Deutschlands strukturelle Schwächen

Der robuste Aufschwung, in dem sich die deutsche Wirtschaft seit dem Jahr 2014 befindet, wird sich fortsetzen. Das ifo Institut rechnet mit einem Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts von 1,8% im laufenden Jahr. Im Jahr 2017 beläuft sich der Anstieg voraussichtlich auf 1,6%. Damit wird sich die Produktionslücke weiter verringern und im nächsten Jahr wohl nahezu geschlossen sein. Deutschland wird wegen der gesunden Wirtschaft oft als Musterknabe in der EU gesehen. Doch Sonderfaktoren wie die extreme Geldpolitik decken Schwächen zu. In einem Bereich harzt es besonders.

Der ausserordentliche milliardenhohe Haushaltsüberschuss überdeckt die Versäumnisse der jüngeren Jahre. Deutschland scheint es glänzend zu gehen: Die Arbeitslosenquote ist auf dem tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung, und die Wirtschaft wächst über Potenzial. Das Statistische Bundesamt gab zudem am Mittwoch bekannt, dass der Staat im ersten Halbjahr einen Haushaltsüberschuss von 18,5 Mrd. € erzielt habe. Damit dürften Bund, Länder, Gemeinden und die Sozialversicherungen 2016 das dritte Jahr in Folge mehr einnehmen, als sie ausgeben. Doch der Schein trügt. Kurzfristig sehen die Zahlen zwar gut aus, aber mittelfristig bröckelt das Fundament. In vielen Bereichen geht es mit der grössten Volkswirtschaft Europas strukturell bergab.

Marode Verkehrsinfrastruktur
Deutschland habe sich seit der Finanzkrise, aus der das Land rasant herausgekommen sei, zu sehr ausgeruht, sagt Marco Wagner, Ökonom bei der Commerzbank. Die Regierung habe Reformen zurückgedreht und sich auf den Lorbeeren der Vorgänger ausgeruht, weshalb sich die relative Stellung des Landes in vielen Bereichen fortwährend verschlimmere. Im «Doing Business Report» der Weltbank hat sich Deutschland von 2009 bis 2015 zusammen mit Luxemburg und Belgien am meisten verschlechtert und ist bei den Wirtschaftsreformen das Schlusslicht in der EU. In einer Rangliste der attraktivsten Firmenstandorte liegt Deutschland gerade noch im oberen Drittel. Die Standortqualität lässt aus Sicht der Geschäftsleute also nach. Hinzu kommen mittel- bis langfristige Probleme wie der demografische Wandel und die daraus resultierenden Folgen für die Rentenkassen.

Die Lohnstückkosten steigen ausserdem seit 2011 deutlich schneller als im Rest des Euro-Raums, worunter die preisliche Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte leidet. Inzwischen hat das Land nach Berechnungen der Commerzbank fast einen Drittel des Wettbewerbsvorteils verloren, den es sich in den ersten zehn Jahren der Währungsunion durch die Reformen in der Ära von Kanzler Gerhard Schröder mühsam erarbeitet hatte. Entsprechend stagniert seit 2012 der Weltmarktanteil der deutschen Exporte.

Dass die deutsche Fassade trotz den strukturellen Verschlechterungen noch glänzt, ist auch der extrem expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) geschuldet.
Infrastruktur verschlechtert sich

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