Börsengang für Wiederaufbau nach Tsunami zerstörten Infrastruktur?

Japan PostEine halbherzige Privatisierung. Japans Post drängt an die Börse. Im kommenden November sollen für 11 Mrd. Fr. Aktien der japanischen Post vornehmlich an inländische Anlager verkauft werden. Die Regierung wird die Kontrolle nicht aus der Hand geben.

Patrick Welter berichtet: Japan steht vor dem grössten Börsengang seit den späten achtziger Jahren. Die staatliche Japan Post Holding mit ihren 200 000 Mitarbeitern und 24 000 Verkaufsstellen wird am 4. November ihren Einstand geben. Das teilte die Tokioter Börse am Donnerstag mit. Angeboten werden etwa 10% der Aktien an der Postbank und der Versicherungstochter der Post. Die Regierung plant, in einer ersten Privatisierungsrunde 1,39 Bio. Yen (11 Mrd. Fr.) hereinzuholen.

Ungünstiges Timing
Der Börsengang findet dreigeteilt statt. Japan Post Holding und die beiden Tochtergesellschaften Japan Post Bank und Japan Post Insurance werden separat gelistet. Auf längere Sicht – Näheres dazu ist nicht bekannt – will die Regierung bis zu zwei Drittel der Holding sowie die Bank und die Versicherung je hälftig an der Börse placieren. Die Ausgabepreise stehen noch nicht fest. Als Indikation nennt die Post 1350 Yen je Aktie der Holding, 1400 Yen für die Bank und 2150 Yen für die Versicherung. Damit hätte die Holding einen Viertel des Börsenwerts von Toyota.

Die Ankündigung des Börsengangs kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Bis zum Sommer entwickelte sich die Börse gut, getrieben durch den expansiven Kurs der Bank of Japan. Mit der Griechenland-Krise und den chinesischen Turbulenzen aber hat sich das Umfeld stark eingetrübt. Seit dem Hoch im Juni hat der Nikkei-225-Index 13% verloren; diese Woche erlebte er eine Achterbahnfahrt. Am Donnerstag fiel er um 2,5% auf 18299,6 Punkte.

Rund 80% der Titel sollen in Japan angeboten werden, weitgehend an Privatanleger. Das deutet auf ein relativ geringes Interesse institutioneller Anleger hin. Als problematisch gilt, dass Japan Post stark reguliert ist und in einem stark verpolitisierten Umfeld arbeitet. Noch sucht die Regierung nach einem Nachfolger für den 79 Jahre alten Vorsitzenden Taizo Nishimuro, den früheren Toshiba-Chef, der 2013 kurzfristig berufen wurde und nach der ersten Privatisierungsrunde gehen will.

Eine alte Vorgeschichte
Die Regierung will insgesamt 4 Bio. Yen aus den Einnahmen dank dem Börsengang für den Wiederaufbau der 2011 durch den Tsunami zerstörten Infrastruktur im Nordosten des Landes einsetzen. Wichtiger aber ist aus politischer Sicht, dass der Börsengang ein Symbol für die von Ministerpräsident Shinzo Abe angestrebte Öffnung geworden ist. Eingeleitet hatte die Privatisierung gegen heftigen Widerstand vor zehn Jahren Ministerpräsident Junichiro Koizumi, aber das Projekt blieb stecken. Für den Börsengang sind elf Finanzhäuser eingespannt. Nomura Securities, Goldman Sachs, Mitsubishi UFJ Morgan Stanley und JP Morgan dienen als globale Koordinatoren. Der bisher grösste Börsengang Japans war 1987 derjenige von Nippon Telegraph and Telephone (NTT), was 2 Bio. Yen einbrachte.
Japan Economy

 

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