Journalisten, die ihre Mafia-Recherchen veröffentlichen, leben gefährlich

Anlässlich erneuter Morddrohungen gegen zwei italienische Journalisten lädt Lilli Gruber die Betroffenen und einen weiteren Mafia-Experten auf dem kommerziellen Kanal La7 zum Interview.

Video der Sendung:

Saverio Lodato, einer der größten Mafia-Experten in Italien und Kolumnist der Zeitung Antimafiaduemila, betont , dass nicht nur die Mafien großes Interesse daran hätten, Medienvertreter zum Schweigen zu bringen. Auch andere Kräfte, die nicht wollen, dass ihre Geschäfte öffentlich gemacht werden, seien am Schweigen der Medien interessiert. Gefährlich wird es dann, so Lodato, wenn ein Journalist zu begreifen beginnt, worüber er eigentlich Recherchen anstellt, und die Entscheidung trifft, nicht so zu tun, als habe er nichts begriffen.

Er erinnert an 9 Reporter in Sizilien und Neapel, die in den letzten 30, 40 Jahren für ihre unbequemen Artikel mit dem Leben bezahlt haben. Die Genannten und die im Studio anwesenden Publizisten gehörten zu einer besonderen Kategorie: zu der der investigativen Journalisten, die mit der Kraft der Worte gegen die Macht der Waffen, der Erpressung und der Geschäfte anschrieben. (…) Glücklicherweise habe der italienische Staat inzwischen verstanden, dass solche Presseleute geschützt und mit Personenschutz ausgestattet werden müssen.

Paolo Borrometi, Präsident des Vereins Articolo 21 (der italienischen Verfassung, der die Meinungsfreiheit garantiert) und Journalist, lebt seit fünf Jahren mit Eskorte. Vor kurzem wurde ein Gespräch zwischen Mafiosi abgehört, aus dem hervorging, dass Vorbereitungen für ein Attentat auf ihn im Gange sind: „Lass ihn umbringen, du wirst sehen, eine Leiche ab und zu ist ganz nützlich für uns“. Der Grund? Er hatte seine Recherchen über den Verband IPG, der die Geschäfte mit Pachino-Tomaten organisiert, veröffentlicht: Zum Verband gehörte ein zu 23 Jahren verurteilter Mafia-Boss, der inzwischen aus dem Konsortium entfernt wurde. Sein Sohn, dem der Boss das Konsortium schon überschrieben hatte, wurde inzwischen ebenfalls festgenommen. Borrometi betont: „Hier hat der italienische Staat gewonnen!“ In einem Land, wo man sich ständig über die Abwesenheit des Staates beklage, müsse man das wirklich hervorheben.

Auch Federica Angeli, Journalistin der Repubblica, lebt seit fünf Jahren in ständiger Begleitung von Bodyguards, denn sie hat mehrere Artikel über die Infiltration Ostias (bei Rom) durch die lokalen Clans veröffentlicht. Vor kurzem erhielt sie wieder einmal einen Umschlag mit einem Projektil. Sie erzählt, dass nach dem Angriff auf einen Reporter des Staatsfernsehens RAI im November 2017 zwar 32 Clanmitglieder festgenommen worden seien, doch habe sich an der Rolle der Clans in Ostia nichts geändert. Ihrer Meinung nach ist es nötig, die Mentalität der Leute zu ändern. Investigative Berichterstattung sei enorm wichtig, denn sie könne zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft führen, aber den Kampf gegen Mafia und Korruption allein den Gerichten und der Politik zu überlassen, sei bei weitem nicht genug. Hier müsse sich jeder einzelne engagieren.

In die häufigen Klagen über das erlahmte Engagement der Zivilgesellschaft will Saverio Lodato abschließend nicht einstimmen. Als die Politik in den Jahren 92-94 Ernst gemacht habe mit ihrem Kampf gegen die Mafien, hätte die Gesellschaft mitgezogen. Doch seit der Aussage des Ministers Lunardi 1994, man müsse „eben lernen, mit der Mafia zusammenzuleben“, sei das Engagement nach und nach erlahmt. Er ist aber überzeugt, sobald die Politik dem Kampf gegen Mafia und Korruption absolute Priorität einräumt, leistet auch die Gesellschaft wieder ihren Beitrag.

Inzwischen haben verschiedene bedrohte Journalisten und der Libera-Gründer Don Ciotti einen Appell an alle Medienvertreter gerichtet: In der Woche vom 25. April bis zum 1. Mai soll in einer außerordentlichen Medienkampagne das Thema Mafia und Korruption ins Zentrum des Interesses von Medien und Politik gerückt werden.

Man darf gespannt sein, wie viele Medien diesem Aufruf folgen!

 

Italien: „Dottore, Müll ist pures Gold!“

(sagt der Ex-Camorrista zum Nationalen Antimafia-Staatsanwalt Franco Roberti, als er seinen Entschluss bekannt gibt, auf die andere Seite zu wechseln und mit der Justiz zusammen-zuarbeiten.)

In Italien wird aktuell eine Video-Reportage der Online-Zeitung Fanpage heftig diskutiert.

Diskutiert wird sie wegen der ungeheuerlichen Vorgänge, die alle mit versteckter Kamera dokumentiert worden sind.

Diskutiert wird sie zweitens, weil die Reportage die Verwicklung von Roberto De Luca, Haushaltsexperte im Stadtrat von Salerno und Sohn des Ministerpräsidenten der Region Kampanien, Vincenzo De Luca, beweist. Roberto De Luca ist übrigens inzwischen zurückgetreten – unter Wehklagen und lauten Protesten des anwesenden Publikums (!!!)


(Video der Rücktrittserklärung mit der Reaktion des Publikums)

  1.  Diskutiert wird sie drittens, weil die Hauptrolle ein ehemaliger Camorrista spielt, der nach 21 Jahren im Gefängnis die Nachricht gestreut hat, dass er sein Business mit jeder Art von Müll wieder aufnehmen möchte. Und was passiert? Er wird mit Anfragen aus Behörden-, Unternehmer- und Politikerkreisen überschüttet. Diskutiert wird die Frage: Darf man ehemalige Straftäter als agent provocateur einsetzen?Nunzio Perrella, Mitglied eines mächtigen Camorra-Clans, der bis in die 90er Jahre mit der illegalen Müllentsorgung in ganz Italien Geschäfte gemacht hat, beschließt nach abgesessener Haftstrafe, sein Wissen offiziell dem Staat zur Verfügung zu stellen, handelt sich aber nur Absagen ein. Also verbreitet er die Kunde im Milieu und plötzlich wird er mit Anfragen bombardiert. „Ich mache das unter Lebensgefahr für mich und meine Angehörigen, weil alle wissen, wie es läuft, aber keiner macht etwas!“ sagt er einleitend.

Das Müllproblem in Neapel besteht seit über 20 Jahren und hat den italienischen Steuerzahler bisher 20 Milliarden Euro gekostet. Weite Gebiete des Golfes von Neapel sind durch die 50 Millionen „Ecoballe“ (zu Ballen gepresster unbearbeiteter Müll) zu einer Mondlandschaft geworden. Deshalb heißt die Gegend vom Golf von Neapel bis Caserta seit langem „Terra dei fuochi“ – Feuerland, mit ausdrücklichem Bezug auf den von der Camorra verbrannten Giftmüll. Inzwischen gibt es Studien, die belegen, dass in diesem Raum das Risiko einer Krebserkrankung für Männer 46% und für Frauen 21% höher ist als im restlichen Süden.

Bevor Nunzio Perrella in den 90er Jahren auspackte, war das Thema der kriminellen Müllentsorgung wenig bekannt und nicht im Focus der Ermittler. Wie einträglich die Geschäfte mit der Müllentsorgung waren, zeigt u.a. die Tatsache, dass Perrellas Clan aus dem Drogenhandel ausstieg und sich auf die illegale Müllentsorgung verlegte. Perrellas Aussagen vor dem Staatsanwalt haben damals zur Festnahme von –zig Personen geführt: kriminelle Unternehmer, Politiker, Beamte der Behörden.

