Eine emanzipierte Frau auf bulgarischen Geldschein?

Bulgarien präsentiert auf seinen Banknoten auschließlich Männer – mit einer Ausnahme. Kirche von BojanaAuf einem Schein von 1991 war das Porträt einer Frau zu sehen. Doch heute ist sie verschwunden.

Frank Stocker berichtet:  Die Emanzipation hat in den meisten Ländern der Welt längst auch auf Banknoten Einzug gehalten. Wenn darauf Persönlichkeiten abgebildet werden, so sind es längst nicht mehr nur Männer, sondern meist ebenso oft Frauen.
Ausnahmen sind einerseits viele muslimische Länder, andererseits die USA. Und Bulgarien. Das Land präsentiert auf seinen aktuellen Geldscheinen ausschließlich Männer. Und auch in früheren, kommunistischen Zeiten fanden Frauen nur in Form von Symbolgestalten den Weg auf einen Lew-Schein, als fleißige Bäuerinnen bei der Wein-, Tabak- oder Blumenernte.

Bekannte Bulgarinnen kamen und kommen nicht vor – mit einer einzigen Ausnahme. Doch diese umgibt gleichsam etwas Mysteriöses. Zu sehen war das Porträt auf dem 20-Lewa-Schein, der 1991, nach der Wende, herausgegeben wurde.
Wann lebte die Frau auf dem Schein?

Es zeigt eine junge Frau mit Krone, die jedoch selbst den meisten Bulgaren völlig unbekannt ist. Als Bezeichnung steht daneben: „Desislava Sevastokratoritsa Ktitoritsa“. Desislava ist ein alter bulgarischer Name, der wohl auf die altbulgairschen Wörter „desiti“ (erreichen) und „slava“ (Ruhm) zurückgeht.

Die „Ruhmreiche“ wurde als Ergänzung mit zwei Titeln bedacht. Ein Sevastokrator entsprach etwa einem Herzog, ein Ktitor ist ein Stifter. Desislava war offenbar eine Herzogin und Stifterin. Doch wann lebte sie, und was war ihr Verdienst? Die Rückseite des Scheins gibt darüber Aufschluss, denn dort ist die Kirche von Bojana zu sehen, die im gleichnamigen Sofioter Stadtteil steht. Sie wurde ab dem zehnten Jahrhundert erbaut und gehört heute zum Unesco-Weltkulturerbe, vor allem wegen der im 13. Jahrhundert entstandenen Fresken.

Auf einem dieser Fresken ist der Herzog von Sofia, der Sevastokrator Kalojan zu sehen, der die Kirche gestiftet haben soll. Und neben ihm steht seine Frau Desislava.
Kunsthistorisch gilt das Fresko vor allem deshalb als interessant, weil die Gesichter besonders lebendig und realistisch gemalt sind, was zur damaligen Zeit den Traditionen widersprach. Diese Darstellung Desislavas fand sich schließlich auch auf dem 20-Lewa-Schein wieder.
Die mysterioese Frau auf dem bulgarischen GeldscheinDesislava Sevastokratoritsa Ktitoritsa

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