Zornige US-Ökonomin über Politik und Banken: Geld und Macht ohne Verantwortung

Die Finanzwissenschaftlerin Anat Admati Anat Admati
hat in einem Vortrag schonungslos aufgezeigt, dass es jederzeit wieder zu einem Crash kommen könnte. Denn die Finanzindustrie und die Politik haben keine wirksame Regulierung des Finanzsektors vorgenommen. Das Problem liegt in einer bemerkenswerten Blindheit für die Gefahren. Außerdem gibt es viel Feigheit: Viele schwiegen, weil sie sich ihre Karriere nicht verbauen wollen.

Stanford-Professorin Anat Admati ist eine der angesehensten Forscherinnen der Welt auf dem Gebiet der Finanzwissenschaft. Ihr gemeinsam mit Martin Hellwig verfasstes Buch „Des Bankers neue Kleider“ gilt als das wichtigste Buch zur Banken-Krise. Die Autoren haben nüchtern und schonungslos aufgezeigt, dass eine strenge Regulierung dr Finanzindustrie für die Gesellschaft von größter Bedeutung ist. Die Autoren erläutern, dass Regulierung auch relativ einfach machbar wäre. Allerdings ist es der Finanzindustrie erfolgreich gelungen, die Politik von einer nachhaltigen Regulierung abzubringen.

In einem brillanten Vortrag für das Institute for New Economic Thinking rechnet Admati mit dem Versagen bei der Regulierung ab. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten dokumentieren die Rede als leicht gekürztes Manuskript mit freundlicher Genehmigung von Prof. Admati. Die Grafiken entstammen einem Vortrag von Admati in Stanford, bei dem sie das Thema im Detail vertieft hat.

Ihr Hauptthema ist die Governance. Dieser etwas schwer zu übersetzende Begriff bedeutet: Es gibt ein Regelwerk von ethischen Grundsätzen, das sicherstellt, dass verantwortliche Manager ihre Machtpositionen nicht dazu ausnutzen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Governance bedeutet auch, dass es Regeln gibt, die Korruption, Vorteilnahme, Betrug oder Begünstigung unterbinden.

Ich arbeite als Finanzwissenschaftlerin. Vor der Finanzkrise habe ich über die Finanzmärkte und das Vertragswesen geforscht. Ich habe über Corporate Governance geforscht. Ich habe künftigen Managern und Unternehmern Finanzen beigebracht. Bevor ich in die technischen Details eingestiegen bin, etwa die Bewertung von Aktien, Bonds, Derivaten und Unternehmen, habe ich meinen Studenten immer gesagt: Das Finanzsystem ist wirklich nützlich für eine Gesellschaft, weil es hilft, Geld über einen Lauf von Zeit zu bewegen, Risiken zu bestimmen und produktive Investments zu finanzieren.

Mein Leben begann sich Ende 2008 zu verändern. Ich hatte das Glück, weder meinen Job noch mein Haus zu verlieren. Ich forsche noch immer über Finanzen, aktuell über die Kräfte, die die Unternehmensfinanzierung Entscheidungen beeinflussen, und wie sie zum exzessiven Schuldenmachen und zur großen Ineffizienz führen können. Aber ich bin nicht länger in meinem Silo geblieben. Ich habe begonnen, zu viel mehr Leuten, Akademikern und Nichtakademikern, zu sprechen. Ich unterrichte einen Kurs mit dem Titel: Finanzen und Gesellschaft. Dort werden verschiedene Entwicklungen berücksichtigt, aus ganz unterschiedlichen Bereichen: Finanzen, Wirtschaft, Buchhaltung, Recht, und politische Wissenschaften. Sogar Psychologie, Philosophie und Soziologie können wichtige Einsichten bringen.

Mein Leben hat sich vor allem dadurch geändert, dass ich erkannt habe: Schlechte Forschung und falsche oder irreführende Behauptungen, auch von Akademikern, haben konkreten Einfluss auf die Politik. Unschuldige Menschen, machtlos und oft nicht wissend, worum es eigentlich geht, werden von einer schlechten Politik geschädigt.

Ich war davon ausgegangen, dass wenigstens Akademiker und Politiker das Engagement begrüßen würden, mit dem man die richtige Politik machen könnte. Doch ich habe mich geirrt. Die Leute wollen nicht handeln, wenn andere Erkenntnisse ihre Sichtweisen und Handlungen infrage stellen. Sie ignorieren die Einwände und versuchen zu entkommen. Ich bin Zeuge nicht nur von blinden Stellen, sondern von absichtlicher Blindheit, geworden.
Zornige US-Ökonomin über Politik und Banken (Vortrag in deutscher Übersetzung)

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The Bankers’ New Clothes
by Anat Admati and Martin Hellwig Princeton University Press

The-Bankers-New-Clothes

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