Italien: Einziehung von Vermögenswerten auch für Fälle von Korruption?

Seit längerem liegt im italienischen Senat eine Neufassung des Gesetzes Rognoni-La Torre (von 1982), die die Einziehung von Vermögenswerten nicht nur für Mafiosi, sondern auch für der Korruption überführte „Weiße-Kragen-Täter“ vorsieht. Leider wurde die Gesetzesnovelle bisher nicht verabschiedet und die Sommerpause ist nicht mehr weit. Deshalb fand kürzlich in Palermo eine Veranstaltung statt, auf der die Bedeutung dieses Gesetzesvorschlags für den Kampf gegen die Mafia und die Korruption noch einmal erläutert und betont wurde.

Initiatoren des Vorschlags zur Novellierung des Gesetzes von 1982 sind der ehemalige Staatsanwalt aus Palermo und heutige Präsident der politischen Bewegung „Azione civile“ Antonio Ingroia und der Historiker und Antimafia-Aktivist Franco La Torre. Franco La Torre ist der Sohn des kommunistischen Politikers Pio La Torre, auf dessen Initiative hin das Gesetz Rognoni-La Torre im September 1982 erlassen wurde. Pio La Torre bezahlte seine Gesetzes-Initiative, die zum ersten Mal die Zugehörigkeit zur Mafia zur Straftat erklärt und die Beschlagnahmung von Mafia-Besitz vorsieht, mit seinem Leben. Schon im April 1982 wurde er von zwei Killern der Cosa Nostra in Palermo umgebracht.

Bei dem Gesetz von 1982 handelt es sich um ein höchst schlagkräftiges Antimafia-Gesetz. Das zeigen einerseits unzählige von der Justiz abgehörte Gespräche unter Mafiosi, in denen diese beklagen, dass der Staat ihnen ihren ganzen Besitz stehle, oder in denen diskutiert wird, wie man eine Rücknahme der Beschlagnahmungen erreichen könne. Außerdem ist diese Forderung der Mafia auch im sog. „Papello“ aufgeführt – der nach Aussagen von Kronzeugen vom Boss der Bosse Totò Riina höchst selbst aufgestellte Forderungskatalog an den italienischen Staat, wenn er ein Ende der Attentate der Jahre (1992 und 1993) erreichen wolle.

Das bisher gültige Gesetz sieht Folgendes vor: Stellt die Staatsanwaltschaft ein deutliches Ungleichgewicht zwischen der Erklärung der Einkünfte eines Mafioso und seinen tatsächlichen Besitztümern fest, so kann sie sofort – präventiv – alle seine Vermögenswerte beschlagnahmen. Im folgenden Prozess muss der Angeklagte beweisen, dass sein Besitz aus legalen Quellen stammt, andernfalls gehen die Güter endgültig in den Besitz des italienischen Staates über.

Die Gesetzesnovelle Ingroia-La Torre sieht nun vor, ein derartiges Vorgehen auch auf Fälle von Korruption in den verschiedensten staatlichen Bereichen, auf Amtsmissbrauch, aber auch auf Fälle von gewohnheitsmäßiger Steuerhinterziehung auszudehnen.

Antonino Di Matteo, Vertreter der Anklage im Prozess zur „trattativa“, bei der Veranstaltung ebenfalls anwesend, vermutet, dass die Neufassung des Gesetzes „ein Erdbeben“ auslösen könnte, denn es würde das im Augenblick vorhandene prekäre kriminelle Gleichgewicht ins Wanken bringen, das auf der Risiko- und Nutzen-Kosten-Rechnung und der Garantie auf Straffreiheit basiert.

Wie wäre es, wenn der deutsche Gesetzgeber, der sich doch so schwer tut mit Gesetzen gegen Korruption, einen Blick nach Italien riskieren würde?

Freimut Woessner
www.f-woessner.de

 

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