Italien nach dem Erdbeben: Was nun?

Italien nach dem ErdbebenEine Woche nach dem schweren Erdbeben
in Mittelitalien, bei dem Zivilschutz, Hilfsorganisationen und viele Freiwillige aus ganz Italien im Katastrophengebiet Bewundernswertes geleistet haben, diskutiert man in Italien den Wiederaufbau.

Das Erdbeben, das unglaubliche Schäden und vergleichsweise viele Tote produziert hat (die offizielle Zählung nennt inzwischen 293 Opfer), macht deutlich, dass für die verheerende Zerstörung nicht nur die Natur, sondern auch die Gier der Mafien und die Korruption in Behörden und Bauwirtschaft verantwortlich sind. Geradezu zerbröselte Häuser, Gebäude, die in sich zusammenfallen, sind Folge einer von der Mafia infiltrierten und nur am momentanen Profit interessierten Bautätigkeit. Dies beginnt schon bei der Verwendung von minderwertigen Materialien und endet bei der in diesen Tagen viel zitierten Einstellung, die in einem heftigen Erdbeben nur die Chancen für „große Geschäfte“ sieht. Zitiert werden immer wieder abgehörte Telefongespräche unmittelbar nach dem vorletzten großen Beben in L’Aquila (2009), in denen Bauunternehmer vor dem Bildschirm die Katastrophe verfolgen und sich gleichzeitig dabei ins Fäustchen lachen, weil für die nächsten zehn Jahre die profitabelsten Geschäfte möglich würden.

Der nationale Antimafiastaatsanwalt Franco Roberti: „Die Erfahrungen und wissenschaftlichen Untersuchungen, die in der Vergangenheit gemacht wurden, sagen uns, wenn ein Haus gut gebaut wird, wenn beim Bau die speziellen Vorschriften für erdbebensichere Bauweise berücksichtigt wurden, dann kann ein solches Gebäude bei einem Erdbeben Schäden erleiden, sich neigen, aber es kann sich nicht in Staub auflösen oder in sich zusammenfallen.“

Experten sehen aber nicht nur die „Beteiligung“ der Mafien als Gefahr beim Wiederaufbau, sondern fügen auch die weit verbreitete Korruption und die Behinderungen durch die Bürokratie hinzu.

Raffaele Cantone, Präsident der ANAC (staatliche Antikorruptionskommission) nimmt buchstäblich „zwei Italien“ wahr: Das Italien der Solidarität und das der kriminellen Geschäftemacher. „ Ja, ich sehe da zwei unvereinbare Italien: Das Italien der Freiwilligen, die aus ganz Italien kommen und bis zum Umfallen mit bloßen Händen nach Überlebenden graben (…) Da ist es dann schwer sich vorzustellen, dass es das gleiche Land ist wie das derer, die sich im großen Stil und unverschämt bereichern. (…) Einerseits gibt es ein wunderbares Italien, und es gibt diejenigen, die nur an die Geschäfte denken, die sie auf dem Rücken von Erdbebenopfern machen können.“

In der öffentlichen Diskussion wird immer wieder betont, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit lernen wolle. Die Regierung Renzi hat schnelles und vor allem transparentes Handeln versprochen. In Brüssel hat der Regierungschef offenbar schon eine Lockerung der Stabilitätskriterien erreicht. Er hat alle staatlichen Antimafia- und Antikorruptions-Institutionen in den Prozess des Wiederaufbaus eingebunden, um größtmögliche Transparenz zu garantieren und plant aber auch ein Präventionsprogramm mit dem Namen „Casa Italia“ (etwa: Italien – unser Zuhause). in Italien, einem Land mit hohem Erdbebenrisiko, entsprechen nach Schätzungen von Experten lediglich 30% der Gebäude den Standards für erdbebensichere Bauweise. Für dieses Projekt will die Regierung jährlich 3 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Die Fotos von zerbröselten Häusern, die Nachricht von einer erst 2012 eingeweihten und in sich zusammengefallenen Schule sollten auch uns und unsere Behörden zum Nachdenken bringen: Man könnte z.B. darüber nachdenken, ob in einer Zeit, in der die Mafien über so viel Kapital verfügen, dass sie jeden legalen Bieter bei öffentlichen Bauaufträgen aushebeln können und Verbindungen in die Amtsstuben haben, das Prinzip, dem billigsten Bieter den Auftrag zu geben, noch sinnvoll ist.

Giannelli

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.