Leider hat sich seit den 90er Jahren nichts geändert, dies belegt die Reportage, im Gegenteil!

Als Perrellas offizielle Anfragen bei den Behörden keinen Erfolg haben, wendet er sich schließlich an die online-Zeitung Fanpage. Er bietet an, den Journalisten ein Giftmüll-Depot der Camorra in Ferrara (Nord-Italien) zu zeigen – und tatsächlich! Seine Angaben stimmen. Dies ist der Anfang der Zusammenarbeit zwischen einem Ex-Camorrista und Fanpage.

Die Verbreitung der Nachricht, Perrella nehme seine Geschäfte von früher wieder auf, verbreitet sich wie ein Feuer… im Milieu. Er erhält unzählige Anrufe, darunter einer, der ihn direkt mit der SMA Campania (Unternehmen der Region Kampanien für Umweltschutz) in Kontakt bringt. Der Behördenleiter bietet Verhandlungen zur Beseitigung von Klärschlamm an, da seien „Unsummen“ zu verdienen. Das Gespräch wird von Perella dokumentiert: Der Behördenleiter bestätigt darin, dass die illegale Beseitigung von Klärschlamm schon seit Jahrzehnten im Gange sei, und betont, dass natürlich alle Beteiligten und Mitwisser daran verdienen müssten: „Wir müssen ja alle satt werden.“ Interessanterweise ist der Beamte in Begleitung eines Politikers: eines Parteisekretärs, der für die Partei „Fratelli d’Italia“ (Brüder Italiens, eine Partei der extremen Rechten, die im Wahlkampf mit dem Slogan „die Italiener zuerst“ geworben hat) in den Parlamentswahlen vom März 2018 kandidiert hat. Auf einem Zettel rechnet dieser aus, wie viel Schmiergeld an Unternehmer und Politiker gezahlt werden müsste.

Dass ein Parteisekretär eine entscheidende Rolle bei den Verhandlungen spielt, ist, so erklärt Roberto Saviano, der die Reportage kommentiert, eine bekannte Mafia-Taktik: Der Politiker, der den Auftrag für das Geschäft gegeben hat, muss geschützt werden. Sollte das kriminelle Geschäft auffliegen, ist der Parteisekretär der Sündenbock. Der Politiker kann behaupten, nichts gewusst zu haben.

Während die „Entsorgung“ des Klärschlammes im Gange ist, wendet sich erneut jemand aus der SMA in anderer Sache an den Experten für illegale Müll-Entsorgung: Der Mittelsmann, ein Ex-Carabiniere, bringt Perrella direkt zu Roberto De Luca.

Wer ist Roberto de Luca? Er hat verschiedene Funktionen: Er ist Sohn des Minister-präsidenten von Kampanien, Vincenzo De Luca, er ist als Assessor im Stadtrat von Salerno zuständig für Haushaltsfragen und arbeitet außerdem als Finanzberater mit eigenem Büro.

Das Geschäft besteht in von der Region ausgeschriebenen Großaufträgen zur Entsorgung von „Ecoballe“. Zwei von fünf Tranchen sind schon vergeben, für Perrella blieben also drei. Staatsaufträge müssen offiziell ausgeschrieben werden, betont De Luca, also müsse sich P. bei der Region akkreditieren. Saviano erklärt, dass der Kontakt zur Region von De Luca vorgeschlagen wird, weil dadurch sein Vater, der Ministerpräsident, am Geschäft beteiligt wird. Es ist nämlich gar nicht geplant den vom Gesetz vorgegebenen Weg zu gehen. Man arbeitet in Kampanien seit Jahrzehnten damit, das Müllproblem zum „Notfall“ zu erklären, das macht eine direkte Zuteilung der Staatsaufträge, unter Umgehung der Vorschriften (es handelt sich ja um einen Notfall) möglich. Für die direkte Zuteilung der Aufträge soll P. ein Schmiergeld von 2×25 000 Euro bezahlen.

Der Geldkoffer wird jedoch lediglich mit Müll befüllt. Als die Person, die mit der Geld-übergabe beauftragt ist, dies entdeckt, riecht sie nicht im mindesten Verrat, sondern glaubt, es handle sich um eine Mafia-Warnung. Offensichtlich, so glaubt er, hat er sich nicht genügend angestrengt, das Vertrauen des Camorrista zu gewinnen. Erneuter Anruf bei Perrella: Er will einen neuen Termin für die Geldübergabe. Der neue Termin steht. – Doch was passiert? Die Polizei von Neapel schwärmt aus: Durchsuchung von Haus und Büro!

Doch das ist noch nicht das Ende. Eine neue Anfrage kommt aus dem Veneto, Vermittlerin ist eine Signora, die im Umweltministerium in Rom arbeitet.

Camorra-Gelder sollen gewaschen werden, indem man einer pleite gegangenen Firma in Marghera (Veneto) anbietet, dort eine Lagerhalle für Ecoballe zu errichten. Mit den nötigen Arbeiten könnte eine große Summe recycelt werden. Im Gespräch mit der Signora betont P., dass es sich bei den zu waschenden Geldern um Geld der Camorra handele.

Sie: Aha, aber das kümmert doch niemand! –

Perella: Es handelt sich aber um total schmutziges Geld. An dem Geld klebt Blut! –

Sie: Ja, ja, wir waschen es ja, okay, okay.

Es ist auch Lösegeld von einer Entführung von 2005 dabei –

Sie nickt nur, und will davon nichts hören. Dabei hätte sie an dieser Stelle merken können, dass da etwas nicht stimmt: Die Mafia-Entführungen in Italien haben Anfang der 90er Jahre aufgehört.

Und das Ergebnis? Gegen acht Beteiligte wird nun von der Staatsanwaltschaft Neapel ermittelt wegen Korruption, schwerer Korruption und illegaler Parteienfinanzierung…..Radio24.

Darunter sind aber auch der Direktor von Fanpage und der Autor der Reportage, gegen die wegen „Anstiftung zur Korruption“ ermittelt wird.

In Italien gibt es nämlich kein Gesetz, das für Ermittlungen wegen Korruption den Einsatz eines agent provocateur vorsieht – wie es z.B. in den USA möglich ist.

Man debattiert nun heftig die Frage: Ist es legitim, verdeckte Ermittler einzusetzen?

Es sollen hier nur zwei Autoritäten zitiert werden: Der Präsident der Antikorruptionsbehörde Raffaele Cantone erklärt einerseits sein Entsetzen über die in der Video-Reportage dokumentierten Verhandlungen, andererseits aber erscheint ihm der Einsatz eines agent provocateur zu gefährlich und daher nicht opportun.

Der Antimafia-Staatsanwalt Nino Di Matteo dagegen hält die Recherchen von Fanpage für „wertvoll“ und verweist darauf, dass er schon bei mehreren offiziellen Gelegenheiten gefordert habe, den Einsatz von verdeckten Ermittlern, wie er in Italien gesetzlich schon beim Drogen- und Waffenhandel und bei Pädopornographie vorgesehen ist, auch auf Korruptionsfälle auszuweiten. Er begründet seine Forderung damit, dass Korruption ein Verbrechen ohne Zeugen ist und beide Seiten kein Interesse daran haben zu reden. Allerdings müsse ein solcher Einsatz unter strikter Überwachung durch den Staatsanwalt stattfinden*.

*Aussagen und Vorgaben verschiedener Gerichte zum Thema: Provocateur
Quelle für den ganzen Artikel: Fanpage.it/

 Schild: Kaufe Gold, höchste Preise
Repubblica.it/

Italien: Roberto Scarpinato schlägt Alarm

Roberto Scarpinato ist leitender Oberstaatsanwalt in Palermo und sagt: „Das neue Abhörgesetz schafft die „Methode Falcone** ab“!

