vertreter der Bewegung 5 Sterne, deren Position in der italienischen Politik durch die Wahlsiege bei den Bürgermeisterwahlen gestärkt worden ist, äußerten sich „entsetzt über den Leichtsinn“, mit dem die Regierungspartei von Matteo Renzi über eine Reform des 41 bis nachdächte.

Die heftigen Reaktionen auf den Vorschlag des Staatssekretärs sind zu sehen vor der grundsätzlichen Auseinandersetzung zwischen Antimafia-Vertretern und einer Politik, die die Einhaltung der Mafia-Regel des Schweigens (die „omertà“) einer mutigen Stellungnahme vorzieht und die den Kampf gegen die Mafia bisher nicht ins Parteiprogramm aufgenommen hat. Außerdem sind Teile der Öffentlichkeit sehr empfindlich geworden, weil die Antimafia-Gesetzgebung der 90er Jahre von den folgenden Regierungen an verschiedenen Stellen verwässert oder gar zurückgenommen worden ist, was u.a. als Beleg gewertet wird für die Existenz der „trattativa“, den Verhandlungen zwischen italienischem Staat und Vertretern der Cosa Nostra, die seit 2 Jahren Gegenstand eines Prozesses in Palermo ist.

“Gegen den Artikel 41 bis”

Gegen den Artikel 41 bis

 

 

 

 

www.ilfattoquotidiano.it/premium/articoli/il-governo-del-carcere-molle-diamo-skype-ai-boss-reclusi/

Zum Prozess zur „trattativa“ gibt es einen aktuellen englischen Dokumentarfilm
mit Helen Mirren.


Und aus Italien der Kommentar zum Film von Saverio Lodato,
Journalist und Mafia-Experte

Beschlagnahmung wirksame Waffe gegen OK

Im Kampf gegen die „Organisierte Kriminalität“ OK wurden in Ostia (Rom) Güter konfisziert. Die Besitztümer im Wert von 20 Millionen fallen an den Staat.

Die Finanzpolizei von Rom hat auf Anordnung der DIA
(Direzione Investigativa Antimafia Antimafia-Antimafia-Ermittlungskommission) letzte Woche Besitztümer zweier inhaftierter Brüder aus Ostia beschlagnahmt, die einen Gesamtwert von 20 Millionen Euro haben:

Bars, Restaurants, Bäckereien, Lebensmittelgeschäfte, Immobilien-Agenturen, Immobilien und Bankverbindungen fallen nun an den italienischen Staat. „Sie haben schrittweise die lokale Wirtschaft unterwandert“ so die Ermittler.

Dies ist nicht die einzige Aktion von Polizeieinheiten: Im Mai wurde im Zentrum von Rom das ganze Geschäftsimperium eines Camorra-Clans konfisziert, Wert: 80 Millionen. Letzte Woche waren Reggio Calabria und Palermo Schauplatz von Großeinsätzen von Finanzpolizei und Carabinieri: In Reggio, dem Gebiet der ‚Ndrangheta, traf es einen Unternehmer, der Geschäfte mit großen Supermärkten gemacht hat (30 Millionen), in Palermo einen sehr bekannten Bauunternehmer und einen seiner Unterstützer (15 Millionen, 6 Millionen). Von dessen Verbindungen zur Cosa Nostra sprechen Kronzeugen schon seit den 70er Jahren.

Möglich werden in Italien solche Beschlagnahmungen durch ein spezielles Gesetz, das Gesetz „Rognoni-La Torre“ (von 1982), nach dem die Zugehörigkeit zu einer Mafia-Organisation ein Straftatbestand ist. Außerdem sieht das Gesetz die Beschlagnahmung des gesamten Besitzes des Verurteilten vor, wenn anzunehmen ist, dass er mit illegal erwirtschafteten Geldern finanziert wurde. Über die Verwendung der eingezogenen Mafia-Besitztümer entscheidet eine von der Regierung eingesetzte nationale Agentur (ANBSC). Der positive Effekt des Gesetzes ist, dass die konfiszierten Besitztümer sozialen Einrichtungen oder Antimafia-Organisationen und -Vereinen zur Verfügung gestellt werden müssen. So hat die größte Antimafia-Organisation „Libera“ z.B. auf verschiedenen Ländereien landwirtschaftliche Kooperativen gegründet, auf denen „mafia-freie“ Produkte hergestellt werden, die von den Koop-Läden in ganz Italien verkauft werden. Ein anderes Beispiel ist Brancaccio, ein Stadtviertel von Palermo von hoher Mafiadichte, in dem das örtliche Gymnasium in Reihenhäusern und einer Garage untergebracht ist, die einer Mafia-Familie konfisziert worden waren.

Im italienischen Parlament wartet übrigens ein Reformvorschlag auf Behandlung, der die Ausweitung der Beschlagnahmungen auf Fälle von Korruption vorsieht.
Wenn in Deutschland ein Pizzabäcker, der laut Steuererklärung 1000 Euro verdient, sich ein Haus mit Pizzeria für 800 000 Euro kauft, müssen sich die Behörden mit einer Erklärung wie „das Geld habe ich von meinem Opa in Kalabrien geerbt“ abspeisen lassen. Bei uns muss die Justiz beweisen, dass Besitztümer illegal erworben wurden, statt dass die Eigentümer nachweisen müssen, dass sie ihren Besitz legal erworben haben. Hier bestünde wirklich Handlungsbedarf!

Konfiszierter Besitz – hier hat die Camorra verloren!
Konfiszierter Besitz – hier hat die Camorra verlorenQuellen:
Ilfattoquotidiano.it/
Roma.repubblica.it/
Antimafiaduemila.com
Palermo.repubblica.it/