Italien: Roberto Scarpinato schlägt Alarm

Roberto Scarpinato ist leitender Oberstaatsanwalt in Palermo und sagt: „Das neue Abhörgesetz schafft die „Methode Falcone** ab“!

** Die Methode Falcone besteht aus Prinzipien für die Ermittlungen bei Mafia-Delikten: Die Ermittler müssen immer das ganze Puzzle im Blick haben. Eine deliktorientierte Ermittlung – wie in Deutschland immer noch üblich – ist kontraproduktiv. Es wurden zentrale Datenbanken geschaffen, die die gesamten Informationen allen Antimafia-Staatsanwaltschaften und dem Nationalen Staatsanwalt für Antimafia und Terrorismus zur Verfügung stellen.

Seitdem die italienische Regierung das neue Gesetz über Abhörmaßnahmen verabschiedet hat, haben sich verschiedene Antimafia-Staatsanwälte äußerst kritisch geäußert. Nun wendet sich der leitende Oberstaatsanwalt Roberto Scarpinato erneut an die Regierung, das Gesetz noch vor seinem In-Kraft-Treten (am 25. Juli 2018) zu reformieren, da es die Errungenschaften der „Methode Falcone“ zunichte mache. Der Justizminister Orlando lehnt dieses Ansinnen ab, während die Präsidentin der Nationalen Parlamentarischen Antimafia-Kommission Rosy Bindi Scarpinatos Appell unterstützt.

Das bisher geltende Gesetz sieht den Staatsanwalt in der Rolle desjenigen, der die abgehörten Gespräche als relevant oder nicht für seine Ermittlungen beurteilen muss. Die Reform jedoch legt diese Aufgabe in die Hände der Kriminalpolizei: Die von der Polizei als irrelevant beurteilten abgehörten Gespräche dürfen nicht transskribiert werden, die Identität der abgehörten Personen und das Gesprächsthema dürfen nicht genannt werden. Die Polizeibeamten sind gehalten, lediglich in Zweifelsfällen kurze inhaltliche Anmerkungen über die nicht transskribierten Gespräche an den ermittelnden Staatsanwalt weiterzuleiten, damit er beurteile, ob die Gespräche nicht doch transskribiert werden müssten. Alle anderen, von den Polizei-Beamten als irrelevant eingestuften Aufnahmen, wandern in ein besonderes Geheim-Archiv, eine Zusammenfassung wird nicht mitgeliefert. Die einzige, nicht praktikable Möglichkeit für Staatsanwälte und Verteidiger, auf möglicherweise doch wichtige Informationen zurückzugreifen, bestünde dann darin, sich unzählige Stunden von abgehörten Gesprächen im Original anzuhören. Die neuen Bestimmungen, so wird im Justizministerium argumentiert, schütze das „Recht auf privacy“ dritter Personen. Die Ermittlungshoheit der Staatsanwälte bleibe aber in vollem Umfang respektiert.

Roberto Scarpinato ist da völlig anderer Meinung. Um dem „Recht auf privacy“ mehr Geltung zu verschaffen, würden die in der Verfassung festgeschriebenen Prinzipien aufgegeben: die Verpflichtung zur Strafverfolgung, die vollkommene Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft von anderen Staatsgewalten, die Umsetzung der Rechtssprechung durch einen gerechten Prozess.

Der schlimmste Schaden, so Scarpinato, sei aber die Vernichtung unzähliger Informationen.

Er erläutert dies durch ein konkretes Beispiel: Ein Staatsanwalt in Palermo lässt Gespräche abhören, weil sie möglicherweise relevant sein könnten für seine Ermittlungen in einem Mordprozess.

Er stellt fest, nein, sie sind irrelevant, gibt die Protokolle aber trotzdem in die Datenbank ein, wie es seit 2011 gesetzlich vorgeschrieben ist. Für einen anderen Prozess in einer anderen Stadt, z.B. wegen Drogenhandels, könnten sie relevante Informationen enthalten. Werden nun von der Kriminalpolizei Gespräche als irrelevant für eine bestimmte Ermittlung klassifiziert, wandern sie nun eben in das neue Archiv und nicht in die zentrale Datenbank für Mafia-Ermittlungen und sind damit für andere Ermittlungen verloren. Dies bedeute, so Scarpinato einen immensen Schaden für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften und die Verletzung eines zentralen Prinzips der Methode Falcone… Antimafiaduemila.com

Ich kapier’ nicht, warum ich abgehört werden soll. Eigentlich will ich nur in Ruhe Straftaten begehen

 

 

 

 

Er sagt, man muss die privacy der Mafia respektieren. – Vor allem wenn sie mit der Politik intim ist.

 

 

 
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