** Die Methode Falcone besteht aus Prinzipien für die Ermittlungen bei Mafia-Delikten: Die Ermittler müssen immer das ganze Puzzle im Blick haben. Eine deliktorientierte Ermittlung – wie in Deutschland immer noch üblich – ist kontraproduktiv. Es wurden zentrale Datenbanken geschaffen, die die gesamten Informationen allen Antimafia-Staatsanwaltschaften und dem Nationalen Staatsanwalt für Antimafia und Terrorismus zur Verfügung stellen.

Seitdem die italienische Regierung das neue Gesetz über Abhörmaßnahmen verabschiedet hat, haben sich verschiedene Antimafia-Staatsanwälte äußerst kritisch geäußert. Nun wendet sich der leitende Oberstaatsanwalt Roberto Scarpinato erneut an die Regierung, das Gesetz noch vor seinem In-Kraft-Treten (am 25. Juli 2018) zu reformieren, da es die Errungenschaften der „Methode Falcone“ zunichte mache. Der Justizminister Orlando lehnt dieses Ansinnen ab, während die Präsidentin der Nationalen Parlamentarischen Antimafia-Kommission Rosy Bindi Scarpinatos Appell unterstützt.

Das bisher geltende Gesetz sieht den Staatsanwalt in der Rolle desjenigen, der die abgehörten Gespräche als relevant oder nicht für seine Ermittlungen beurteilen muss. Die Reform jedoch legt diese Aufgabe in die Hände der Kriminalpolizei: Die von der Polizei als irrelevant beurteilten abgehörten Gespräche dürfen nicht transskribiert werden, die Identität der abgehörten Personen und das Gesprächsthema dürfen nicht genannt werden. Die Polizeibeamten sind gehalten, lediglich in Zweifelsfällen kurze inhaltliche Anmerkungen über die nicht transskribierten Gespräche an den ermittelnden Staatsanwalt weiterzuleiten, damit er beurteile, ob die Gespräche nicht doch transskribiert werden müssten. Alle anderen, von den Polizei-Beamten als irrelevant eingestuften Aufnahmen, wandern in ein besonderes Geheim-Archiv, eine Zusammenfassung wird nicht mitgeliefert. Die einzige, nicht praktikable Möglichkeit für Staatsanwälte und Verteidiger, auf möglicherweise doch wichtige Informationen zurückzugreifen, bestünde dann darin, sich unzählige Stunden von abgehörten Gesprächen im Original anzuhören. Die neuen Bestimmungen, so wird im Justizministerium argumentiert, schütze das „Recht auf privacy“ dritter Personen. Die Ermittlungshoheit der Staatsanwälte bleibe aber in vollem Umfang respektiert.

Roberto Scarpinato ist da völlig anderer Meinung. Um dem „Recht auf privacy“ mehr Geltung zu verschaffen, würden die in der Verfassung festgeschriebenen Prinzipien aufgegeben: die Verpflichtung zur Strafverfolgung, die vollkommene Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft von anderen Staatsgewalten, die Umsetzung der Rechtssprechung durch einen gerechten Prozess.

Der schlimmste Schaden, so Scarpinato, sei aber die Vernichtung unzähliger Informationen.

Er erläutert dies durch ein konkretes Beispiel: Ein Staatsanwalt in Palermo lässt Gespräche abhören, weil sie möglicherweise relevant sein könnten für seine Ermittlungen in einem Mordprozess.

Er stellt fest, nein, sie sind irrelevant, gibt die Protokolle aber trotzdem in die Datenbank ein, wie es seit 2011 gesetzlich vorgeschrieben ist. Für einen anderen Prozess in einer anderen Stadt, z.B. wegen Drogenhandels, könnten sie relevante Informationen enthalten. Werden nun von der Kriminalpolizei Gespräche als irrelevant für eine bestimmte Ermittlung klassifiziert, wandern sie nun eben in das neue Archiv und nicht in die zentrale Datenbank für Mafia-Ermittlungen und sind damit für andere Ermittlungen verloren. Dies bedeute, so Scarpinato einen immensen Schaden für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften und die Verletzung eines zentralen Prinzips der Methode Falcone… Antimafiaduemila.com

Ich kapier’ nicht, warum ich abgehört werden soll. Eigentlich will ich nur in Ruhe Straftaten begehen

 

 

 

 

Er sagt, man muss die privacy der Mafia respektieren. – Vor allem wenn sie mit der Politik intim ist.

 

 

 
Weiter Artikel zu Roberto Scarpinato 

Italien: Versuch, einen Mafia-Prozess unter den Teppich zu kehren – aber weshalb?

Der seit Mai 2013 in Palermo laufende Prozess zur „Trattativa“ ist am 14. Dezember 2017 in seine Schlussphase getreten: Die die Anklage vertretenden Staatsanwälte halten ihre Plädoyers – und wer informiert darüber?

Ausführliche Artikel erscheinen in der Internetzeitung Antimafiaduemila und in „il fatto quotidiano“, und von Radio Radicale werden die Gerichtssitzungen stets live übertragen. Die Lokalausgabe Palermo der „Repubblica“, eine Zeitung, für die hervorragende Mafia-Experten arbeiten, zitiert immerhin wiederholt zentrale Aussagen der Anklage.

Gibt man den Namen des „Corriere della Sera“ und das entsprechende Thema ein, erscheint genau ein Artikel, der vom 14. Dezember, als mit dem ersten Plädoyer von Nino di Matteo die Schlussphase des Prozesses begann. Mit dem Namen „La Stampa“ liefert das Netz ebenfalls nur einen Artikel zum Thema: Der Boss Provenzano habe den Boss Riina an die Carabinieri verkauft.

Weitere Stichproben? Sizilien? Il giornale di Sicilia? Der einzige Artikel zum Thema ist vom Dezember 2014; Und die andere große Zeitung in Sizilien “La Sicilia” – nichts, oder habe ich da etwas übersehen?

Die Internet-Zeitung Linformazione.eu spricht von einem „gut versteckten Prozess“, der so entsetzlich unbequem sei für das Establishment, weil sich neben den Superbossen der Cosa Nostra Politiker, darunter Berlusconis engster Mitarbeiter und Freund Marcello Dell’Utri, und hohe Ränge der Carabinieri wegen „Angriffs auf ein staatliches Gremium“ verantworten müssen. Gemeint ist mit dieser juristischen Formulierung*, dass 1992 nach der Bestätigung der Urteile des Maxiprozesses gegen Cosa Nostra und nach der Ermordung des sizilianischen Politikers Salvo Lima** im März, italienische Staatsvertreter durch Vermittlung einiger Carabinieri Verhandlungen mit der Cosa Nostra und Totò Riina aufgenommen haben, angeblich mit dem Ziel, die Phase der blutigen Attentate der Cosa Nostra zu beenden.

Auch der jetzige Bürgermeister von Neapel, Luigi De Magistris, (er hatte als Staatsanwalt mehrere Ermittlungsverfahren wegen Korruption geleitet, die ihm dann nach und nach entzogen wurden, so dass er 2009 seine Tätigkeit als Staatsanwalt aufkündigte und in die Politik ging) meldet sich zu diesem doch bemerkenswerten Schweigen der Medien zu Wort: „Es gibt ein echtes System, das noch sehr stark ist in unserem Land und nicht erträgt, dass man zur Wahrheit vordringt.“ In seinem Interview, das er dem „fatto quotidiano“ gab, meint er, die Italiener dürften ja nichts über den Prozess wissen, weil er sich mit der Verantwortung „im Herzen des Staates“ befasse. Nachgefragt, was er mit dem „echten System“ meine, verweist er darauf, dass zum ersten Mal Anfang der achtziger Jahre der Prozess über die Geheimloge P2 von Licio Gelli (in die auch Berlusconi eingeschrieben war) diese Art kriminelles System rekonstruiert habe. Natürlich habe seitdem das System andere Formen, anderen Methoden, aber das Ziel sei unverändert das Gleiche: die Macht. Es handle sich um ein System, das im Innern des Staates die Fäden ziehe, und das eine Allianz aus Vertretern der Institutionen, aus Hochfinanz und organisierter Kriminalität bilde.

