Antimafiastaatsanwalt Gratteri: In Europa denkt man nur ans Geld

Nicola Gratteri, leitender Antimafia-Staatsanwalt aus Catanzaro (Kalabrien), schildert in einem Interview, das er vor kurzem in der Sendung „Circo Massimo“ Radio Capital gegeben hat, seine Sicht der aktuellen Lage im europaweiten Kampf gegen die Mafien.

Zunächst grenzt er sich dezidiert gegen den italienischen Innenministers Salvini ab, der behauptet hat, die Mafien endgültig zu besiegen, sei eine Frage von „wenigen Monaten“. Er sei da völlig anderer Meinung: Statt von einem Sieg spreche er lieber von einer Eindämmung des Phänomens OK. Wenn man unter Beachtung der italienischen Verfassung und mit einem anderen Justizsystem als dem jetzigen gegen die Mafien vorgehe, könne man in 10 Jahren 80% vernichtend schlagen. Aber, so betont er, dazu sei „ein starker Input von Seiten der Politik“ notwendig. Er sei seit 1986 als Staatsanwalt tätig und warte noch heute darauf, dass eine Regierung den Mafien den totalen Krieg erkläre. Dazu brauche es aber ein starkes Justizsystem, das von den Leuten an der Macht offensichtlich nicht gewollt sei, weil eine starke, unabhängige Justiz auch die politische Führungsriege kontrollieren könne, und die wolle eben nicht kontrolliert werden.

Dann kommt er auf die OK in Europa zu sprechen: „Für die Mafien ist Europa eine riesige Weide, auf der jeder grasen kann, wie er will. Ich ermittle in Belgien, in Deutschland und Holland und muss mich mit drei Justizsystemen auseinandersetzen um die Drogenhändler zu jagen, während die Mafiosi sich in diesen Ländern frei bewegen können“ als wären sie einfache Touristen. „Ich bin“, so fährt er fort, „für ein föderales Europa in Politik, Justiz und Wirtschaft. Aber in Europa spricht man nicht über Mafia, das einzige Thema sind die Wirtschaft und die Märkte.“ Und von dieser Nachlässigkeit im Umgang mit einem großen Problem hätten die Mafien in Europa profitiert. Beispiel `ndrangheta. Wenn man im Zusammenhang mit der kalabrischen Mafia nur an Norditalien denke, mache man einen großen Fehler. „Sie ist in Deutschland, Belgien, Portugal, Holland und Spanien fest verwurzelt.“ Gratteri spricht im Falle Europas also nicht mehr von Infiltration, sondern eindeutig von Verwurzelung!!

„Seit 10 Jahren nun ist die Eroberung Osteuropas durch die `Ndrangheta im Gang – und keiner sagt nur ein einziges Wort dazu. (…) Auch von Österreich spricht nie jemand, obwohl die ‚Ndrangheta sich dort frei und nach ihrem Belieben bewegen kann“. Als letztes Beispiel nennt er die City von London, ein Ort, an dem es kinderleicht sei, Geld zu waschen.

Der Staatsanwalt aus Catanzaro weiß, wovon er spricht. Aber in Europa hört keiner zu!
Antimafiaduemila
Capital.it

Die `ndrangheta bekämpft man
wie die anderen Mafien
mit Gefängnis unter verschärften Bedingungen und der Beschlagnahmung ihres Besitzes. – Nicola Gratteri
Lameziaoggi.it

Der Staatsanwalt Nicola Gratteri
mahnt: „Jungs, Mädels, macht euch kundig, studiert – dann machen wir sie fertig“
Diariealtro.it

 

 

 

by Paolo Calleri