Verpasste Chancen

Finanzkompetenz oder „Financial Literacy“. Verbessern Sie Ihr Finanzwissen.
Finanzwissen im Brennpunkt Prof. Dr. Herri.

Wenn man – auch bei langem Anlagehorizont – an einzelnen guten Tagen an den Aktienmärkten nicht investiert ist, wird man mächtig bestraft. „Aber warum sollte man an den guten Tagen nicht investiert sein?“. Wir zeigen es Ihnen im heutigen Video. Sie werden sich wundern.

Meine Damen und Herren, es ist ein bekanntes Phänomen, dass – wenn man an den Aktienmärkten ganz wenige besonders gute oder besonders schlechte Phasen verpasst -, man entweder eine besonders schlechte oder eben eine besonders gute Performance hat. Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Hier sind die Tageswerte des Schweizer Aktienmarktes von 1990 bis in den Januar 2015. Gewaltige Ausschläge – Sie kennen diese Grafik natürlich bereits. Ich indexiere hier auf 100 und die Rendite per annum beträgt 6.6%, mit grossen Schwankungen. Was passiert jetzt mit der Performance, wenn Sie – was immer auch die Gründe sein mögen -, über diese lange Periode die 10 besten einzelnen Tage verpassen? Ich komme nachher darauf zurück was die Gründe dafür sein könnten. Hier der Performance-Chart: Wenn Sie die 10 besten Tage verpassen, dann liegt die Performance im Durchschnitt noch gerade bei 3.7% p.a. – wahrscheinlich nicht weit weg von der Performance eines Obligationenportfolios. Es entsteht mit anderen Worten ein gigantischer Performance-Einbruch, wenn man von den rund 6’000 Beobachtungen die zehn Besten „verpasst“. Nun mögen Sie sagen, das sei akademisches Zeug, professorale Fingerübungen! Warum um Himmels Willen sollten einem gerade die 10 besten Tage fehlen? – reine Theorie. Kommen Sie mit mir in eine weitere Grafik und beachten Sie folgendes: hier ist die Grafik der prozentualen Kursveränderungen pro Tag. Genau die gleichen Daten, von 1990 bis heute, und für diejenigen die sich für die Details interessieren, der durchschnittliche Ertrag liegt bei 0.03% pro Tag und das Sigma – die Streuungsbreite – bei 1.15%. Interessant ist, dass die ganze Geschichte ziemlich ungleichmässig verläuft und wir Phasen haben, während welchen so richtig „die Musik spielt“, dann wieder Phasen relativer Ruhe und dann wieder Volatilität wie hier und hier und hier. Graben wir hier ein wenig tiefer: Noch einmal die ursprüngliche Frage: Warum sollte man ausgerechnet an den besten Tagen nicht investiert sein? Es ist deswegen, weil 5 der 10 besten und 5 der 10 schlechtesten Tage von den rund 6’000 (von 1990 bis heute) einmalmehr ausgesprochen nahe beieinander liegen. Ein Beispiel dafür: das Jahr 2008, der Herbst 2008 am Schweizer Aktienmarkt. Dieselben Tagesausschläge wie oben, jetzt von Anfang September bis Ende November 2008. Beachten Sie Folgendes: hier, hier, hier, hier, hier, zwischen September und November 2008 finden sich fünf der 10 besten Tage aus der gesamten Periode von 1990 bis 2008. Noch etwas näher in die Details: Hier eine bestimmte Woche: Am Montag -4 %, am Dienstag -3%, am Mittwoch -2% und am Donnerstag -1%. Meine Damen und Herren, am Donnerstag Abend entscheiden Sie vielleicht, das „ganze Zeug“ zu verkaufen. It just happens, dass der nächste Tag, der Freitag, einer der besten Aktientage der letzten 25 Jahre war.
Ein noch brutaleres Beispiel: Die Woche von Mitte Oktober: Am Montag -7%, am Dienstag -1%, am Mittwoch -7%, am Donnerstag -5% und am Freitag -8%. Über das Wochenende rufen Sie Ihr inter-familiäres Asset Allocation Meeting zusammen und entscheiden „jetzt dieses Zeug endlich zu verkaufen“. Aber auch hier: der Montag war der absolute Performance-Spitzenreiter über die letzten 25 Jahre. Und was lernen wir daraus? Wenn Hypes und Medien und Anlegerpsychologie zusammenwirken, dann kann es sehr gut passieren, dass Sie plötzlich selber hyperaktiv werden, überhastet verkaufen und gerade in den besten Perioden eben nicht investiert sind.
Ich fasse das zusammen: Die Analyse der „fehlenden“ Tage (Wochen, Monate usw.) ist keineswegs nur eine akademische Fingerübung. Die besten und die schlechtesten Tage liegen oft nahe bei einander, nicht selten in besonders unruhigen und unsicheren Zeiten. Wir haben schon mehrmals betont, welche Rolle die Anlegerpsychologie spielen kann. Zusammen mit möglichen Medienhypes kann Sie das rasch in die Irre und dafür sorgen, dass Sie im falschen Moment kaufen und verkaufen. Deswegen auch heute wieder unser Grundsatzcredo: Bedenken Sie Ihren langen Anlagehorizont und lassen Sie sich nicht verrückt machen. Medienhypes sind was sie sind: Hypes eben.

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