Als verantwortlich für die verschiedenen Versuche, den Prozess zu verhindern oder wenigstens an eine andere Staatsanwaltschaft zu verlegen, nennt De Magistris den ehemaligen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano (der zu Zeiten der Attentate Parlamentspräsident war) und den im Prozess wegen Falschaussage angeklagten damaligen Innenminister Nicola Mancino. Beide Politiker haben übrigens auch eine entscheidende Rolle dabei gespielt, als man De Magistris die Korruptionsermittlungen in Kalabrien und der Basilicata weggenommen hatte. Das Interview beendet De Magistris mit dem Appell, aufmerksam zu beobachten, was sich im jetzigen Wahlkampf abspiele: Man spreche nirgends von Mafia, „entweder weil man einfach gerade nicht daran denkt, oder weil einem das Wissen fehlt. Auch wer sich als Bewegung präsentiert, die etwas ändern will, begnügt sich mit Parolen. In Wahrheit sind die Mafien in das Mark des Staates eingedrungen. Du brauchst deshalb einen eisernen Willen, sie zu bekämpfen, und vor allem: du darfst nicht erpressbar sein!“

*Artikel 338 des italienischen Strafgesetzbuches
**Salvo Lima, Politiker der Democrazia Cristiana und Mitglied der Mafia, war Giulio Andreottis Verbindungsmann in Sizilien
antimafiaduemila

Die Strippenzieher

Wer mehr wissen möchte über den „gut versteckten Prozess“:
Palermo Connection und kein Ende
Solidaritaet mit Nino di Matteo

Und der Dokumentarfilm: (englisch-italienisch)

Italien: Tod der „Bestie“ – Wie angemessen reagieren?

Am 18.11.2017 ist Salvatore (oder Totò) Riina aus Corleone, genannt „die Bestie“, aber auch „Boss der Bosse“, im Alter von 87 Jahren im Gefängnis von Parma gestorben. 26 Urteile zu lebenslänglich wurden gegen ihn ausgesprochen, die Zahl der Opfer, die auf sein Konto gehen, ist nicht genau auszumachen, sie geht in die Hunderte. Richter, Polizisten, Politiker, Rivalen im Innern von Cosa Nostra, aber auch völlig Unbeteiligte hat er persönlich umgebracht oder er hat dafür gesorgt, dass sie ihm aus dem Weg geräumt wurden. Sein Blutrausch gipfelte in den Attentaten gegen Giovanni Falcone und Paolo Borsellino (1992) und in den terroristischen Anschlägen in Rom, Mailand und Florenz (1993).

Wie geht man nun mit dem Tod eines solchen Mitbürgers um?

  1. Der italienische Staat verfährt zweigleisig: Einerseits wurde den engsten Angehörigen am 17.11. noch gestattet, vom Ehemann und Vater Abschied zu nehmen, was eigentlich bei einem Gefangenen zu den Bedingungen des 41 bis (das Gesetz regelt die verschärften Haftbedingungen für Terroristen und hochkriminelle Mafiabosse) nicht gestattet ist. In völlig anderer Weise wird das Begräbnis organisiert: Vorgesehen war eine schnelle Bestattung mitten in der Nacht. Da die Fähre Neapel-Palermo aber verspätet anlegte, musste die Beerdigung auf den Morgen verschoben werden. An Riinas Grab trafen sich lediglich Ehefrau Ninetta Bagarella und drei der vier Kinder (Anm.1), Carabinieri und Polizei, Medienvertreter und wenige Neugierige mussten draußen bleiben Dieses Mal hat der Staat verhindert, dass der Tod eines Mafiabosses für eine Machtdemonstration ausgeschlachtet wurde – wie noch vor zwei Jahren in Rom, als der Boss des Clans Casamonica als „König von Rom“ und unter den Klängen aus dem Film „Der Pate“ zu Grabe getragen wurde.


 

  1. Die Medien beschreiben mehrheitlich das Leben des schwestkriminellen Verbrechers. Der „Corriere“ z.B. beschreibt die wichtigsten Morde, die zu den 26 Urteilen „lebenslänglich“ geführt haben. Andere Zeitungen interviewen Experten, wie es nach dem Tode Riinas, der wohl bis zum Schluss – auch aus dem Hochsicherheitsgefängnis heraus – von den Mafiosi als oberster Boss betrachtet worden ist, im Innern von Cosa Nostra weitergehen könnte.
  2. Für den Vatikan äußert sich der Erzbischof von Monreale (zu dieser Diözese gehört Corleone) Michele Pennisi: „Keine richtige Beeridung für Totò Riina! Er ist exkommuniziert.“ (Anm. 2) „Ich fürchte bloß, dass sein Grab zu einem Wallfahrtsort wird. Es gibt Leute, die nach Corleone kommen, um das Haus des „Paten“ zu besichtigen. In einem Hotel waren Amerikaner, die eine Diashow zu dem Attentat von Capaci sehen wollten. Und wie ich höre, organisiert der Sohn eines Mafiabosses Touren für Touristen (Anm.3) Wer weiß, was er den Leuten da erzählt!“
  3. Am meisten hat mich aber der Vorschlag von Alfredo Morvillo überzeugt, der meint: „Es hätte doch eine Kurznachricht genügt: Gestorben Totò Riina, oberster Boss der Cosa Nostra.“

Alfredo Morvillo arbeitet als Staatsanwalt in Trapani. Seine Schwester Francesca Morvillo Falcone kam mit ihrem Mann Giovanni Falcone im Attentat von Capaci um.

Anm.1 Ein Sohn sitzt wegen Mord im Gefängnis

Anm. 2 Papst Franziskus hat ausdrücklich Mafiosi und Korrupte exkommuniziert.

Anm. 3 Es handelt sich dabei um einen Sohn des Mafiabosses Bernardo Provenzano, der für ein amerikanisches Reiseunternehmen Führungen in Corleone macht.

 

Universitäten in Italien: Ihr Beitrag zum Kampf gegen Mafia und Korruption

Das Ergebnis einer von der italienischen parlamentarischen Antimafia-Kommission in Auftrag gegebenen Studie: 57 von insgesamt 81 Universitäten haben das Thema in ihr Lehrangebot aufgenommen. Spitzenreiter ist der Norden mit 42 %, gefolgt vom Süden, 36 %, der Rest im Zentrum Italiens. Und es sind mehrere Studienfächer involviert!

Die Studie, die 2017 von der Rektorenvereinigung der italienischen Universitäten CRUI durchgeführt wurde, ergab, dass es eine zahlenmäßig relativ kleine Gruppe von Dozenten und Experten ist, die sich mit der Materie befasst. Umso erstaunlicher, dass die Zahl der in diesem Bereich engagierten Hochschulen zwischen 2011 und 2016 um 19 zugenommen hat (das sind pro Jahr fast vier!).

Neun der befragten Universitäten (Bologna, Messina, Milano Cattolica, Neapel Federico II, Pisa, Roma Luiss, Roma Sapienza, Roma Tor Vigata und Teramo) bieten zusätzlich für das letzte Studienjahr Vertiefungskurse, die sich ausschließlich mit der Problematik Mafia und Korruption beschäftigen, während andere Hochschulen auf eine Berücksichtigung verschiedener Perspektiven setzen (z.B. Geschichte der Mafia, Antimafia-Gesetzgebung, Soziologie und Psychologie des Phänomens).

Die verschiedene Repräsentanz der involvierten Hochschulen in den verschiedenen Landesteilen wird auf das unterschiedliche Problembewusstsein in den jeweiligen Regionen zurückgeführt.

An der Studien beteiligte Universitäten nach Größe und geographischer Lage: große, mittlere, riesige, kleine (Universitäten)

Die Studienangebote bestehen aus fest eingerichteten Beobachtungsstellen („Observatorien“), aus stabilen Arbeitsgruppen, Studien- und Recherche-Zentren.

