Die Region Emilia-Romagna: „Mafia-Land“ – ein Beispiel aus dem Lehrwerk

Das Beispiel der Region Emilia-Romagna in Norditalien zeigt, wie aus einem „sauberen“ Land „Mafia-Land“ wird: Neben den Aktivitäten der Mafia, im Falle der Emilia-Romagna der `Ndrangheta (aus Kalabrien stammende Mafia), ist entscheidend das Verhalten jedes Einzelnen.

In Ihrem Artikel „Emilia, terra di mafia“ zitiert Sara Donatelli vor allem zwei Quellen, die berichten, wie aus der Emilia-Romagna im Norden Italiens Mafia-Land geworden ist.

Der Abschlussbericht 2015 der DNA (Direzione nazionale Antimafia e Antiterrorismo = Antimafia- und Antiterrorismus-Kommission) bemerkt über die Region Emilia-Romagna:

Sie „hat eine tiefgreifende Veränderung durchgemacht und stellt sich mit den typischen Eigenschaften der von der Mafia heimgesuchten Gebiete dar“. So kommt die Kommission zu dem abschließenden Urteil, dass diese Region Nord-Italiens in jeder Hinsicht „Mafia-Land“ sei.

„Die Einleitung von Geldern krimineller Herkunft in den legalen Geld-Kreislauf, die Verwurzelung in der Region durch Vertreter der kriminellen Vereinigung in Anzug und Krawatte, die über Expertenwissen und Manager-Kompetenzen verfügen, die Unterstützung durch Teile der lokalen Presse, das schuldhafte Schweigen der Institutionen, die besorgt sind, Nachrichten über die Präsenz der Mafia in dem von ihnen verwalteten Gebiet könnten schlimme Folgen haben, die Macht der Einschüchterungsmaßnahmen, die die in der Emilia operierende Gruppe der `ndrangheta einsetzt, haben zu einer wesentlichen Veränderung von Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmertum geführt.“

Die Veränderungen in der Region sind auch Gegenstand des ersten großen Maxi-Prozesses in Reggio Emilia: mehr als 200 Angeklagte, ca. 100 Anklagepunkte, rund 30 Zivilkläger. Der Prozess wird bewusst in Reggio abgehalten, so der vorsitzende Richter, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, an den Verhandlungstagen einigen Personen ins Gesicht sehen zu können, die dazu beigetragen haben, dass die `ndrangheta jetzt fest verwurzelt ist in ihrer Region. Eine besondere Rolle spielte auch Brescello, ein kleiner Ort in der Provinz Reggio, der bisher nur für „Don Camillo und Peppone“ bekannt war. Cortocircuito, ein studentischer Antimafia-Verein, hatte im Netz und dann in den großen Medien Furore gemacht mit seinem Video über die Macht der`Ndrangheta in Brescello. Ein Ausschnitt wurde übrigens am ersten Verhandlungstag des Prozesses “Aemilia“ im Gerichtssaal gezeigt, Der Bürgermeister, der im Video den am Ort ansässigen Boss und Bauunternehmer aus dem Clan Grande Aracri (in 3. Instanz wegen Mafia verurteilt), als „brava persona“, die Respekt verdiene, gelobt hatte, musste seinen Stuhl räumen, die Stadtregierung von Brescello wurde wegen Infiltration durch die Mafia von der Regierung aufgelöst. Bologna.repubblica.it

Im Zusammenhang mit dem Prozess äußert sich Roberto Alfonso, der Oberstaatsanwalt von Bologna, voll Bitterkeit über das, was die Ermittlungen im Vorfeld zu Tage gefördert haben:

„Die Operation Aemilia“ – so der Name der Polizei-Aktion – „hat zur Auflösung eines sehr eng gewebten Netzes von Beziehungen der `Ndrangheta zu Politik und Unternehmertum in der Emilia-Romagna geführt und hat neue Szenarien für den Kampf gegen die `Ndrangheta in Nord-Italien sichtbar gemacht. In mehr als 32 Jahren hat sich die `Ndrangheta hier entwickelt, sie ist immer größer geworden wie eine Metastase in einem gesunden Körper. Die kriminelle Organisation hat sich zuerst in diesem Gebiet niedergelassen und Strukturen aufgebaut, dann hat sie verschiedene Bereiche der Wirtschaft infiziert, angefangen vom Baugewerbe, bis sie schließlich auch Sachverständige für sich gewinnen konnte, aber auch Beamte und Abteilungs- oder Referatsleiter im Öffentlichen Dienst, Angehörige der Polizei, auch Journalisten. Das Szenario ist wirklich beeindruckend weil die Basis, auf die sich die `Ndrangheta stützt, so breit gefächert ist, weil die kriminellen Wurzeln, die sie hier geschlagen hat, so fest, so solide sind, und wegen dem Geschick, mit der sie die illegal erworbenen Reichtümer zu produzieren und zu maskieren versteht – und das zum Schaden aller Bürger der Region.“ Ein weiteres trauriges Kapitel, so der Staatsanwalt, sei das Klima der omertà, auf das man bei den Ermittlungen stieß. „Es gab keine Zusammenarbeit mit den ermittelnden Behörden. Kein einziges Mal kam jemand, um auszusagen, so wie das in anderen Regionen geschieht.“

Die problematische Rolle des beharrlichen Schweigens der Zivilbevölkerung hebt auch der Abschlussbericht der DNA 2015 hervor: Das Klima des Schweigens „hat den Prozess der Bewusstwerdung über die tatsächlichen Ausmaße des Phänomens verlangsamt und ein rechtzeitiges und effektives Eingreifen behindert und komplizierter gemacht. Das Schweigen über das Phänomen und über seine Ausbreitung in Nord-Italien, das man zu lange gewahrt hat, hat die Verbreitung einer Anti-`Ndrangheta-Kultur nicht gerade erleichtert, auch wenn die Zivilgesellschaft diesbezüglich in den letzten Jahren reifer geworden ist. Die vielen Informationen über das reale Ausmaß des Eindringens der `Ndrangheta in die Gesellschaft der Emilia hat dazu geführt, dass die Zivilgesellschaft ihr von Widerstand und Misstrauen geprägtes Verhalten geändert und damit die Bedingungen geschaffen hat, dass man in kleinen Schritten die Kontrolle über das Territorium zurück gewinnen kann.“

Auch in Deutschland glaubt man allgemein nicht an eine Präsenz der italienischen Mafia, und vor allem nicht an die Geschäfte der Mafia, die in Deutschland getätigt werden.

Die Leiterin der Abteilung Organisierte Kriminalität des BKA, Sabine Vogt, erklärt sich das so: „Ich als Bürger sehe nicht, was passiert. Ich bin nicht direkt Opfer, nicht betroffen und unterliege sehr schnell dem Eindruck, dass ja gar nichts passiert.“

Siehe die Reportage von RTL (in Zusammenarbeit mit David Schraven, Herausgeber des Recherchezentrums „Correctiv) „Warum die italienische Mafia Deutschland liebt“.

 

„Pate, die roten (=kommunistischen) Staatsanwälte haben die Stadt von Peppone und Don Camillo aufgelöst…“ – BRESCEDDU? (Brescello, imitierte sizilianische Aussprache)

Bresceddu

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