Türkei in der Finanzkrise?

Zum ersten Mal seit 2009 war das Wachstum im dritten Quartal 2016 negativ. Für die Wirtschaft ist die schwache Lira Gift. Viele türkische Unternehmen haben Kredite in US-Dollar aufgenommen. Der Schuldendienst lastet auf ihnen jetzt noch mehr.

Außerdem verteuern sich Güter, die Unternehmen in der Türkei importieren. Die Unternehmensberatung PA Consulting Group (PAC) in Frankfurt verdeutlicht das am Beispiel deutscher Automobilzulieferer in der Türkei: „Das setzt auch Unternehmen, die Endprodukte in die Türkei importieren, unter Druck“, sagt Automobilexperte Thomas Goettle. „Besonders die Importeure im Kleinwagensegment leiden stark unter der schwachen Währung. Sie planen bereits jetzt Umsatzrückgänge zwischen fünf und zehn Prozent für 2017.“

Belastend wirkt sich zudem aus, dass die Türkei aufgrund hoher Energieimporte ein chronisches Leistungsbilanzdefizit um die fünf bis sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausweist. Auch deshalb ist das Land auf den Zustrom ausländischen Kapitals angewiesen. Die Direktinvestitionen in die Türkei aber sind stark rückläufig. Waren es 2015 noch rund 16 Milliarden hat sich der Wert ein Jahr später fast halbiert.

Der Internationale Währungsfonds rechnet inzwischen mit einer steigenden Staatsverschuldung. Die ist zwar unter der Regierung Erdoğan kontinuierlich von mehr als 50 auf nur noch 32 Prozent gesunken, könnte laut IWF aber bis 2020 wieder über 40 Prozent klettern. Verglichen mit den Schuldenquoten von Griechenland oder Italien ist das allerdings immer noch unproblematisch.

Ein funktionierende Wirtschaft ist das Rückgrat Erdoğans Erfolg. Der türkische Politiker verdankt seine Machtbasis weniger frommen oder nationalistischen Parolen, sondern der Verbesserung des Lebensstandards der türkischen Bevölkerung. Als seine AKP 2002 an die Macht kam, lag die Inflation bei 70 Prozent. Die Türkei war ein Land knapp über Dritte-Welt-Niveau. Seitdem wuchs das türkische BIP im Schnitt um fünf Prozent. Nur einmal auf dem Höhepunkt der Finanzkrise schrumpfte die Wirtschaft. Die Realeinkommen der Türken haben sich in den vergangenen 15 Jahren verdreifacht.

Türkei, von der Demokratie zur Diktatur
Recep Tayyip Erdogan ist nicht der Garant für Stabilität in der Türkei, sondern verantwortlich für den ersten Failed State innerhalb der Nato.

Erdoğans erklärtes Ziel ist es, die Türkei bis 2023 – dem hundertsten Geburtstag der türkischen Republik – zu einer der zehn größten Volkswirtschaften der Welt zu machen. Heute rangiert das Land bereits auf Platz 17. Die Inflation ist mit knapp zehn Prozent zwar hoch, ist aber nach Mehrheitsmeinung unter Kontrolle.

Eine Finanzkrise, die sich zu einer Wirtschaftskrise auswirkt, bedroht Erdoğans Machtbasis deswegen weitaus mehr als außen- oder innenpolitische Entwicklungen.

Endes des Monats wird die Rating-Agentur Fitch über die Kreditwürdigkeit der Türkei entscheiden. Es ist die letzte der drei großen Agenturen, bei der das Land noch „Investment“-Status hat. Senkt Fitch den Daumen, dürfte es mit der Lira weiter bergab gehen – und wieder vom Wechselkurs als Waffe in den Händen ausländischer Terroristen die Rede sein….wiwo

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