Im Studienjahr 2015/16 haben die Hochschulen außerdem 352 Veranstaltungen organisiert, die für eine „Kultur der Legalität“ sensibilisieren sollten: Vortragsabende und ganze Vortragsreihen, Seminare, Studienreisen, Schaffung von Blogs und Radiosendern, Foto-Ausstellungen, Theateraufführungen, Wettbewerbe und anderes.

Die Fächer, die sich mit der Materie beschäftigen sind Jura, Wirtschaft, Politik, Psychologie, Pädagogik und Anthropologie.

Auch für deutsche Universitäten könnte Italien ein inspirierendes Vorbild sein!
Ilfattoquotidiano.it

Rede des Präsidenten der Rektorenvereinigung Gaetano Manfredi bei der Vorstellung der Studie vor der Nationalen Parlamentarischen Antimafia-Kommission am 7. November: Speech Manfredi_ANTIMAFIA_COMMISSION

ANSA-Bericht

 

 

Die vereinten Mafien von Europa

Dossier der italienischen Tageszeitung Il fatto quotidiano“

Das Dossier bietet eine ausführliche Übersicht über die Infiltration der Europäischen Union durch die verschiedenen Mafien und Gruppen Organisierter Kriminalität. Die Autoren stützen sich dabei auf die bis Mitte 2017 von verschiedenen Institutionen erhobenen Daten. Über eine interaktive Karte gelangt man zur Situation in den einzelnen Ländern Europas und entdeckt, dass keines der Mitgliedsländer frei ist von Organisierter Kriminalität (OK)

Hier soll nur die Gesamtsituation kurz zusammengefasst und ein Blick nach Deutschland geworfen werden.

  1. Allgemeine Situation

In den 28 europäischen Mitgliedstaaten wird gegen ca. 5000 kriminelle Organisationen ermittelt. Die italieniscnen Mafien nehmen dabei eine zentrale Stellung ein (Europol). 7 von 10 Organisationen arbeiten transnational und gleichzeitig in mehreren Sektoren, der größte Sektor ist der Drogenhandel, der zweitgrößte der Menschenhandel, der drittgrößte der Handel mit gefälschter Ware. Die OK-Gruppen teilen sich dabei einen illegalen Markt von 110 Milliarden Euro (Transcrime).

Die illegalen Gewinne müssen dann gewaschen werden, um sie in den Kreislauf der legalen Wirtschaft einzuspeisen. Zu diesem Zweck haben sich spezialisierte Banden gebildet, die eine Provision von 5-8% des gewaschenen Geldes erhalten. Auf diese Weise wird schrittweise die Konkurrenz in der legalen Wirtschaft ausgehebelt. Illegales Geld wird vor allem durch Immobilienkäufe, im Baugewerbe, bei der Müllbeseitigung, aber auch durch Investitionen in erneuerbare Energien, durch Geldtransfer und im Glücksspielsektor gewaschen.

Die Autoren vergleichen die Situation in Europa mit Italien nach dem zweiten Weltkrieg, als allerseits geleugnet wurde, dass die Mafia existiere.

Und was tut Europa? Seit mindestens 10 Jahren beschließt das Europaparlament Papiere, die die europaweite Einführung des italienischen Gesetzes „416 bis“ (allein zur Mafia zu gehören ist strafbar – Anm. 1) und der Beweislastumkehr (Anm.2) fordern. – Bisher ohne Ergebnis. Auch die Arbeiten für eine europäische Staatsanwaltschaft werden von verschiedenen Ländern blockiert. Die wiederholten Ermahnungen der Ermittler, dass die Mafien mit ihrem gigantischen Geldvermögen die freie und legale Wirtschaft aushebeln können, werden systematisch ignoriert. Außerdem gibt es bisher keine einheitliche Definition von OK, die die komplexen und flexiblen Strukturen der OK angemessen beschreiben würde (Europol). Und eine Verpflichtung für die einzelnen Staaten, sich um eine Regelung zu bemühen, existiert nicht.

Wie sollen die Mafien wirkungsvoll bekämpft werden, wenn jeder Staat macht, was er will, und einige Staaten gar behaupten, das Problem existiere gar nicht?

Der Bericht führt verschiedene Länder auf, die sich gegen eine effektive Mafia-Bekämpfung sträuben, darunter Deutschland. Bisher müsse man sagen, dass Europa mehrfach wichtige Gelegenheiten verpasst hat, um sich ernsthaft mit der Bekämpfung der Mafien auseinander zu setzen (Studie des Projekts Ikarus 2016; Jahresbericht 2016 der DNA Italien). Da europäische Gesetze fehlen, wenden sich inzwischen Ermittler aus europäischen Ländern mit Amtshilfeverfahren an die Nationale Staatsanwaltschaft in Italien. Ersatz für ein fehlendes Gesetz im eigenen Land ist nun die Kooperation mit Italien, wobei die italienischen Behörden bald ihre Belastungsgrenze erreichen werden.

Es ist schwer zu begreifen, dass sich Europa stur gegen den „Königsweg“ zur Bekämpfung der Mafien wehrt, den Giovanni Falcone so formuliert hat: „Folgt der Spur des Geldes!“ Zwischen 1992 und 2016 hat der italienische Staat 21,3 Milliarden beschlagnahmt und 8,5 Milliarden konfisziert. Dass sich die Mitgliedstaaten diesen wahren Geldschatz – vor allem in Zeiten knapper Kassen – entgehen lassen, ist einfach unverständlich.

Wie verfälscht Europas Blick auf Antimafia-Maßnahmen ist, zeigt das Schicksal der 2012 eingerichteten Antimafia-Kommission CRIM. Da die drei Vorsitzenden alle aus Italien kamen (Sonia Alfano, Rosario Crocetta, Salvatore Jacolino), wurde die Arbeit dieser Kommission so wahrgenommen, als sollten hier von Italienern italienische Probleme gelöst werden. Inzwischen ist die Kommission aufgelöst. Die Europaparlamentarierin Laura Ferrara (Fünf-Sterne-Bewegung) erzählt, sie habe in Brüssel oft den Vorwurf gehört, dass die Gefahr durch die Mafien lediglich „eine fixe Idee von Italienern“ sei.

Ein weiteres Problem sind die großen Unterschiede in den Rechtssystemen. Eine anfangs angestrebte Harmonisierung scheint nicht möglich, und so ist die aktuelle Aufgabe Europas darin zu sehen, einen gemeinsamen Ausgangspunkt zu finden, von dem aus man wirkungsvoll gemeinsam das Problem der Mafien angehen kann. Im Moment können sich die Mafien und OK-Gruppen die „Löcher“ in der Gesetzgebung bestens zu nutze machen.

Uneins ist man sich auch über die Prioritäten: Der Direktor von Transcrime z.B. hält einen europäischen „416 bis“ für zweitrangig. Für ihn steht an erster Stelle eine einheitliche Gesetzgebung zur Beschlagnahmung und Konfiszierung von Mafia-Besitz, um die Grenzen zwischen kriminellem und legalem Kapital wieder sauber zu ziehen. Den „Rest“ könne eine verstärkte Kooperation der Polizeien und eine verbesserte Ausbildung der Polizei erledigen.

Ob mit diesem Vorschlag auch andere Probleme gelöst werden können? Z.B. die unterschiedlichen Regelungen für Maßnahmen der Ermittler (Datenspeicherung, Abhören von Telefonaten usw.), z.B. die in verschiedenen Ländern automatische Löschung von Vorstrafen nach wenigen Jahren, z.B. die offenen Grenzen Europas, die aber nicht für Polizeien und Staatsanwälte gelten (Anm.3), z.B. die in Italien gültige „Beihilfe zu Mafia-Vergehen“, die in anderen Ländern nicht bekannt ist.

