25. Jahrestag des Attentats auf den Antimafiarichter Giovanni Falcone (23. Mai 1992)
Autobahn A 29, die den Flughafen Punta Raisi mit Palermo verbindet, Ausfahrt Capaci:
Am 23. Mai 1992, 17.58 zündeten zwei Mafiosi von einem Hügel über der Autobahn aus eine Ladung von 500 kg Sprengstoff, der in einem Drainagerohr unter der Fahrbahn deponiert war. Bei dem Attentat wurden der Antimafiarichter Falcone, seine Ehefrau Francesca Morvillo, ebenfalls Richterin, und drei Männer seiner Eskorte getötet, es gab insgesamt 23 Verletzte.
Zwei Prozesse konnten klären, wer für die konkrete Ausführung des Attentats verantwortlich war – Männer der Cosa Nostra. Auftraggeber waren die Mafiabosse Totò Riina, Bernardo Provenzano und Leoluca Bagarella aus Corleone. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Caltanissetta zu den „Geheimen Auftraggebern“, gemeint sind Auftraggeber in den Reihen der Politik, führten allerdings zu keinen konkreten Ergebnissen. Wer z.B. die genauen Daten über Falcones Ankunft am Flughafen an die Cosa Nostra verraten hat, ist bis heute nicht geklärt.
Und die Motive? Kronzeugen nennen einmal Rache für die Strafen im Maxiprozess: Im Januar desselben Jahres waren die Urteile aus 1. und 2. Instanz vom Kassationsgericht endgültig bestätigt worden, und dies war für die Mafia etwas nie Dagewesenes, denn davor waren sie fast immer freigesprochen worden. Ein wichtiges Motiv sei auch gewesen, die Wahl Giulio Andreottis zum Staatspräsidenten zu verhindern, der nicht dafür gesorgt hatte, dass die Urteile im Maxiprozess im Sinne der Mafia manipuliert worden waren. Als Motiv der „okkulten Auftraggeber“ vermutet man, dass Giovanni Falcone höchst unbequem geworden war, da er mit seinem Kollegen Paolo Borsellino Ermittlungen zum Problem „Öffentliche Ausschreibungen und Mafia“ aufgenommen und damit die Politik und die Verwaltung in den Focus genommen hatte.
Wer war Giovanni Falcone?
Falcone war einer der Ermittlungsrichter des Maxiprozesses von Palermo (1986 bis Januar 1992), der als der weltweit größte jemals abgehaltene Strafprozess gilt. Der eigentliche Erfolg des Prozesses besteht aber nicht in der Zahl der angeklagten Mafiabosse (475) oder in den verhängten Strafen (19 Mal lebenslänglich + 2665 Jahre Gefängnis), sondern darin, dass in dritter Instanz die Strafen definitiv bestätigt wurden, wodurch das oberste Mafia-Gremium, die sog. Cupola, durch Anwendung der bestehenden Antimafia-Gesetze besiegt werden konnte. Durch seine Arbeit mit dem Kronzeugen Tommaso Buscetta und mit seinen innovativen Ideen für den Kampf gegen die Mafia wurde Falcone weit über die Grenzen Italiens hinaus bekannt. Das FBI von Quantico, USA, ehrt sein Andenken mit einer Statue in den eigenen Amtsräumen. Für die italienische Antimafia-Bewegung ist er auf Grund seiner persönlichen Integrität, seines Glaubens an die Werte der Verfassung der italienischen Republik und seines unermüdlichen Einsatzes im Kampf gegen die Mafia eine Symbolfigur, ein Vorbild. Allerdings: Erfolg schafft Neider. Insofern ist der Weg Falcones auch voller Beispiele, wie man ihn mit Vorwürfen und Unterstellungen versuchte zu stoppen: Er sei ein Karrierist und machthungrig und wolle nur ständig im Rampenlicht stehen. Solche Gegner fanden sich unter den eigenen Kollegen, im obersten Justizorgan, dem CSM, unter Journalisten und Politikern, so dass es wirklich plausibel ist, dass an dem Attentat von Capaci auch Personen außerhalb der Mafia Einfluss genommen haben.
Als die Nachricht von den Medien verbreitet wurde, feierten die inhaftierten Mafiosi im Ucciardone (Gefängnis von Palermo), nicht ahnend, dass dieses Mal die Aufregung über die Ermordung eines hochrangigen Mannes aus den Institutionen nicht nach paar Tagen vorbei sein würde. Die Ermordung Giovanni Falcones und die bald darauf folgende Ermordung seines Kollegen und Freundes Paolo Borsellino hat die Öffentlichkeit und die Politik nicht mehr einfach so hingenommen. Dass aber neben den für alle sichtbaren Ereignissen, die dann folgten, im Geheimen Verhandlungen mit Cosa Nostra aufgenommen wurden, um die Serie der blutigen Attentate zu stoppen, damit beschäftigt sich der seit 2014 laufende Prozess zur „trattativa“. Aber das ist eine andere Geschichte.
Den besten Artikel, den ich je über Giovanni Falcone gelesen habe (auf Italienisch) findet man hier:
Strage di Capaci / I resti dell’auto scorta di Giovanni Falcone