(1) Zugehörigkeit zur Mafia ist ein Straftatbestand, ohne dass der Beweis durch ein begangenes Verbrechen geführt werden müsste; Und: Mafiabesitz kann beschlagnahmt und konfisziert werden.

(2) Bei der in Italien gültigen Beweislastumkehr muss der Beschuldigte beweisen, dass seine Einkünfte und sein Besitz aus legalen und nachweisbaren Quellen stammt.

(3) Behörden müssen bei grenzüberschreitender Kooperation zuerst ein Amtshilfeverfahren einleiten.

  1. Blick nach Deutschland

Die wichtigsten Mafien sind die `Ndrangheta, die türkische Mafia und russisch-sprachige Mafien (aus Georgien, Litauen, Russland).

Der Antimafia-Staatsanwalt Roberto Scarpinato aus Palermo warnte im April 2014: „Die Mafia in Deutschland will, dass die Deutschen denken, sie existiere nicht. Sie braucht keine Gewalt mehr anzuwenden, sie kann mit ihrem Kapital verführen. Länder wie Deutschland gehen ein hohes Risiko ein. Wenn man sich nicht für die Herkunft des Kapitals interessiert (…) dann ist die Ethik eines Volkes in Gefahr. (…) Deutschland muss entscheiden, ob es die Mafia haben oder bekämpfen will!“

Warum Deutschland ein Paradies für die Mafien ist:

  • Die Zugehörigkeit zur Mafia ist kein Verbrechen und die mafia-eigenen Firmen und Restaurants werden praktisch nie beschlagnahmt.
  • Das BKA kennt namentlich ca. 500 Mafiosi (300 `Ndrangheta, 100 Cosa Nostra und Stidda, 90 Camorra), geht aber von „mindestens 1200 Mafiosi“ aus, die in Deutschland Verbrechen begehen.
  • Die Mafia verdient mit legalen (Restaurants, Immobilienkauf) und illegalen Geschäften (Drogen, Waffen, Geldwäsche). Ein Ziel ist Geldwäsche und Investition von illegal erwirtschaftetem Geld, das andere Ziel ist die Kontrolle des Territoriums, indem z.B. die zum `Ndrangheta-Clan Grande Aracrì gehörenden Restaurants an strategisch wichtigen Punkten errichtet werden.
  • Mafia-Ermittlungen werden seit 1998 immer seltener, obwohl z.B. die Hochburgen der `Ndrangheta Baden-Württemberg, NRW, Hessen und Bayern sind.
  • Die deutsch-schweizerischen Ermittlungen „Crimine“, „Helvetia“ und „Rheinbrücke“ haben die Existenz von `Ndrangheta-Zellen bewiesen, die auch Initiationen durchführen (von der Polizei gefilmt in Singen 2009); da aber die Zugehörigkeit zur Mafia keine Straftat ist….
  • Eine der Hauptaktivitäten der `Ndrangheta ist die Gastronomie. Die Restaurants dienen als Logistik-Zentren, als Generalquartier für Treffen, als Knotenpunkt für Waffen- und Drogenhandel.
  • Die Cosa-Nostra-Operation „Scavo“ im Raum Köln, initiiert von der italienischen Polizei und mit durchgefüht von der deutschen Polizei, erwies, dass ein Mafioso aus Licata (Sizilien, Provinz Agrigent) den Auftrag hatte, die Baumafia im Raum Köln zu koordinieren: Es handelt sich um ein Netz von 430 Baufirmen, die alle von Strohleuten eröffnet worden sind.
  • Seit dem Attentat von Duisburg 2007 verfolgen die Mafien die Taktik der Unsichtbar-keit, um ihre guten Geschäfte in Deutschland nicht noch einmal zu gefährden. Laut BKA und LKA werden nicht nur Geschäfte mit Waffen, Drogen, Erpressungen, Falschgeld gemacht, sondern die Italienischen Mafien haben inzwischen auch Zugang zu staatlichen Bauaufträgen, sie infiltrieren den Nahrungsmittelsektor und das Gesundheitssystem, die Abfallbeseitigung – und sie beantragen öffentliche Gelder für diese Geschäfte.
  • Ein Ermittler: „In Politik und Polizei denken viele, sie hätten alles unter Kontrolle, dass die Mafia kein Problem sei. Ganz falsch! Die Mafien haben sich hervorragend ausgedehnt, sie sind schon in die Gesellschaft eingedrungen und schütteln den Leuten, die was zu sagen haben, die Hand: Politikern, Staatsanwälten, Polizisten, Journalisten…“

    Moderne Zeiten

„Folgt der Spur des Geldes – und Ihr trefft auf die Mafia“

„Folgt der Spur des Geldes – und Ihr trefft auf die Mafia“ (Giovanni Falcone)
Die aktuelle Situation bei der Bekämpfung der Mafia.

Unter diesem Titel trafen sich wie jedes Jahr vor dem Jahrestag des Attentats von Capaci (Sizilien) Staatsanwälte, Journalisten und Angehörige von Mafia-Opfern in der juristischen Fakultät der Universität Palermo, um in diesem Jahr den ökonomischen Aspekt des Problems vor Publikum zu analysieren. Eingeladen hatten, wie jedes Jahr, die Zeitung Antimafia Duemila und der Antimafia-Studentenverein „Contrariamente“ aus Palermo.

Hier einige Auszüge:

Der Staatsanwalt Sebastiano Ardita aus Messina sieht die aktuelle Situation in Italien mit einiger Sorge. Er stellt einen „schizophrenen Umgang mit dem Erbe Falcones“ fest.
Man begehe einerseits den 25. Jahrestag des Attentats mit großem medialen Pomp, andererseits wolle man von den innovativen Ideen des Antimafia-Richters nichts wissen.

Folgende besorgniserregende Phänomene führt er an:

• 2017 kommen eine Reihe von charismatischen und gewieften Mafiabossen frei, weil sie ihre Strafe abgesessen haben, und das zu einer Zeit, in der Cosa Nostra immer noch auf der Suche nach einem Boss der Bosse ist.

• Die Regierung arbeitet daran, die Erlaubnis für Justizorgane, Gespräche abzuhören, stark einzuschränken.

• Immer wieder versucht die Politik, den Artikel 41 bis (der die Isolationshaft für Mafiabosse und Terroristen festlegt) abzumildern oder ganz abzuschaffen.

• Man erlaubt jetzt dem ehemaligen Präsidenten der Region Sizilien, Salvatore Cuffaro, offiziell Unterricht für Journalisten zu erteilen, obwohl er wegen „schwerer Begünstigung der Mafia“ 6 Jahre im Gefängnis gesessen hat.

• Die von der Mafia ausgehende Korruption findet sich heute in jedem Bereich, von dem aus Einfluss genommen werden kann. Wegen ihrer Unsichtbarkeit kann sie deshalb überall im Staat und in der Verwaltung am Werke sein.

Und so müsse man zu dem Schluss kommen, dass der italienische Staat völlig hinter den Möglichkeiten der Mafia hinterherhinke und wie schon früher auch, in der Zeit vor Falcone, über keine geeigneten Abwehrmöglichkeiten gegen die Mafia verfüge.

Gianni Dragoni, Journalist des Wirtschaftsblattes „Il sole 24 ore“ nennt Zahlen:
Nach Schätzungen der letzten parlamentarischen Antimafia-Kommission hat die italienische Mafia einen Jahresumsatz von 160 Mrd. €, der Gewinn wird auf 105 Mrd. geschätzt.

Wenn also die italienische Mafia mit all ihren Geschäftsaktivitäten eine Holding wäre, wäre sie das weitaus größte italienische Wirtschaftsunternehmen und hätte damit 40 Mrd mehr Umsatz als „Exor“, der größte italienische Konzern, zu dem Fiat-Chrysler, Ferrari, CNH (italienisch-amerikanische Multinationale), PartnerRe (international tätiges Versicherungs-unternehmen) und Juventus Turin gehören. Deren Gesamtumsatz betrug 2016:
111 Mrd. €.

Der Wert eines Unternehmens an der Börse wird nach dem Gewinn berechnet. Nimmt man die geschätzten 105 Mrd. Gewinn zur Grundlage, hätte „Mafia spa“ einen Wert von 1680 Mrd., nahezu das Dreifache von allen 260 an der Börse notierten italienischen Unternehmen.

PS: Apple hatte am 19. Mai 2017 einen Wert von 811 Mrd. $, das sind 725 Mrd. €. Das heißt, „Mafia spa“ könnte Apple kaufen und hätte dann immer noch 955 Mrd. übrig.

Der Moderator Aaron Pettinari, Chefredakteur von Antimafia Duemila, bemerkt, dass Giovanni Falcone vor seiner Ermordung der „Spur des Geldes“ folgte und Ermittlungen über riesige Geldströme der sizilianischen Mafia anstellte, die zuerst auf der kleinen Mailänder Bank Rasini landeten (2) und dann scheinbar im Nichts verschwanden – das „Nichts“ vermutete er in der Schweiz. Diese Ermittlungen waren mit ein Grund für verschiedene Leute, Falcone eliminieren zu wollen. Seit den großen Mafia-Attentaten vor 25 Jahren habe sich aber doch sicher einiges geändert, vermutet Pettinari und übergibt das Mikrofon an Roberto Scarpinato.

Roberto Scarpinato, leitender Oberstaatsanwalt von Palermo, meint, nichts mehr sei so wie früher. Wir befänden uns in einer Welt, in der das Kapital die Demokratie vernichte:
„Das Sagen hat, wer das meiste Kapital besitzt“

Zuerst einmal müsse man einen Fehler vermeiden, der häufig in der Öffentlichkeit gemacht werde: Den Fehler, die Mafia-Phänomene mit den Augen von vor 25 Jahren zu betrachten. „Das Italien von damals existiert nicht mehr!“ Es zeigten sich vielmehr neue Formen der Mafia-Kriminalität, die man mit den bisherigen Antimafia-Gesetzen nicht mehr bewältigen könne. Grund seien die vielen internationalen Veränderungen von historischer Tragweite wie z.B. der Untergang der Sowjetunion, Globalisierung, Einführung des Euro, Osterweiterung der EU und vieles andere. Diese Veränderungen hätten nicht nur die bisherige Ordnung in der legalen Zivilgesellschaft durcheinander gebracht, sondern auch das Gleichgewicht in der ausgedehnten illegalen Gesellschaft und besonders im Universum der Mafien gestört.

Im Innern der Mafien, so Scarpinato, hat eine Spezialisierung stattgefunden: Der traditionelle Mafioso, der Schutzgeld erpresst und dem Opfer die Pistole an die Schläfe setzt, hat ausgedient. Durchsetzung durch Anwendung von Gewalt ist nicht mehr opportun. Mehr Erfolg scheinen neue Formen der Mafia zu haben. Das Kassationsgericht spricht von den „schweigenden Mafien“, er, Scarpinato, nenne sie „Mafie mercatiste“ (etwa: Mafien des Freien Marktes), d.h. Mafien, die sich flexibel an die Veränderungen angepasst, sich die Regeln des sog. Freien Marktes zueigen gemacht haben und zu Service-Agenturen geworden sind, Agenturen, die illegalen Service und illegale Güter zur Verfügung stellen. Dafür gebe es weltweit einen unvorstellbar großen Bedarf von Millionen „normaler“ Leute, denke man z.B. an Millionen Neureiche in China , in Indien, in Russland usw..

Die Selektion und Spezialisierung im Innern der Mafien hätten die klassischen Mafia-Methoden der Gewaltanwendung auf ein Minimum reduziert und es habe sich vor allem im Norden eine neue Art Beziehung Mafia-Bevölkerung herausgebildet, eine „kollusive“ (etwa: Komplizen-) Beziehung, so dass sich die Grenzen zwischen Mafia-Kriminalität, Wirtschafts-Kriminalität, Kriminalität in Politik und Öffentlichem Dienst – die sich vor allem in systema-tischer Korruption äußert -, immer mehr verwischten.

Zahlreiche Ermittlungen und Prozesse der letzten Zeit haben die Existenz von sog. „kriminellen Systemen“ aufgedeckt, die weder die typischen Eigenschaften einer Mafia-Organisation noch die einer „einfachen kriminellen Organisation“ haben (1). Es handelt sich um kriminelle Systeme, die neben den legalen Machtsystemen bestehen, gebildet aus der „Elite der Weißen Kragen“ (z.B. die von der Presse so genannten Cliquen, P2, P3, P4 usw.) und der „Mafia-Aristokratie“. Dort werden Geschäfte abgesprochen, zu denen das normale Volk der Mafiosi keinen Zugang hat.

Scarpinato unterscheidet drei verschiedene Arten von Mafien:

(Die folgenden Ausführungen sind leicht gekürzt. Um der besseren Lesbarkeit willen wird die direkte Rede beibehalten)

1. Die traditionelle Mafia
2. Die Mafien im sog. „Freien Markt“
3. Die kriminellen Systeme

(Roberto Scarpinato beendet seinen Vortrag)

Also wenn wir das, was ich hier ausgeführt habe, ernst nehmen, dann muss klar sein, dass heutzutage der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität nicht allein den Gerichten und der Polizei überlassen werden darf. Der Kampf muss weltweit geführt werden, auf allen Ebenen und an allen Fronten. Die wichtigste, die entscheidende Front ist die Bewahrung und die Wiederherstellung der Demokratie in der Politik gegenüber den großen Wirtschafts- und Finanzmächten, von denen die „Mafien im Freien Markt“ ein wichtiger und fester Bestandteil geworden sind.

Der Kampf besteht in der Schaffung nationaler und transnationaler Institutionen, die es den Völkern ermöglichen, wieder über das eigene Schicksal entscheiden zu können und die erlauben, die Kontrolle der Politik über die Wirtschaft wieder herzustellen. Das bedeutet z.B. auf europäischer Ebene, dass es doch nicht sein kann, dass über das Schicksal einzelner Länder entschieden wird von nicht repräsentativen Organen wie z.B. der Europäischen Zentralbank, von der nicht repräsentativen Europäischen Kommission oder vom Europa-Parlament, das nicht die geringste Bedeutung hat. Auch für Europa muss man einen Rechts-staat gründen und ein europäisches Parlament, das Ausdruck des Willens der Völker ist und das die politischen Entscheidungen einzelner Länder kontrollieren kann, das die Entscheidungen, die das Leben der einzelnen Völker betreffen, transparent gestaltet. Man muss also in Italien und in Europa eine politische Demokratie schaffen, die zu einer alternativen Gesellschaft führt, deren Basis die Vorstellung von der „Würde des Menschen“ ist. Die also völlig anders ist als die, die als einzigen Motor das Geld kennt und die den Menschen zur austauschbaren Ware herabwürdigt. Von dieser Art Gesellschaft, die die totale Kontrolle über das Leben jedes einzelnen von uns ermöglicht, träumen die großen Mafiabosse, die großen Bosse der kriminellen Systeme und die Mächtigen in der Wirtschaft.

Anmerkungen:
(1) Die kriminelle Organisation vom Typ Mafia definiert das Gesetz „Art. 416 bis“, die einfache kriminelle Organisation das Gesetz „Art. 416“.
(2) Banca Rasini, Mailand. Kleine Bank, in der Silvio Berlusconis Vater als Beamter angestellt war. Ihre Bekanntheit verdankt die kleine Bank den zahlreichen kriminellen Kunden, darunter den Mafiabossen Totò Riina, Pippo Calò, Bernardo Provenzano und Stefano Bontade.
(3) Für den italienischen Terminus „collusi“ verwende ich im Folgenden die Übersetzung Komplizen, wobei der italienische Begriff ausschließlich Komplizen der Mafia in Wirtschaft, Politik und Bevölkerung meint.
(4) Oligopol: ähnlich einem Monopol (bei dem einer den Markt beherrscht), nur dass hier ein Markt von einigen wenigen kontrolliert wird
(5) Der Fall CONSIP:`Die Consip ist die italienische Zentrale für Anschaffungen für den Öffentlichen Dienst und wird vom Ministerium für Wirtschaft und Finanzen verwaltet. Die Aufwendungen für die Anschaffungen bewegen sich in Milliardenhöhe. 2014 wurde ein staatlicher Auftrag über 2,4 Mrd. für Wartungs- und Reinigungsarbeiten im Gesundheitswesen ausgeschrieben, den jetzt die Staatsanwaltschaften von Neapel und Rom wegen des Vorwurfs der Korruption untersuchen. Festgenommen wurde bisher ein Unternehmer aus Kampanien, ermittelt wird aber auch u.a. gegen den Vater von Matteo Renzi, gegen den Sportminister, gegen einen Exmanager der Consip u. viele andere.
(6) cricche = Cliquen von Leuten in einflussreichen Positionen, wie z.B. Politiker;
P2: Eine Geheimloge, geführt von Licio Gelli, bei der Silvio Berlusconi Mitglied war, inzwischen ist sie aufgelöst, aber es hat Nachfolger gegeben:

Wie läuft`s mit den Bestechungsgeldern? – Du weißt, die Wirtschaftskrise, jetzt muss ich sogar Armbanduhren akzeptieren… (Schrift auf der Ablage: „Hier hinlegen“)

 

 

 

 

 

Und was wollen Sie dafür? – Den Auftrag für die Lieferung von Handschellen

 

Resumee:

Sacrpinato entreißt uns die Brille, mit der wir bisher die Wirtschaft betrachtet haben und zitiert einen Mafiaboss: „Dottore, die Welt ist heute anders als früher. Früher kontrollierte die Politik die Wirtschaft, heute ist es die Wirtschaft, die die Politik regiert. Die Märkte diktieren, was die Regierungen zu tun haben. Und wir sind das schwarze Herz der Wirtschaft. Wir sind die Wirtschaft.

Und mir stellt sich die bange Frage: Welche Politiker retten uns die Demokratie? Was kann ich tun?

You Want To Fight Mafia? Follow The Money!

Artikelserie: Frauen leiden unter Korruption

Papstgegner in einem Brief: „Das ist Ketzerei!“

Kein Papst hat Pädophilie so wortgewaltig und so häufig verurteilt wie Franziskus. Worauf die Antimafiabewegung jahrzehntelang gewartet hat: die Exkommunikation für Mafiosi und der Korruption überführte Personen: Er hat im Sommer eine Kommission eingerichtet, die bis zum Jahresende konkrete Handlungsanweisungen für die Pfarrer erarbeitet. Wie wichtig seine Person in diesem Zusammenhang ist, zeigte erst jüngst sein Erscheinen in der Parlamentarischen Antimafia-Kommission, wo er sich gegen Pädophilie, vor allem in den eigenen Reihen, gegen Mafia und Korruption äußerte. Ein solcher Papst hat viele und einflussreiche Feinde: Wer die Geschichte der Franziskus-Kritiken verfolgt, kann daran studieren, wie man in konzertierter Aktion schrittweise eine Autorität demontiert. Jetzt wirft man ihm vor, ein Ketzer zu sein!

Erneut melden sich traditionalistische Gegner von Papst Franziskus zu Wort, diesmal mit einer Petition. Sie kritisieren, dass der Papst in seinem Apostolischen Schreiben „amoris laetitia“ den geschiedenen und wieder verheirateten Gläubigen den Zugang zur Kommunion zugesteht. Außerdem sei er anfällig für moderne Trends und zeige eine zu große Begeisterung für Martin Luther.

Anfänglich waren es 40 Theologen aus aller Welt*, die den Brief unterzeichnet haben, in dem sieben Stellungnahmen des Papstes als ketzerisch kritisiert werden. Darunter das 8. Kapitel der „Amoris laetitia“, wodurch er, so die Kritiker, im Grunde die Scheidung auch in der Katholischen Kirche eingeführt habe. Auf der Seite www.correctiofilialis.org haben sich inzwischen weitere 22 Kritiker angeschlossen: Durch ketzerische Reden, Taten und Auslassungen habe Franziskus eine große drohende Gefahr für die Seelen der Gläubigen herbeigeführt. Man verlange, dass er die inkriminierten Aussagen korrigiere und zurücknehme.

Das kanonische Recht äußert sich zu einem solchen Fall folgendermaßen: „Über die oberste Führung (der Katholischen Kirche) kann nicht gerichtet werden.“ Der Jesuit Bellarmino (1843) jedoch stellt sich in seinem Traktat über den Römischen Papst die Frage, ob ein ketzerischer Papst abgesetzt werden kann. Und er kommt zu dem Schluss: „Ein Papst, der offensichtlich ein Ketzer ist, hört automatisch auf Papst und oberste Instanz zu sein. In gleicher Weise hört er automatisch auf, Christ und Mitglied der Kirche zu sein. Also kann ihn die Kirche verurteilen und bestrafen.“

Inzwischen hat das Kontrollbüro für das Internet im Vatikan den Zugang zu der Seite blockiert. Der Messaggero vom 25.9. berichtet, die Sperrung beschränke sich auf den Presseraum im Vatikan, der für alle zugänglich ist.** Grund für die Sperrung seien Fragen der Sicherheit.

Die italienischen Bischöfe haben sich inzwischen auf die Seite des Papstes gestellt und kritisieren die Petition.
Ilfattoquotidiano.it

*darunter diesmal jedoch keiner der Kardinäle und nur ein Bischof

**Aber auch mein Server meldet zuerst, er finde die Seite nicht. Beim zweiten Versuch lande ich auf einer Seite, die den Inhalt der Petition in Englisch zusammenfasst.

Ein Bombenattentat vor 25 Jahren in Palermo gibt bis heute Rätsel auf

Am 19. Juli 1992, 57 Tage nach dem Bomben-Attentat auf den Antimafiarichter Giovanni Falcone, wird in Palermo sein Freund und Kollege Paolo Borsellino von einer weiteren Mafiabombe in die Luft gesprengt. Der Anschlag wurde in mehreren Prozessen untersucht, trotzdem bleiben bis heute viele Fragen offen.

Anlässlich des 25. Jahrestages fand sich der CSM, das oberste Richtergremium in Italien, unter dem Vorsitz des Staatspräsidenten Mattarella zusammen. Hier soll nur der nationale Antimafia-Staatsanwalt Franco Roberti zitiert werden, der beklagte, dass die Wahrheit über das Attentat bis heute große Lücken aufweist; „Die Leute, die die Fakten kennen, haben weiterhin Angst darüber zu sprechen. Wenn ein Geheimnis, das vielen Personen bekannt ist, immer weiter gehütet wird, dann lehrt die Erfahrung, dass darauf ein Siegel der Macht lastet. (…) Ich habe alle Ergebnisse der Beweisaufnahme aufgeführt, weshalb wir behaupten, dass das Attentat vorsätzlich geplant war, um die politische Lage zu destabilisieren.“

Der leitende Oberstaatsanwalt von Palermo, Roberto Scarpinato, äußerte sich in einer ähnlichen Richtung: Er glaube, es sei jedem bewusst, dass das Attentat in der Via D’Amelio eine Geschichte sei, die noch nicht zu Ende ist. (…) Das Siegel der Macht, das das Geheimnis bewahre, müsse zerstört werden, sonst fände man nie die ganze Wahrheit heraus.

  1. Der Antimafiarichter Paolo Borsellino
  2. Ermittlungen, Prozesse und falsche Kronzeugen
  3. Der verschwundene Taschenkalender, Zeugen ohne Erinnerung, externe Auftraggeber

„Folgt der Spur des Geldes – und Ihr trefft auf die Mafia